Dienstag, 23. Mai 2023

Wenn Helden fallen

Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade in der frommen Welt einiges ins Wanken gerät (auch wenn ich das meiste nur ganz am Rande mitbekommen). Als ich aber am Wochenende von den traurigen Skandale und Misstände einer großen internationalen Lobpreisbewegung gehört habe, war ich echt erschüttert. Wie ist es nur möglich, dass wir als Christen solche toxischen Systeme aufbauen? Wie kann es sein, dass eine Bewegung Segen bringt und gleichzeitig einige der Leitenden so viel Unheil anrichten? Spontan habe ich abends einen meiner geistlichen Vorbilder gegoogelt, um zu erfahren, ob er sich zu den Vorfällen geäußert hat. Entsetzt habe ich dabei festgestellt, dass gegen ihn selbst gerade ein Ermittlungsverfahren läuft, wegen moralischem Fehlverhalten. Noch ist nicht klar inwieweit die Vorwürfe berechtigt sind, aber ich saß auf meiner Bettkante, starrte auf mein Handy und konnte nur vor mich hinflüstern: "Nicht DU auch noch! Bitte, nicht Du auch noch!" 
Auch heute noch, ein paar Tage und viele Gedanken später, lässt mich das Thema nicht wirklich los. Klar, man kann auf das Gute schauen, das es ja immer auch gibt. Aber auch die Traurigkeit braucht Raum. Die Gedanken und Gebete für all diejenigen, die betroffen sind. Und auch die Frage wie so etwas immer wieder passieren kann. Und ob es etwas gibt, was man dagegen tun könnte? Ich glaube, dass Fragen uns manchmal weiter bringen als schnelle Antworten. Dass sie wie aufsässige Teenager sind, mit denen wir ringen müssen, bis wir zusammen erwachsen und klug werden. Und so frage ich mich: 


Lasse ich zu, dass Menschen in mein Leben sprechen?   
 
Das ist sehr fromm ausgedrückt. Und ganz praktisch kann das richtig schmerzhaft sein. Vor einiger Zeit habe ich zu Freunden von uns gesagt: "Ich will das! Bitte sagt mir wenn euch etwas auffällt was ihr nicht gut findet - an mir, an unserer Ehe, an unserer Erziehung, an meinem Umgang mit anderen...ich habe so viele blinde Flecken!" Ich hoffe dabei innerlich natürlich, dass ihnen NIE etwas auffallen wird! Doch da fing der ehrliche Freund gleich an: "Ja, Christina, jetzt wo du das so sagst, da gibt es tatsächlich etwas... " Und dann sagte er eine Sache bei der ich nur zustimmend nicken konnte. Du hast ja soo recht! Daran will ich arbeiten! Ich war dankbar und gleichzeitig wollte ich mir die Ohren zuhalten. Kritik anzunehmen fällt mir ehrlich so schwer! Aber ich will es lernen. Ich weiß: Ich brauche das! Und ich glaube wir alle brauchen (gut ausgewählte!) Menschen, deren Urteil wir vertrauen und die uns Dinge rückmelden dürfen, die nicht so toll sind. Gerade in einer Zeit in der wir uns ungern von jemand anderem sagen lassen was wir zu tun haben (am Sonntag in der Predigt gehört: Derzeit bestes frommes Totschlagargument: "Vielleicht hast du ja recht aber das ist für mich gerade nicht dran!;-)"). 
 

Will ich, dass Menschen Jesus lieben oder dass sie MICH toll finden?

Mein erster Gedanke dazu ist: Natürlich will ich, dass sie Jesus lieben! Und natürlich will ich, dass sie mich toll finden!  Und ehrlich gesagt drehen sich meine Gedanken so viel mehr viel um letzteres. Heute morgen habe ich gelesen was Paulus über Timotheus schreibt: 

Ich kenne keinen der so aufrichtig wie er um euch besorgt ist. Alle anderen sind nur auf sich selbst bedacht und nicht auf das was Jesus wichtig ist. Aber ihr wisst ja, wie Timotheus sich bewährt hat. (Phil.2,20)

Mich trifft dieser Satz ins Herz. Und ich will mich bewähren - mit Gottes Hilfe! - als ein Mensch, der auf das bedacht ist, was Jesus wichtig ist. Und ich will aufrichtig um andere besorgt sein. Nicht als ein Weg in die ungesunde Selbstlosigkeit (weil zu den Dingen die Jesus wichtig sind auch gehört, dass er mir Freiheit und Leben in Fülle geben will!). Aber ich will weg vom ungesunden Kreisen um mich selbst. Und so wie ich Freiheit und Heil von Jesus für mich annehmen, wie ich das auch an andere Menschen in meiner Umgebung weitergebe. 
Und auch das: Ich will Menschen nicht an mich binden, sondern - wie Bonhoeffer sagte: Zwischen uns steht immer der Gekreuzigte! Und wenn ich fallen sollte, oder wenn ich mit meinem Stolpern andere verletze -  dann hoffe ich, der andere schaut auf Jesus. Und geht weiter.


Bitte ich um Verzeihung, wenn ich etwas falsch gemacht habe?

Auch das fällt mich schwer. Besonders wenn es um Menschen geht, die außerhalb meiner Familie sind (bei denen habe ich Übung - da muss ich mich ständig entschuldigen!). Aber wenn ich merke, dass ich bei jemand anderem durch mein Verhalten Unheil angerichtet habe, dann hoffe ich immer sehr, dass es damit getan ist, dass ich bei Gott um Vergebung bitte. Meistens ist das auch in Ordnung, Gott lächelt mir gnädig zu und ich habe wieder inneren Frieden. Aber ab und zu stellt sich der Friede nicht ein. Dann nagt mein Verhalten an mir. Und ich spüre: die Beziehung zum anderen ist belastet. Dann weiß ich: jetzt muss ich zum Telefonhörer greifen und mich so ganz in echt entschuldigen. Erst heute ging mir das so. Der Anlauf dazu ist nicht einfach. Ich empfinde das immer als sehr beschämend. Aber das Gefühl danach ist so wunderbar befreiend! Wie ein froher Neuanfang! Und es ist eine gute Erinnerung für mich: Ich bin Mensch. Ich mache Dinge falsch. Ständig. Ich muss mich nicht dafür verurteilen. Aber ich kann mich entschuldigen. Und ich will sensibel für Gottes Reden bleiben.  

 

Brauche ich Marianne?

