Wir waren ein paar Tage im Allgäu und hatten die Vorstellung uns ein wenig zu erholen, Schönes zu erleben und Kraft
zu tanken für den Alltag.
Leider hat es nicht ganz so gut geklappt. Irgendwie habe ich vergessen, dass wir
einen kleinen Sohn haben der sehr nachtaktiv ist – zuhause,
und nochmal mehr in einer fremden Umgebung.
Nach unserer ersten (sehr
kurzen!) Urlaubsnacht bin ich deshalb total gerädert und frustriert
aufgewacht. Mein müder Blick hat die Schönheit der Berge vor dem
Fenster kaum wahrgenommen und die Sonnenstrahlen verursachten
Kopfschmerzen. So hatte ich mir unseren Urlaub nicht vorgestellt.
Meine Laune war auf dem Tiefpunkt, am liebsten wäre ich gleich
wieder nach Hause gefahren (armer Mann, der sich meine Klagen anhören
musste!).
Im Frühstücksraum ließ ich mich vor
der Kaffeekanne in den Stuhl fallen und beobachtete die langsam
eintrudelnden Gäste, die auch in unserer Pension waren. Es schien
mir so als wären alle anderen Familien ausgeschlafen und voller Elan,
schon in passender Skiausrüstung um schnell auf die Piste zu kommen.
Ich suchte nach müden Mütteraugen, nach einer Leidensgenossin,
einem verständisvollen Blick über die Tische hinweg. Leider
vergebens.
Neulich habe ich mich mit einer
Bekannten getroffen, die seit kurzem auch ein Baby hat. Es schlief
anfangs richtig gut durch (grummel) und erst seit ein paar Wochen
wacht es Nachts öfters mal auf. Wir waren beide müde und ich habe
angefangen etwas von meiner Erschöpfung zu erzählen. Sie unterbrach
mich aber ziemlich schnell und meinte lachend: „Na ja, wir haben
es ja nicht anders gewollt.“ Ich stimmte ihr zu und wir wechselten
zu einem anderen Thema, aber innerlich rief ich: „Doch, ich habe es
anders gewollt! Ich wollte, dass mein Kind mit fast 3 Jahren nachts
schläft! Ich bin dankbar, SOOOO dankbar für meinen Sohn, aber
NEIN: so habe ich die Nächte nicht gewollt!“
Mit der Zeit kommen nun auch
Schuldgefühle dazu, das blöde Gefühl, dass das Problem
„hausgemacht“ ist. Hätten wir nur besser auf die
Erziehungsratgeber gehört! Wir haben einiges ausprobiert (habe seitenweise Ratschläge kopiert und versucht umzusetzen) aber es
hatte nicht den gewünschten Erfolg. Wahrscheinlich war ich nicht
konsequent genug, wir haben zu schnell aufgegeben, wir hätten ihn
noch ein paar Nächte schreien lassen sollen...keine Ahnung.
Heio drängt darauf, dass wir noch
einmal eine Beratungsstelle aufsuchen. Ich bin zu müde dazu. Mir
reicht es ehrlich gesagt mit den guten Vorschlägen.
Alles was ich suche ist jemand, der an meiner Seite ist, dem ich
ab und zu mein Leid klagen kann, der mich nicht verurteilt sondern
versteht und mir versichert, dass es irgendwann besser werden wird.
Auch wenn ich es heute kaum glauben kann: sagt mir einfach, dass ich
irgendwann aufwache und nicht mehr so müde sein werde!
Ich glaube das ist etwas, was wir alle
brauchen können: jemand der unseren suchenden Blick erwidert und wir
spüren, da ist jemand an meiner Seite der mich versteht.
Das gilt für müde Muttis genauso wie
für Singles, die seit Jahren mit ihrer Einsamkeit kämpfen. Es gilt
für Menschen die unter chronischen Schmerzen leiden, für solche die
Probleme haben zu glauben, für homosexuell empfindende, für Alleinerziehende und für Kinderlose die so gerne Kinder hätten. Es gilt für Arbeitslose, für
Gestresste, für Reiche und für Arme.
Wir sehnen uns nach jemand, der bereit ist, einfach
zuzuhören. Mal kurz die Klappe zu halten. Gute Ratschläge können zur richtigen Zeit absolut hilfreich sein.
Aber sie können auch manchmal erschlagen und Schuldgefühle auslösen. Wir haben als Menschen eine tolle Fähigkeit bekommen mitzufühlen. Es geht nicht darum, dass wir genau dieselbe Situation erlebt haben, aber es gibt immer etwas wo wir mitfühlen können (z.B. muss man kein kleines Kind haben um zu wissen wie sich Erschöpfung anfühlt, obwohl- es hilft sicher ungemein dabei;-)). Ich glaube, das Problem ist, dass wir
zwar vieles von uns selbst kennen, aber wir vergessen so schnell.
Vor einigen Jahren war ich in Mexiko
auf einem Einsatz. Wir haben in einem armen Viertel in Wellblechhütten gewohnt und versucht die Menschen ein wenig zu unterstützen. Ich habe mir damals vorgenommen, die Armen nicht zu vergessen, dankbar zu sein bei jedem Mal, wenn ich eine warme Dusche habe oder
eine Toilette spüle. Ich habe es schnell vergessen.
Ich war lange Jahre Single, sehr lange
Jahre!!! So lange, dass ich denke, ich werde das Gefühl nicht
vergessen wie es sich anfühlt abends in eine dunkle Wohnung zu
kommen, alleine unter Pärchen zu sitzen bei denen sich alles nur um
die Kinder dreht....und langsam merke ich, dass ich anfange zu
vergessen und die Blicke der Alleinstehenden nicht mehr so gut
auffangen kann.
Ich vergesse viel zu schnell und lasse
mich von meiner eigenen Lebensrealität völlig einnehmen.
Aber ich
will lernen zuzuhören, nachzufragen: wie fühlt sich dein Leben an?
Erzähl es mir bitte, ich versuche mich zu erinnern.... Und ich will nicht mit gutgemeinten
Ratschlägen kommen aber vielleicht mit dem, was mich selbst auch
tröstet: dass das Leiden vorübergehend ist.
Das Leben ist für die meisten Menschen
auf diesem Planeten verdammt schwer (und ich rede hier nicht von
meinen kleinen Schlafproblemen). Wir sollten nicht vergessen, dass wir
Leidensgenossen sind, mitfühlen können und einander Mut machen können!
Gestern las ich in einem Buch von C.S. Lewis. Er berichtet darin über seine schwere Schulzeit in einem strengen Internat und schreibt dann über seine Schulfreunde:
"Wir kannten einander, hatten viel gemeinsam gelitten und das machte uns zu Kameraden."
Ich weiß nicht an was du gerade
leidest, aber ich will dir ein bisschen Mut
machen als Leidensgefährtin: unsere Not wird vorübergehen, ganz
bestimmt.
Und unsere Welt hat auch viel schönes zu bieten, das will ich auch im Blick behalten - hier ein paar Bilder von unseren müden, schönen Tagen im Allgäu:
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so lacht Samu wenn er seinen Papa vom Schlitten fallen sieht!:-) |