Letzte Woche stand ich im Scheinwerferlicht. Zugegeben - es waren eher kleine Scheinwerfer in einer Buchhandlung in Holzgerlingen. (und ja: Holzgerlingen kennt jetzt auch nicht jeder!) Aufgenommen wurden auch nur 2 x 3 Minuten für eine Folge der schöne Sendung Bücherzeit, die voraussichtlich im Januar auf Bibel-TV laufen wird. Also nicht gerade mein Einstieg um berühmt zu werden. Und trotzdem: Ich war die Tage vorher echt aufgeregt. Hab mir kluge Sätze überlegt die ich gerne sagen würde. Hab mir sogar ein Zitat von Frederick Buechner auf einen Spickzettel geschrieben um ihn an passender Stelle vielleicht zu zitieren. Es hat nicht wirklich geklappt. Ich hatte ein total entspanntes und nettes Gespräch mit dem Moderator Daniel Schneider - BEVOR die Kamera eingeschaltet wurde. Und in meinen 6 Minuten hab ich dann - zumindest in meiner Wahrnehmung - nicht viel Tiefgründiges gesagt. Im Rückblick fielen mir so gute Sätze und Gedanken ein! Aber eben nur im Rückblick :-).
Lustigerweise ging es inhaltlich um das Kapitel in meinem Buch, in dem ich etwas Besonderes und Außergewöhnliches sein will. Ich sprach ich darüber, dass mir klar wurde, dass es eigentlich nur darum geht, dass wir ganz außergewöhnlich geliebt sind. Und während ich das sagte hoffte ich inständig dass es sich ganz außergewöhnlich klug und reflektiert und beeindruckend anhört!
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Bilder von Bücherzeit |
Echt, manchmal leide ich total an meinen inneren Widersprüchen! Sie sind im Alltag wie die stachlige, schmerzhafte Hüllen von Kastanien. Ich weiß nicht ob ich mich über die blöden Stacheln ärgern oder über die samtigen Früchte freuen soll. Da rede ich intensiv und liebevoll mit einer obdachlosen Frau und hoffe gleichzeitig, dass es auch jemand bemerkt und positiv wahrnimmt (wie am vergangenen Donnerstag geschehen) Ich bin in einem Moment total mutig und im nächsten Moment wieder richtig feige. Ich kann total liebevoll und selbslos sein und dann wieder so voll mit mir selbst, dass ich kotzen könnte. Da kann den ganzen Nachmittag eine liebevolle, geduldige Mama sein und plötzlich bricht es aus mir raus und ich schnauze meinen kleinen Sohn an, dass ich selbst darüber erschrocken bin. Ach, ich könnte noch ewig so weiter machen, über diese ganze Widersprüchlichkeit in mir.
Ich schütte mal wieder Jesus mein Herz aus. Sage ihm: "So bin ich und ich werde nie anders sein, wenn du mich nicht irgendwie veränderst." Und ich ahne, dass Jesus nicht daran interessiert ist, dass ich alles toll hinbekommen und möglichst gut dastehe. Vielmehr wünscht er sich einfach, dass ich ihm vertraue, dass er aus meinem Leben, mitten in meiner Widersprüchlichkeit, einen Segen machen kann. Und vielleicht könnte ich folgendes lernen:
Ich will das Gute nicht abtun und entwerten ("Ach, ihr habt ja keine Ahnung wie ich sonst so bin..."), sondern mich daran freuen. ("Stimmt. Ab und zu gelingt mir etwas richtig gut!")
Und nur weil ich manchmal meinem Kind gegenüber ausraste bin ich keine schlechte Mama.
Auch wenn ich auf ein bisschen Anerkennung schiele ist das Gespräch mit der obdachlosen Frau etwas ganz besonderes für mich gewesen.
Auch wenn ich keine Buechner-Zitate aus dem Ärmel schütteln kann, kann ein Inteview trotzdem etwas gelungenes haben - weil irgendwo, zwischen den Zeilen und in den Lücken, Jesus auftauchen kann um uns zu segnen.
Ich will auf die Gegenwart Jesu vertrauen. Dass er durchkommt bei mir - und ganz oft auch trotz mir.
Und ich will lernen den Widerspruch in mir gnädig anzuschauen ("Ja, das bin ich auch, aber ich bin geliebt. Immer. Auch in diesen Momenten.") Ich will es hinnehmen, wie man ein Foto hinnehmen kann, auf dem man nicht gerade vorteilhaft aussieht ("Tatsächlich, manchmal sehe ich wirklich so aus. Das bin ich. Aber es gibt mich auch in schöner")
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so sah mein Mann auch mal aus :-) |
Ich will mich nicht vor Scham verstecken sondern mein Herz ganz weit öffnen für Gottes Gnade - weil ich ein Mensch werden will, der voll ist mit Gnade.
Richard Rohr schreibt: Nur wenn wir lernen unsere eigenen Widersprüche gnädig anzuschauen, wenn wir uns vergeben und vergeben lassen, dann werden wir das auch bei unseren Mitmenschen tun."
Ich will es annehmen, in mir, in Heio, in Samu und in allen anderen: Wir sind Menschen. Wir sind eine Mischung aus Licht und Dunkel, aus Stärke und Schwachheit aus Schönem und Hässlichem, aus Mut und Feigheit, aus Klugheit und großer Dummheit und meistens sind wir ganz vieles auf einmal. Wir haben so viele Facetten, so viele unterschiedliche Motive und Antriebe in uns, wenn ein Scheinwerfer auf einen Teil davon gerichtet wird - sei es der strahlende Teil oder der weniger strahlende Teil - will ich lernen zu sagen: "Ja, genau so bin ich. Und auch noch ganz anders. Und immer bin ich geliebt." Das ist nämlich wirklich tatsächlich die Hauptsache.
Und ich will nicht vergessen: Die wirklich wichtigen Dinge spielen sich nicht in unseren 2 x 3 Minuten im Scheinwerferlicht ab, sondern meistens dann wenn niemand hinschaut. Wenn nur Gottes liebevoller Blick auf uns gerichtet ist und ich ihm dann strahlend und aus ehrlichem Herze sagen kann: "Das hier ist nur für dich! Weil ich dich liebe."
Also, ich geh dann mal unser Chaos hier aufräumen. Mit einem Bündel von Widersprüchen in mir. Spot on, Sendung läuft: "This one is for you, Jesus!"