Zur Erklärung: So heisst meine Seelsorgerin. Ich habe sie schon länger nicht mehr gesehen, aber wenn es brenzlig wird, dann habe ich ihre Nummer.  Wenn mich alte Gewohnheiten wieder plagen, wenn zu oft alte Pornos in meinem Kopf abgespielt werden, wenn sich die Esstörung zurückmeldet, wenn mich eine ungesunde Beziehung plagt oder wenn ich in einer anderen Sache, die meine Seele verletzt hat Hilfe brauche - dann habe ich ihre Nummer. Und das ist so eine gute Sache! Wenn ich nämlich allein bleibe mit meinen Wunden und Dreck rein kommt, kann das gefährlich werden. Für mich und für andere. Ach, ich wünsche wirklich jedem Menschen eine "Marianne" in der Hinterhand. Ein Mensch, dem man sein ganzes Dunkel und allen Schmerz anvertrauen kann ohne verurteilt zu werden. Eine Seelsorgerin oder Therapeutin, die ein hilfreiches Wort hat und einen Weg durchs Dunkel zeigen kann. 


Es gibt sicher noch mehr gute Fragen. Über die Art wie (Gemeinde)Systeme funktionieren, zum Beispiel. Oder was zu viel Macht mit uns Menschen macht. Aber für mich ganz persönlich sind diese vier die Wichtigsten. Auch wenn es mir schwerfällt: Ich will diese Dinge einüben. Und sollte ich irgendwann einmal etwas Größeres - vielleicht sogar in aller Öffentlichkeit! - falsch machen, dann hoffe ich sehr, dass folgendes passiert:

Meine Freunde machen mich darauf aufmerksam.

Ich bin weniger besorgt um meinen guten Ruf als um die Menschen, denen ich Schaden zugefügt habe.

Ich bitte um Verzeihung.

Ich rufe Marianne an.

 


Donnerstag, 18. Mai 2023

Wie der Himmel noch so ist....

Heute ist Himmelfahrt. Der Tag an dem wir und daran erinnern, dass Jesus wieder Zuhause ankam. Eben beim Frühstück haben wir uns darüber unterhalten, was das wohl für ein gewaltiger Moment war: Der zurückkehrende Sohn mit Narben an Händen und Füßen. Ein entgegenlaufender Vater. Myraden von Engeln, die Spailer stehen und auf die Knie gehen. Das Lamm Gottes, das gekrönt wird und den Platz auf dem Thron einnimmt. Wenn es einmal eine himmlische Mediathek gibt (worauf ich hoffe!), wird das bestimmt einer der meistgestreamten Filme sein. Ich werde ihn mir wieder und wieder anschauen und dabei glücklich die Hand von Jesus halten.

Als Jesus nach Hause ging, ließ er die Tür offen stehen!, schreibt Max Lucado (Danke Sarah, für diese Erinnerung!). Was für ein toller Gedanke. Und wie gut, dass er uns mit seiner heiligen Gegenwart beschenkt hat, die uns auf dem Heimweg begleitet. 

Draußen ist mein Lieblingswetter. Windig. Hohes Gras weht unter blank geputztem Himmel. Ach ja, der Himmel. In Annes Buch über die Festtage des Jahres lese ich, dass sie sich als Familie an Himmelfahrt ein bisschen Zeit nehmen darüber nachzudenken, wie dieses Himmelreich wohl aussieht. Dass sie dann am liebsten mit Freunden und Schokokuchen  loszieht (beides erinnert an den Himmel!), um ein paar Dinge zu entdecken, die uns daran erinnern, wie der Himmel wohl noch so ist: Wie das Lachen von Kindern. Ein plötzlicher Regenschauer. Wie Erdbeeren und Limonade. Wie das Umarmtwerden von einem Vater, der einen bedingungslos liebt. (Anne Gorges)  

Was für eine schöne Idee! Was für ein guter Tag, um nach draußen zu gehen. 

Oder (als Alternativprogramm bei schlechtem Wetter) zum Flughafen zu fahren.   Menschen beobachten. Wie sie voller Vorfreude, mit strahlenden Augen und Blumen in der Hand am Gate warten. Und dann der Moment, wenn sich das Tor öffnet. Wenn ein unterdrückter Jubelschrei durch die Halle geht und  geliebten Menschen einander entgegenfliegen. Wenn das Lachen und Umarmen und "lass dich anschauen" gar kein Ende finden will. Wenn dann irgendwann, die Tränen abgewischt werden, die Tasche mit den Souvenirs vorsichtig auf den Gepäckwagen gestellt wird und man Richtung Ausgang eilt. Dorthin wo die Tür offen steht. Und der Tisch gedeckt ist. Und all die geliebten Menschen warten, damit die Party endlich losgehen kann.

Ach ja, heute ist ein guter Tag, um an den Himmel zu denken.




Dienstag, 2. Mai 2023

Mit Büchertasche auf dem Heimweg

Ich liebe Bücher! Wenn du uns besuchen kommst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich dir kurz vor dem Verabschieden noch schnell ein gutes Buch in die Tasche schiebe. Heio findet, dass ich das unseren Gästen aufdränge. Aber ich kann einfach nicht anders. Deshalb gefällt mir auch die Kindheitserinnerung des Dichters Dyles Thomas, in der er von einer Nachbarin erzählt, deren Hausbrand von tapferen Feuerwehrleuten gelöscht wurde und sie den rußgeschwärzen Männern erleichtert das anbietet, was für sie zum Schönsten gehört: "Möchten Sie vielleicht noch etwas zum Lesen mitnehmen?" Ich verstehe diese Frau so gut.  Was für eine Freude ist es doch, ein gutes Buch auf dem Nachttisch liegen zu haben!  Das hat auch mein Kind schon verstanden:
 
jeden Abend legt er sich einen Stapel Bücher bereit!

 
Geschichten erzählen und erzählt bekommen ist der Herzschlag von uns Menschen, schreibt Jefferson Bethke in to hell with the hustle. Gute Geschichten und Worte haben die Kraft zu trösten und etwas in uns zusammenzufügen und uns mutig zu machen fürs Leben. Und auch das:
 

 
Und manchmal lese ich etwas, von dem ich merke: Genau auf diese Worte habe ich gewartet! Das ist mir vor ein paar Tagen passiert, als ich ein altes Buch aus dem Regal zog: Eine Biographie über einen meiner Lieblingsschriftsteller Henri Nouwen. Wie oft haben mich die ehrlichen Worte dieses Priesters und Seelsorgers  schon getröstet! Vielleicht weil es so ist, wie ein Freund über ihn schrieb: Er hat immer über die Dinge geschrieben, die er selbst erfahren hat.
Was mich nun so getröstet hat, waren seine Worte über das Älterwerden. Und jetzt dränge ich sie euch einfach auf und gebe sie euch zum Lesen mit.  Vor allem denjenigen unter euch, die es gerade ähnlich erleben wie ich, dass mit den Jahren auch die Verzagtheit zunehmen kann. Wenn ich alte Menschen in meinem Umfeld betrachte dann denke ich, dass man fürs Alter doch sehr viel Tapferkeit braucht. Und ich bezweifle, dass ich besonders viel davon in mir habe. Als ich neulich ein Buch über die Wechseljahre gelesen habe, war ich danach total entmutigt und dachte, dass um die Ecke die schlimmsten Erkrankungen warten und das gute Leben nun endgültig vorbei ist. Das können Bücher leider auch: Angst machen und dunkle Schatten in deine Träume werfen! Dann sollte man sie schnellstmöglich aus der Hand legen. Und gute Worte dagegenhalten. Wie diese:
Man kann das Älterwerden erfahren als einen Weg in die Finsternis oder als einen Weg ins Licht. Bei viele alten Leuten können wir beobachten, dass sie ganz in der Vergangenheit eingeschlossen sind. "Ich bin der ich war." Sie haben die innersten Kammern ihres Heiligtums geöffnet und die bösen Mächte davon Besitz ergreifen lassen.
Man kann aber auch einen anderen Weg einschlagen, den Weg zum Licht hin. Dieser Weg nimmt bereits in der Mitte des Lebens Form an. Es ist ein Weg von einem Leben voller Wünsche hin zu einem Leben, das sich auf Hoffnung ausrichtet. Wünsche sind gekoppelt an konkrete Objekte. Hoffnung gibt Aussicht und baut auf das Vertrauen, dass ein anderer seine Versprechen wahr macht. 
aus: Henri Nouwen. Sein Leben - sein Glaube, von Jurjen Beumer
Von dieser Hoffnung handeln viele von Nouwens Texten. Sie ist ein Halt, den ich nicht in mir selbst suche und den ich auch nicht von anderen erwarten kann. Es sind die geöffneten Hände, die ich Jesus entgegenstrecke. Und diese Hoffnung kann tatsächlich mit den Jahren mehr Raum in uns einnehmen. Sie macht etwas in uns heller. Und reicher. Und freier. Und schöner. Nouwen, der fasziniert von den Gemälden Rembrandts war, schreibt über den Maler: 
Rembrandts schönste Portraits sind zum größten Teil Portraits von alten Menschen. Seine treffendsten Selbstportraits malte er in seinen letzten Lebensjahren... Je mehr er sich den Schatten des Alters näherte, sein Erfolg abnahm und der äußere Glanz seines Lebens verblich, um so mehr kam er in Berührung mit der unermesslichen Schönheit des inneren Lebens.
Ich muß dabei an meine Oma denken. Sie war nämlich genau so ein Mensch. Voll unermesslicher Schönheit des inneren Lebens. Ihr kennt sicher auch so jemand. Ich will mir solche Menschen vor Augen halten. Und solche Worte. Beides macht mir Mut, in meiner (schon etwas überschrittenen) Lebensmitte, innerlich diesen Weg ins Licht einzuschlagen. Ich will lernen einer Kultur zu widersprechen, die sich gegen das Älterwerden wehrt, wie gegen eine Krankheit, die man möglichst lange hinauszögern muss und die uns makellose, ewige Jugend als Ideal vor Augen hält. Als Kinder Gottes haben wir eine ganz andere Perspektive: Wir sind nicht die, die wir waren - wir sind die, die wir sein werden.  Mit wachsender Hoffnung - und  in meinem Fall: mit großer Büchertasche! -  sind wir auf unserem Heimweg.
 
 

Montag, 24. April 2023

Grateful.

Der April ist bei uns immer ein voller Monat. Neben der Auferstehung von Jesus feiern wir, dass das Kind ein Jahr älter und ein paar Tage später rollt dann auch schon mein Geburtstag an, den ich in  diesem Jahr so ganz ohne große Feier, aber mit großer Dankbarkeit im Herzen begehen werde. Und auch mit ein bisschen Wehmut. Wie schnell die Zeit vergeht! War es nicht erst gestern, dass wir ganz vorsichtig vom Krankenhaus zurückgefahren sind, mit einer so wertvollen und zerbrechlichen Fracht, dass ich ständig nachschauen ob musste ob dieses kleine Wesen noch da ist und ob es noch atmet? 

Und dann ist er langsam groß geworden. Und als ziemlich überforderte Mama kann ich nur staunend sagen: Er ist noch da! Er atmet noch! Ich habe ihn nirgends vergessen und auch nichts größeres an ihm kaputt gemacht. Seit 12 Jahren schon! Das haben wir gefeiert. So schön dass er abends schluchzend im Bett gesagt hat: "So schön wie heute wird es nie wieder!" Oh doch, da kommen noch viele gute und gesegnete Tage mein Kind!



 

Und ich? Ich sammle schöne Erinnerungen, Falten und Bauchspeck, ich komme heute schneller an meine Grenzen und außer Puste, aber ich atme noch! Ich verliere meinen Adlerblick (der mir vor vielen Jahren attestiert wurde) und sehe dabei manches ein wenig klarer. Ich staune über  das Rotkehlchen, das im blühenden Apfelbaum pfeifend von Ast zu Ast hüpft (und unterhalte mich sogar manchmal mit ihm!) und möchte wehmütig sagen: "So schön wird es nie wieder!" Aber die Auferstehung von Jesus erinnert mich daran, dass noch eine ganze Menge bestes Leben auf uns wartet und unsere schönsten Momente ein himmlischer Vorgeschmack darauf sind.

Wenn ich so darüber nachdenke wie ich die kommenden Jahre gerne verbringen möchte, gibt es eigentlich keine große Wünsche. Außer dass ich wirklich gerne mal am Meer leben würde, in einem kleinen Häuschen mit Heio und einem Hund, und einer Strandbar um die Ecke in der ich abends, nach dem Sonnenuntergang alle meine Freunde treffen kann - aber Heio sagt dazu, dass man sich manche Träume für den Himmel aufheben muss (ich will einen Labrador, Jesus!). Ich habe auch keine großen Pläne. Zumindest im Moment nicht. Die guten Dinge des Leben geschehen uns ja sowieso völlig ungeplant. Ich hoffe einfach, dass ich weiter schreiben darf und Menschen weiter gerne lesen was ich schreibe. Und ich möchte das Staunen kultivieren (hat Gott das nicht wunderbar gemacht, dass man für manche Dinge, wie Gartenarbeit, Kindern zuhören, Käfer bewundern und Schuhe binden bevor man losläuft, auf die Knie gehen muss?). Und ich würde gerne gnädiger und gelassener werden und mich weniger fürchten und mehr lieben und ein weiches Herz behalten und vielleicht auch noch das eine oder andere Wunder miterleben und ...ach, eigentlich will ich vor allem in der Nähe von Jesus bleiben.

 

Find me grateful

Find me thankful

Find me on my knees

Find me dreaming

Find me singing

Find me lost in Your grace*

 (Jonathan Helser) 

 

 


 

* Dieses schöne Lied kann man hier anhören.

Montag, 17. April 2023

Zu spät zur Auferstehung

Jetzt liegen die Ostertage schon wieder hinter uns. Gerade habe ich noch einmal meinen letzen Eintrag hier gelesen und musste dabei etwas beschämt lächeln. Weil die Vorstellung, wie sich die Tage so schön aneinanderreihen, mal wieder nicht ganz der Realität entsprochen haben. Die sah dann so aus: Wir haben zwar tatsächlich das Gartengrab im Wäldchen am Karfreitag gemacht und sind danach zum Birkenkopf gefahren, aber das Ganze war eingebettet in viel zu viel Streiterei und Unmut und viel zu wenig heilige Andacht, die so einem Tag angemessen wäre. Am Samstag fiel das Gedichte rezitieren auf dem Friedhof ebenso aus wie unser Osterfeuer (Heio hatte es zwar vorbereitet, aber es war so kalt draußen und der Schweinehund stand im Weg). Und auch auf dem Asphalt haben wir am Ostermorgen nicht wirklich getanzt. Stattdessen sind wir eilig darüber Richtung Gottesdienst gefahren. Dort waren wir nur eine kleine Runde und mein Beitrag war so verplant und chaotisch dass ich mich (und meine Familie) den Rest des Tages mit Selbstvorwürfen und "ich predige NIE WIEDER!" geplagt habe. Und dann haben wir es doch tatsächlich weder am Sonntag noch am Montag geschafft den Stein vom Grab wegzurollen! Erst nach den Ostertagen liefen wir im Regen zum Wäldchen  und Samuel hat laut dabei gerufen: "Jesus, jetzt lassen wir dich endlich raus!" Was für eine Erleichterung für den Himmel! Wir schoben den Stein zur Seite und Gott schob die Wolken zur Seite und die Sonnenstrahlen fielen auf zwei tropfende Gestalten, die es zur spät zu Auferstehung geschafft haben. 




So sieht's auf, Freunde. In meinem Leben liegt Ideal und Realität leider meistens ziemlich auseinander. Das betrifft auch mein Jahreswort (Projekt "Echtzeit").  Von der ersten Begeisterung "Ich lege mein Handy weg, kündige Amazon Prime, gehe täglich nur noch kurz und zweckmässig ins Internet und lerne stattdessen die Namen von Nachbarn, Vögeln und Bäumen" konnte ich nicht ganz so viel in meinen Alltag rüberretten. Ein bisschen schon. Aber bisher so beschämend wenig, dass ich es hier gar nicht ausführen will. Aber wisst ihr was: Ich gebe nicht auf! Das Jahr ist schließlich noch nicht vorbei. Und ich bin mittendrin am Lernen.

Ich versuche weiter mein Handy außer Reichweite zu legen und auch sonst nicht so zu tun als hätte ich ärztlichen Bereitschaftsdienst und müsste Ein - und Ausfahrt Tag und Nacht freihalten.

Ich versuche mir weiter die Wahrheit vor Augen zu führen, dass mein Heil nicht Online auf mich wartet, nicht in der nächsten Mail oder whatsApp-Nachricht und auch nicht im nächsten Blogeintrag oder Podcast.

Ich versuche weiter,die echten kleinen Begegnungen im Alltag wahrzunehmen, die Verkäuferin an der Supermarktkasse anzuschauen, meinen Nachbarn nicht aus dem Weg zu gehen und spontanen Eingebungen nachzugehen.

Ich versuche weiter dem Bewundern von Bäumen und Blumen angemessen Zeit in meinem Leben einzuräumen.

Ich versuchen weiter Freunde auf einen Kaffee zu treffen und dabei auch meine Begrenzungen zu akzeptieren.  

Ich versuche weiter meinem Kind zuzuhören und abends den Schweinehund zur Seite zu schieben - den Fernseher auszuschalten oder das Buch zur Seite zu legen und ein ruhiges Gespräch mit meinem Mann zu führen. 

Und wenn ich vieles davon wieder mal nicht schaffe, versuche ich weiter mein Inneres zu beruhigen und die Selbstanklagen in der Nähe von Jesus zum Schweigen zu bringen. Ich versuche ihm zu glauben, dass er uns so ganz in echt lieb hat! Gerade auch dann, wenn wir tropfend zu spät ankommen und befürchten, dass wir die Begegnung mit ihm mal wieder verpasst haben.

Der Jünger Thomas kam damals auch zu spät. Keine Ahnung ob er mit etwas anderem beschäftigt war oder ob er einfach ein bisschen Zeit für sich alleine gebraucht hat. Und dann ist Jesus eben noch mal aufgetaucht. Vielleicht hat er bei seinem Vater einen Gutschein dafür rausgeholt. Vielleicht hat er gesagt: "Ich weiß. Die Begegung mit meinen Jungs in Jerusalem ist bereits aufgebraucht. Aber Thomas hat gefehlt! Ich muss da nochmal hin. Wegen ihm." Und dann kommt er nochmal. Ein paar Tage später. Und er streckt seinem Jünger lachend die offenen Arme entgegen.  Fürchte dich nicht. Glaube nur!  Und dann ging auch für Thomas die Sonne auf.

 


Donnerstag, 6. April 2023

An Tagen wie diesen.

Heute ist nicht wirklich mein Tag. Ich habe meine Osterpredigt auf dem Computer gelöscht und musste sie nochmal neu aufschreiben. Außerdem plagen mich mal wieder üble Kopfschmerzen. Aber langsam breitet sich schon eine erwartungsvolle Vorfreude in mir aus. Auf die kommenden Tage. Wenn wir wieder unsere Rundwege gehen werden:  

Wenn wir am Karfreitagmorgen im nahen Wäldchen aus kleinen Ästen ein Kreuz aufstellen und aus Moos ein Grab formen und einen Stein davorlegen.

 


Wenn wir dann Nachmittags, gemeinsam uns mit unseren Weggefährten, zum Hügel mit dem großen Kreuz laufen und an unseren Gott denken werden, der für uns gestorben ist. In diesem Jahr werde ich eine zerknitterte Schachtel Kopfschmerztabletten ans Kreuz legen in Dankbarkeit darüber, dass Gott weiß wie es sich anfühlt, wenn der Kopf wehtut.

 


 

Und wenn wir dann am Karsamstag so richtig trotzig glauben werden. Trotz dem Dunkel, Tod und Teufel! Vielleicht werde ich auf den Friedhof laufen und einmal laut und trotzig dieses Gedicht von Kurt Marti lesen:

Das könnte manchen herren so passen
wenn mit dem tode  alles beglichen
die herrschaft der herren
die knechtschaft der knechte
bestätigt wäre für immer.
das könnte manchen herren so passen
wie sie in ewigkeit 
herren blieben
im teuren privatgrab
und ihre knechte 
knechte in billigen reihengräbern
aber es kommt eine auferstehung
die ganz anders wird als wir dachten
es kommt eine auferstehung 
die ist der aufstand gottes gegen die herren 
und gegen den herrn aller herren:
den Tod. 
Und abends, wenn es draußen finster ist wie nur die Nacht finster sein kann, werden wir im Garten ein Osterfeuer anzünden und unsere Hände und Herzen an der Hoffnung wärmen, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist.
 

 
Ach, und wenn dann der Auferstehungsmorgen kommt! Wenn wir mit einem lauten "Der Herr ist auferstanden!" das Kind aus dem Schlaf reissen. Und dann die ganze Gemeinde. Wenn wir uns zum Osterfrühstück versammeln und das Halleluja ausgraben und uns gegenseitig lachend versichern, dass am Ende alles gut werden wird.  
Die Kinder dürfen in diesem Jahr Schlüsselanhänger basteln, auf die sie Blumen malen und die Worte schreiben können: Den Schlüssel hat Jesus!  Nur falls wir das wieder vergessen sollten, an den Tagen die manchmal noch schmerzhaft dunkel sind. Da ist der Eine, der kam zurück und er hat die Schlüssel mitgebracht:
 
Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige,
und ich war tot und siehe,
ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
(Jesus in Offenbarung 1,18).

 

An Tagen wie diesen muss man einfach über den Asphalt tanzen.
 
 
Frohe Ostern euch allen!!!!
 

Samstag, 1. April 2023

and the winner is:

Heute morgen haben wir unter himmlischer Aufsicht zwei Gewinnerinnen gezogen:

 

  

Herzlichen Glückwunsch Anne und Sophie!

Wenn ihr mir eure Adresse schickt (chris.f@freenet.de) bekommt ihr ein kleines Osterpäckchen mit der schönen Musik von Christina Stöhr. Allen anderen: Danke Euch fürs mitmachen! 

EIn gutes Wochenende euch allen! 💛

Dienstag, 28. März 2023

You never walk alone!

 Blogpost enthält unbeauftragte Werbung

Mein Kalender ist in diesem Jahr so voll mit Lesungen, wie nie zuvor. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch wenn ich gerne hier vor meinem Computer sitze und schreibe: Es ist immer schön Menschen so ganz in echt zu treffen (und passt auch wunderbar zu meinem Jahreswort:-)). 

Meistens fahre ich mit klopfendem Herzen und voller Vorfreude los, mit  meinem Unterwegs-Gebet im Kopf: Du und ich, Jesus!  Vor Ort treffe ich dann immer auf ganz tolle Menschen, die die Veranstaltung mit viel Liebe vorbereitet haben. Und an ganz vielen Abenden sitzt da bereits die wunderbare Christina Stöhr am Klavier oder an der Gitarre und füllt mir ihrer sanften und warmen Stimme den Raum.


Diese Frau ist für mich einfach ein Hammersegen! Hier trifft für mich die Bibelstelle (aus Epheser3,20)  zu, dass Gott oft mehr tut als wir erbitten. Ich habe nicht um so eine Begleiterin gebeten. Wie könnte ich? Was wäre das für eine Anmaßung, dass eine Musikerin mit mir zusammen Abende gestaltet, die sich so ganz auf meine Texte einlässt und ihre Lieder wie Puzzlestücke zu meinen Geschichten hinzufügt. Zurückhaltende Schönheit. Diese zwei Worte drücken es am besten für mich aus, was Christina und ihre berührenden Lieder ausmachen. 
Ich finde es so eine tolle Sache, dass Jesus seine Jungs immer zu zweit losgeschickt hat! (und nicht als "Jesus&ich-Einzelkämpfer!). Und es was für ein Geschenk, dass ich das nun genauso mit Christina erlebe! Es tut so gut wenn wir gemeinsam beten oder über verstolperte Momente lachen und uns am nächsten Tag (über viele Voice-Nachrichten!) gegenseitig Mut machen können, wenn uns mal wieder Selbstzweifel quälen. Ehrlich: Ich schaffe es nicht alleine! Ich hänge mich jeden Morgen an Jesus und bin dann so dankbar für jeden Wegbegleiter, den er mir an die Seite stellt!  
 
Heute morgen habe ich den schönen Satz gelesen (ohne Quellangabe):
In unser zerbrechliches Leben legst du deinen Schatz.
Auf unseren verstimmten Saiten machst du Musik.
Mit unseren hinkenden Füßen lädst du uns zum Tanz. 
Und genau das ermutigt mich auch so: Dass Jesus nicht diejenigen losschickt, die alles auf der Reihe haben oder sich und ihn ganz besonders gut präsentieren können oder die besondere geistliche Reife erreicht haben! Im Gegenteil! Als Jesus seine Jünger zum ersten Mal losgeschickt hatte wussten sie noch nicht mal genau wer er eigentlich wirklich ist - zumindest sagte Petrus erst danach, nach einigem Rätselraten der anderen, dass er Gottes Sohn ist und Jesus sagte: Super, das wurde dir gerade eben offenbart! (ich frage mich was genau die Jungs gepredigt haben? :-)).  Jesus scheint da wirklich sehr entspannt zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er mich losschickt. Und dich. Uns alle, die wir gerne dabeisein wollen, aber irgendwie denken es reicht nicht was wir haben. Aber wir gehen. Tragen seinen Schatz mit hinkenden Füßen und zerbrechlichem Selbstbewusstsein. Und weil er weiß, dass uns das unterwegs ganz schön verunsichern kann, schickt er uns gemeinsam los. Ach, ich bin so dankbar dafür!
 
Und nun hat Christina seit wenigen Tagen ihre erste Solo-CD im Gepäck! Juhu! Fünf wunderschöne berührende Lieder auf eine kleine silberne Scheibe gepresst über die zerbrechliche Schönheit unserer Welt und über den, der uns auf unserem Weg auf geheimnisvolle und zurückhaltende Weise begleitet:

unsichtbar - unübersehbar

unbegreiflich - spürbar nah

unerforschbar - unbeschreiblich 

unaufhörlich für uns da.

(C.Stöhr)


Die CD kostet nur 7 Euro (plus Versandkosten) - und ihr könnt sie bei Christina über ihre Webseite bestellen oder direkt über: kontakt@christinastoehr.de.

 Zwei CD's gibt's hier zur Verlosung!!!

Schreibt einfach bis Freitag ein Kommentar mit eurem Namen unter diesen Beitrag (oder schickt mir eine Nachricht an chris.f@freenet.de) und am Samstag erfahrt ihr ob ihr gewonnen habt.

 

Und während wir so zusammen unterwegs sind, will ich in diesen Tagen ein bisschen langsamer gehen. Ich will an die Wegstrecke denken, die Jesus so ganz alleine gegangen ist. Für uns. Und wenn ich die Schönheiten am Wegrand betrachte, dann scheint es fast so als würde die Schöpfung bereits den roten Teppich für ihn ausrollen...






Mittwoch, 22. März 2023

Dieser Weg wird kein leichter sein

Heute wache ich mit Migräneschmerzen auf und werfe vor dem Frühstück erstmal eine Tablette ein. Heio wirft einen mitleidigen Blick auf mich: "Dir soll's besser gehen!" Das sagt er immer so liebevoll wenn er mich leiden sieht. Und manchmal, wenn es bei mir richtig schlimm ist, betet er auch, dass er gerne meine Schmerzen hätte, damit es mir besser geht. Ich widerspreche natürlich. 
Aber es rührt mich. So geliebt zu werden.
 
Gestern Abend hatten wir mit unseren Freunden hier am Ort die wöchentliche Halbzeitpause. Vor unserem gemeinsamen Essen haben wir Teelichter angezündet, für all das wofür wir gerade dankbar sind. Daneben haben wir Steine gelegt, für alles was uns gerade bedrückt. Wie immer gehen uns eher die Kerzen als die Steine aus (Danke Gott!). Mittendrin fragt plötzlich meine Freundin: Denkt ihr eigentlich gerade daran, dass Passionszeit ist? Bei mir geht das in den vielen Dingen ehrlich gesagt ganz schön unter." Ach, bei mir leider auch. Ich werde immer nur dann kurz daran erinnert, wenn ich auf einen dringenden Kaufimpuls verzichte (mein diesjähriges Fasten).  Aber so richtig hat es die Passionszeit noch nicht in  mein Bewusstsein geschafft.
 
Jetzt sitze ich hier, mit dem dumpfen Schmerz im Kopf. Versuche etwas zu schreiben. Und kann mich nicht richtig konzentrieren. Weil ich an Jesus denken muss. Wie er unterwegs ist, auf der schweren Strecke Richtung Jerusalem.  Dir soll's besser gehen, denke ich. "DIR soll's besser gehen", sagt er liebevoll. Und geht weiter. Den steinigen Weg. Schritt für Schritt. Dorthin, wo er unter Schmerzen zusammenbricht. Und gottverlassen stirbt. Für mich. Und dich. Und die ganze Welt. Und dabei auch in Kauf nimmt, dass es unter den vielen Dingen untergeht.
Ich versuche mit ihm Schritt zu halten. Aber ich schaffe es kaum. Er läuft zielstrebig. Als könnte er es kaum erwarten. Dann dreht er sich noch einmal zu mir, küsst mich auf die schmerzenden Stirn und verschwindet um die nächste Ecke. 
Es rührt mich. So geliebt zu werden. 
 
 


Dienstag, 14. März 2023

Zaun reparieren

Hat es bei euch auch so gestürmt? Am Wochenende ist Heios Gewächshaus an unserem Fenster vorbeigeflogen und nun klafft auch noch ein größeres Loch im Zaun zum Nachbargarten. Schon länger liege ich Heio in den Ohren, dass er diesen dünnen Sichtschutz doch bitte erneuern soll. Aber er hatte viel zu tun (vor allem mit Dingen, die ich sonst noch ganz dringend von ihm gemacht haben wollte). Der Zaun ist derweil immer mehr in sich zusammengefallen. Jetzt hat ihm der Sturm den Rest gegeben. 
Gestern, beim schönsten Frühlingswetter,  hätte ich mich so gerne in unseren Garten gesetzt um mein Gesicht ein bisschen in die Sonne zu halten, aber die fehlende Begrenzung hat mich davon abgehalten. Die Sache ist nämlich die: Wir haben wirklich nette Nachbarn, aber sie haben etwas angespannte Hunde. Sobald diese vermuten, dass jemand auf unserer Gartenseite ist, erfüllen sie die Aufgabe anständiger Wachhunde: Sie knurren und bellen, dass man sich nach einer gewissen Zeit nur geschlagen ins Haus zurückziehen kann. Von daher ist es besser sie bemerken uns möglichst nicht.  Deshalb der Zaun. Und weil der nun gefehlt hat, saß ich gestern nicht im Garten, sondern habe stattdessen versucht meine Mails abzuarbeiten, mit schmerzendem Rücken und ansteigendem Stresspegel. Dabei fiel mein Blick wieder auf den kaputten Zaun vor dem Fenster. Und mir kam der Gedanke, dass vielleicht auch meine Inneres mal wieder ein bisschen Reparaturarbeit benötigt. Zu oft lasse ich micht von (äußeren und inneren) Erwartungen bestürmen, knicke ein wo ich standhaft bleiben sollte, versäume unklar gewordenen Grenzen wieder neu aufzurichten, gebe den kläffenden Kötern der Gefallsucht und Getriebenheit Raum und wundere mich dann, warum ich mein Gesicht nicht entspannt in die Sonne halten kann.
 
Meine Freundin Chrissi hat mir am Wochenende einen Link zu einer Podcastfolge von Kate Bowler geschickt, Thema: Worthy of boundaries.(Wert Grenzen zu setzen). Ich habe die Episode während dem Kochen angehört und dabei sind mir fast die Maultaschen in den Topf gebrannt, weil ich versucht habe, nebenher mitzuschreiben. (auch eine Grenze: Wir können nur eine Sache gleichzeitig tun!). 
Ein Satz von Kate Bowler hat mich ganz besonders angesprochen. Sie sagte:
It`s so hard to give up on the myth of a limitless life.
Was ungefähr heisst: Es ist so schwer den Mythos aufzugeben, dass wir unbegrenzte Wesen sind. Ach, das ist so wahr!  Wir alle haben (und wir brauchen!) unsere Begrenzungen.  Und zu unserem Ja gehört immer auch ein Nein. (was Sonja auf ihrem Blog so wunderbar ausgeführt hat). Ich muss immer grinsen wenn mich irgendwelche Sicherheitsseiten im Internet dazu auffordern so Dinge anzuklicken wie: Ich bin kein Roboter. Oder: Ich bin ein Mensch. Genau. Ich bin ein Mensch! Ein begrenztes Wesen. Ich kann manches sein, aber ganz vieles bin ich auch nicht! (und das trifft auch auf meinen Mann, mein Kind, meine Freunde, meiner Gemeinde... zu). Wir sind so vieles auch NICHT. Und manches sind wir vielleicht auch NICHT MEHR. Und in manchen Lebensphasen ist es unglaublich wichtig die Grenzen neu zu setzen (dann ist der Mittagsschlaf keine Option mehr, sondern eine dringende Notwenigkeit!). Wie Liz GIlbert das in einem Interview so gut  sagte: You gotta keep it small, or you`re not gonna make it! 
 
Kate Bowler spricht am Ende ihrer Episoden immer einen Segen für die Zuhörer. Und ich habe ihn, nachdem ich die Maultaschen vom Topf gekratzt habe, Wort für Wort aufgeschrieben. Für mich. Und vielleicht auch für dich. Für uns alle, die sich schwer tun mit dem Zäune aufrichten. Hier ist der Segen für uns (ganz frei übersetzt von mir): 
 

Sei gesegnet,
Du, mit deinem weiten Herzen,
immer bereit aufzutauchen und bis zum Schluss zu bleiben 
und noch den Nachtisch mitzubringen. 
 
Sei gesegnet, 
du mit deiner Freigiebigkeit,
als eine der Ersten, die sich freiwillig meldet, 
bereit in einer Notlage oder beim Umzug zu helfen 
(ehrlich: wann sind wir endlich alt genug, damit wir nicht mehr beim Umzug helfen müssen?)
 
Sei gesegnet, 
Du, die gibt ohne abzurechnen 
und Zeit schenkt ohne aufzurechnen.
 
Aber die Dinge ändern sich.
 
Die chronischen Schmerzen, die Trauer, oder einfach das Leben, 
lässt dich mit weniger zurück. 
Weniger zu geben. Und weniger anzubieten.
 
Aber  versteh doch:
Dieses Weniger macht dich nicht weniger, es macht dich menschlicher.
 
So sei gesegnet wenn du lernst um die Hilfe zu bitten, 
die du selbst so großzügig gewährt hast.
Und mögest du dich von derselben Liebe umarmen lassen,
die du immer bereit warst du geben.
 
Sei gesegnet gute Wege zu finden,
auf denen du weiterhin geben kannst,
auf eine Art und Weise, die deiner jetzigen Form entspicht
und was dir heute mit frohem Herzen möglich ist.
Sei gesegnet, meine liebe Freundin.

(irgendwie glaube ich, das geht vor allem an uns Frauen:-)).

Und noch das, wenn du es brauchen kannst:
 
Sei gesegnet mit deinem Nein, 
mit einer heilsamen Grenze
die du an diesem Tag benötigst, 
damit du Innehalten kannst,
um Gottes warme Strahlen aufzunehmen.
 


Dienstag, 7. März 2023

Vorfreude

Wenn morgens mein Wecker klingelt dauert es noch einen kurzen Moment, dann kommt eine Bettdecke samt Inhalt in unser Schlafzimmer gewankt und schmeißt sich neben mich. Ein tiefes Seufzen kommt aus dem Inneren. Für ein paar Minuten ist Stille. Dann schiebt sich ein verstruppelter Kopf ins Freie. Und dann kommt die drängende, immer auch leicht jammernde Frage: "Was machen wir denn heute, Mama?" Dann seufze ich. Sage ihm, dass er erstmal zur Schule geht, dann gibt es Essen und - Höhepunkt unseres Tages: Die Hausaufgaben! Aber das will er natürlich nicht hören. Das ist Pflichtprogramm. Er fragt nach der Freude, die DANACH kommt. Ein Besuch. Ein Treffen mit einem Freund. Oder wenigstens ein Einkauf bei dem er sein Taschengeld für unsinnige Match-Attax-Karten raushauen darf. Wenn er so einen Lichtblick am Nachmittag hat, springt er fröhlich aus dem Bett. Wenn allerdings nichts davon in dem Tag zu finden ist, dann ist es nicht gerade die schönste Stimmung mit der wir dann in den Tag starten. Als Morgenmuffel mag ich das überhaupt nicht (Konflikte vor der ersten Tasse Kaffee sind für mich schwer zu bewältigen!). Dann schimpfe ich und ärgere mich und finde meinen Sohn einfach nur verwöhnt und undankbar.
Aber eigentlich verstehe ich ihn richtig gut. Ich brauche das auch: etwas worauf ich mich freuen kann. Etwas was mir hilft durch das Pflichtprogramm des Lebens zu kommen. Zur Zeit überfällt mich manchmal das Gefühl als würden all die richtig guten Dinge bereits hinter mir liegen.  Alles ausgepackt. Und ich fühle mich  wie ein verwöhntes und undankbares Kind das sich durch die Geschenkpapierberge wühlt und sich fragt, ob es vielleicht noch etwas gibt, worauf ich mich vorfreuen kann. Etwas was mein Herz schneller schlagen lässt, wenn ich morgens aufstehe. Und ich ertappe mich dabei wie ich Gott leicht  jammernd frage: "Was machen wir denn heute? Und was kommt DANACH?" Und plötzlich spüre ich, dass Gott meine Frage nicht anmassend und unverschämt findet. Sondern, dass er mich versteht. Er hat mich schließlich so gemacht. Als Vorfreude-Sucherin (wie die Mutter, so das Kind!). Ich kann monatelang die Ferienwohnung, die wir für den Sommer gebucht habe, immer wieder anschauen, manchmal auch mehrmals täglich, und mich total darauf freuen. Ich stelle mir vor wie das sein wird. Die Ankunft. Der erste Blick aufs Meer. Der warme Sand zwischen den Zehen. Pommes mit Mayo auf der Picknickdecke. Lieblingsmenschen neben mir und der blaue Himmel über mir.

Heute morgen habe ich dann diesen Bibelvers von Paulus an die Thessalonicher gelesen

Der Herr richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. (2.Thessalonicher 3,5) 

Eugene Peterson schreibt dazu: 
Ein starkes und fokusiertes Bewusstsein auf die Zukunft, mit der Wiederkunft von Jesus als entscheidendes Detail, war immer schon charakteristisch für den christlichen Glauben...und die ganz konkrete Auswirkung davon ist, dass dies jeden Moment unserer Gegenwart mit Hoffnung erfüllen kann.
Wenn ich ehrlich bin, dann ist die Wiederkunft von Jesus nichts etwas mein Herz  heute höher schlagen lässt. Das scheint so ganz weit weg. Aber vielleicht sind ja die Zeiten in unserem Leben, in denen wir seufzend nach der Vorfreude suchen, ein Schubser unsere Herzen auf diese große Hoffnung zu richten: Wir werden wirklich und wahrhaftig Jesus sehen, am Ende des Tages! WIr werden an dem Ort ankommen der Hoffnung und alle Vorfreude dieser Welt hält und weit übertrifft, Lieblingsmenschen neben uns, offener Himmel über uns..
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Und während ich lernen will mein Herz auf diese große Zukunft auszurichten, möchte ich auch weiter - zusammen mit meinem Kind -  nach der Freude suchen, die sich in unseren irdischen Tagen versteckt. Denn ich glaube Gott gehen die Geschenke nicht aus! Er hat noch so einiges vorbereitet.  Für mich. Und für dich. Ein besonderes Treffen. Ein neues Projekt. Ein Fest. Eine Freudenzeit. Eine Einladung. Eine neue Aufgabe. Gute Werke. Ein Abenteuer. Eine Wohnung. Eine wundervolle Versorgung. Eine umwerfende Begegnung. Eine unerwartete positive Wendung. .. ach, da kommt noch eine ganze Menge worauf wir uns vorfreuen können!
 
 
 



Dienstag, 28. Februar 2023

Rucksack auspacken

Immer wenn ich hier etwas länger nichts geschrieben habe, fällt es mir schwer die Spur wieder aufzunehmen. Dann hilft es mir in meinem Herz zu kramen, wie in einem vollen Rucksack, und eins nach dem Anderen auszupacken. Also, da wären:

Freude über die Wintersonne und den Frühling vor der Tür. Die vielen Schneeglöckchen in unserem Garten. Die Hyazinthe auf dem Fensterbrett (danke Martina!), die ich nun ganz langsam auch wieder riechen kann. Der Geruchssinn kam mir in den letzten Wochen krankheitsbedingt abhanden und kehrt allmählich zurück. Gerade noch rechtzeitig, dass ich die Ankunft des Frühlings riechen kann!

Mein Echtzeit-Projekt. Dieses Jahreswort macht sich in meinen Tagen breit, wie die Schneeglöckchen im Garten und schenkt mir so viele kleine  Geschichten und Gedanken, dass  ich sie fast täglich pflücke und in ein kleines Logbuch presse (Arbeitstitel: Eat this, Zuckerberg!). Nebenher lese ich in dem Buch von Christina Crook the joy of missing out und staune, wie sehr das zu meinen kleinen Erlebnissen passt. Gestern zum Beispiel: Ich schicke Samuel nachmittags zum Bolzplatz, nachdem ich ihm das iPad aus den starren Händen gerissen habe. Keine Ahnung warum dieses Ding (eine Leihgabe der Schule) so faszinierend ist - obwohl er bei uns nicht mal Zugang zum Internet hat!  Kaum ist der Junge aus der Tür spurtet  er auch schon voller Freude los, den Ball am Fuß. Zwei Stunden später kommt er verdreckt nach Hause und klagt: "Ich war fast die ganze Zeit alleine dort, Mama!" Mein erster Impuls ist Mitleid. Mein armes Einzelkind! Aber dann denke ich an das, was ich kurz vorher gelesen habe:

Durch das häufige Online sein und Handy in Reichweite,  fällt es uns  immer schwerer allein zu sein. Aber wenn wir die Fähigkeit des Alleinseins nicht mehr pflegen und  stattdessen in die digitale Welt flüchten, werden wir uns zunehmend einsam fühlen. Und wenn wir unseren Kindern nicht beibringen allein zu sein, dann werden sie nur das Gefühl erleben, einsam zu sein. 
Also sage ich zu meinem Kind (und zu mir selbst): Allein sein ist doch nicht so schlimm! Ins Leere starren. Auf Freunde warten. Wolken am Himmel beobachten. Mit den Gedanken - oder einem Ball - jonglieren. Das alles gehört zum Menschsein dazu. Und es kann uns mit neuer Freude und Kreativität erfüllen. Für die nächste Begegnung.

DIe Fastenzeit. 40 Tage ohne. Ein kleiner Verzicht, ein klein wenig sterben lernen, um Raum für die Auferstehung zu machen. Am Aschermittwoch haben wir uns mit Asche ein Kreuz auf die Stirn gemalt. Etwas ungewohnt für uns, weil katholisch. Und meine katholischen Geschwister können das irgendwie besser. Mit dem Feiern und dem Fasten. Letzteres so, dass es auch ein bisschen weh tut. Die evangelische Kirche bietet immer die light-Version an. Dieses Jahr: 40 Tage ohne Verzagtheit. Gefällt mir aber auch. Und ist für viele von uns vielleicht doch gar nicht so leicht. Trotzdem. Es soll auch ein bisschen weh tun. Kurz kam der Gedanke ob ich mal das Bücherlesen fasten soll. Habe ich sofort wieder verdrängt.  Stattdessen faste ich in diesem Jahr Konsum. Klamotten kaufen. Osterdeko. Spontane Onlinekäufe. Der schöne Schal am Ausgang vom Drogeriemarkt. Neue Bücher.  Autsch.  Ich versuche nur das Nötige zu kaufen. Sprich Lebensmittel. Und Klopapier. Der Rest soll einfach mal 40 Tage Ruhe geben. Inklusive die Verzagtheit.

Bücherfreude. Zum Glück habe ich mich vorsorglich gut eingedeckt mit Büchern. Auf eins habe ich mich schon länger gefreut. Das Buch meiner Freundin Veronika Smoor: What would grandma do. Eine Sammlung von Ideen, Life Hacks, Rezepten, Ritualen, Garten- und Nähtipps, Nachbarschaft und Gemeinschaft leben   -  ach, einfach eine wunderbar bunte Patchwork Decke aus dem Stoff unserer Großmütter, umgarnt mit Veronikas wunderbarer Erzählgabe. Seitenweise Schätze sind in dem Buch zu finden! Eine Menge kleiner und unkomplizierter Anregungen zu einem geerdeten, guten Leben.  Meine Ausgabe hat bereits viele Eselsohren und Fettflecken (schon drei Rezepte erfolgreich ausprobiert!) und ich freue mich über diesen Wegbegleiter, in dem ich immer mal wieder eine Idee aufgreifen oder mich an den guten Gedanken wärmen kann, wie in einer weichen Granny-Decke.
Im letzten Kapitel schreibt Veronika:

Ich wünsche mir, dass ich in dir einen Traum wecken konnte. Der Traum von einem erdgebundenen, einfachen und beglückenden Leben... Nicht mit einer Hau-ruck-Aktion, sondern mit vielen kleinen Schritten. Und wenn du stecken bleibst, dann frage nicht zuerst eine Suchmaschine sondern gehe zum alten Nachbarn, ruf deine Großmutter an und frage: Was würdest du tun?
Das spricht mir so aus dem Herzen! Einen Nachbarn um Hilfe bitten schafft mehr Nähe als alles alleine zu versuchen. Und die Lebensweisheit von einem alten Menschen zu hören ist so viel wertvoller als alles was wir googeln könnten.  
Also an dieser Stelle eine herzliche Buchempfehlung! Ihr könnt das Buch auch direkt in Veronikas Onlineshop bestellen (Und das ist ganz unbeauftragte Werbung:-)).




Während ich hier schreibe quälen mich wieder meine Halsschmerzen, die auch nach drei Wochen Kranksein einfach nicht weggehen wollen. Es ärgert mich, dass mein Körper so störrisch ist und einfach nicht bereit, jetzt endlich mal gesund zu werden.  
Meine Oma würde sagen: "Kind, manches braucht einfach Zeit." Sie würde mir einen Halswickel machen, einen Kräutertee dazu und dann würde sie sich eine ganze Weile zu mir ans Bett setzen. Weil sie zu der aussterbenden Gattung der Großmütter gehörte, die wirklich und wahrhaftig noch Zeit hatte. "Das hast du auch. Zeit." würde sie mir jetzt bestimmt gütig lächelnd antworten. "Aber es gibt doch so viel wichtiges zu tun, Oma!" "Ja, zum Beispiel behutsam mit dir umgehen. Und geduldig sein." Manchmal können Omas auch nerven. Besonders wenn sie recht haben. Also fahre ich jetzt den Computer runter und mache mir einen Kräutertee. Und lege mich aufs Sofa. Auch wenn sich  niemand dazu setzt. Ich werde mir die Zeit nehmen, die mein Körper braucht (viel zu oft in meinem Leben habe ich ihn einfach ignoriert!). Ich werde ein bisschen ins Leere starren. Gedanken jonglieren. Und die Verzagtheit schicke ich in den Garten. Sollen ihr die Schneeglöckchen was läuten.