Mittwoch, 24. September 2014

ein Kofferraum voller Probleme

Die letzten Tage hatte ich eine Schreibblockade - und das ohne Blockschokolade!

Auf den Urlaub folgte eine erschreckende Begegnung mit unserer Waage. Ungläubig starrte ich auf die Zahl - kann das sein oder ist unsere Waage defekt (ein kleiner Hoffnungsschimmer)? Ich fahre Samu mit dem Fahrrad (ok, mit dem E-Bike) in die Kita und die Schranke, die sich sonst nur für Autos öffnet, geht nach oben. Das gibt mir den Rest. Jetzt muss sich etwas ändern. Und nun leidet die ganze Familie seit einer Woche unter meinem Schokoladenentzug.

Aber ich glaube der wahre Grund, warum mir das Schreiben gerade schwerfällt, ist nicht mein niedriger Zuckerspiegel. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass es unangebracht und egoistisch ist, angesichts der Not dieser Welt über meine kleinen Alltagsprobleme zu schreiben. Wisst ihr was ich meine?

Zum ersten Mal habe ich diesen Sommer unser abendliches Ritual unterbrochen und ich konnte zeitweise keine Tagesschau mehr ansehen. Die Augen der Kinder, die Dinge gesehen haben die ich mir nicht mal  vorstellen will, verfolgten mich bis in den Schlaf. Ich dachte: wenn ich noch einen Bericht über die Not im Irak, Syrien, in der Ukraine, vor Lampedusa, im Gazastreifen, in Afrika... anschaue, dann muss ich meine Koffer packen und losgehen um zu helfen.   Und weil ich so eine Heldin bin, habe ich die Not einfach mal ausgeblendet und nicht meine Koffer gepackt (was wahrscheinlich auch besser so war. Noch eine erschöpfte Mutter mehr im Auffanglager ist auch keine wirkliche Hilfe)

Aber ausweichen kann man in diesen Tagen nicht mehr. 
Ganz in der Nähe von uns hat ein neues Flüchlingsheim eröffnet. Ich habe mich schon kundig gemacht wie man hier mithelfen kann. Die Telefonnummer vom Verein für Flüchtlingsfreunde liegt nun seit Tagen neben unserem Telefon. Ich bin hin und hergerissen ob ich anrufen soll und meine Mithilfe anbieten.
Einmal denke ich: Nein, besser nicht.  Meine Kraft reicht dafür im Moment nicht aus, meine Probleme und die Not meiner Freunde überfordert mich eh schon.
Dann denke ich: Tu es einfach. Jetzt musst du nicht mal deine Koffer packen, sondern kannst ganz bequem hinlaufen. Und du hättest vielleicht auch ein paar gute Geschichten für deinen Blog  (was für ein Scheißgedanke!).
Und dann denke ich wieder: ach, vielleicht reicht es auch wenn ich einem Fremden freundlich zulächle, der mir beim Einkaufen begegnet (wahrscheinlich ist es ein Elite - Student aus Saudiarabien, aber egal).
Der Zettel liegt jedenfalls weiter geduldig neben dem Telefon. Ich weiß noch nicht wie ich mich entscheiden werde.

Es fällt mir jedenfalls schwer einfach zur "Tagesordnung" überzugehen und über meine Gewichtsprobleme, Samus ersten Mittagsschlaf in der Kita oder meinen Stress am Arbeitsplatz zu erzählen.
Und doch, und doch... es ist mein Leben. Es sind die kleinen Sorgen die uns oft den Schlaf rauben. Es sind vielleicht "Luxusprobleme" die uns manchmal quälen und doch haben sie die Kraft uns unter Wasser zu ziehen und uns den Mut zum Leben zu nehmen.

Zwischenschub: Heio stand hinter mir und hat mitgelesen. Er ist auf dem Weg zum golfen(!). Sein Kommentar: Es ist doch auch eine Art soziale Integration wenn ich gleich meinen klapprigen Dacia neben den ganzen Porschefahrern abstelle. Also wirklich...das meint er nicht ernst, oder?

Im Urlaub habe ich eine Famile beobachtet, die ihr Auto beladen hat. Sichtlich gestresst, Urlaubsende und in Gedanken wahrscheinlich schon bei dem unvermeidlichen Stau, der gleich auf sie zukommt. Die Tür vom Kofferraum ließ sich nicht richtig schließen und die Erwachsenen versuchten mit vereinten Kräften das Problem zu beheben.
Die kleine Tochter stand daneben und hat wohl vergeblich nach ihrem Kuscheltier gesucht. Sie war ganz aufgelöst und versuchte die Aufmerksamkeit der Erwachsenen zu bekommen.
Da schrie ihre Mutter sie an: "SEI ENDLICH STILL. WIR HABEN HIER GRÖßERE PROBLEME!"

Dieser Satzging mir nicht mehr aus dem Kopf.  Ich sehe das Kind, tränenüberströmt, eine genervte Mutter -  und mein erster Gedanke war: "DANKE GOTT, dass du nicht so bist."
Er nimmt jedes Problem ernst: verschwundene Kuscheltiere, Gewichtsprobleme und sogar  ein Kofferraum der, vor lauter Luxusgüter im Wagen, nicht zugeht.

Er sieht nicht "große" oder "kleine" Probleme, sondern unsere Not dahinter: den Schmerz, die Ängste, die Einsamkeit, die Ohnmacht...das was uns Menschen alle verbindet. Und weil Gott seine Kinder lieb hat, nimmt er uns alle ernst, sind wir ihm alle wichtig, gibt es keine belanglosen Geschichten. Das glaube ich aus tiefstem Herzen.
er leidet, wenn seine Kinder leiden...
und er liebt es, uns glücklich zu sehen!

Aber vielleicht ist es auch gut wenn die Not der Welt mich in diesem Tagen fast sprachlos macht, wenn manches in die richtige Perspektive rutscht und ich mich nicht mit Dingen verrückt mache, die am Ende doch nicht so tragisch sind. 

Und ich könnte Gott mal fragen was ihn sonst noch so beschäftigt - wie man das bei einem guten Freund so macht - und ob und wie ich ihm ein wenig dabei helfen kann (er kennt mich, weiß wieviel Kraft ich habe und was auf mich zukommt...)
Und vielleicht rufe ich danach die Nummer neben dem Telefon an. Mal schauen.

Jetzt fahren wir erstmal zum IKEA. Ich hoffe wir bekommen die Kommode, die wir ganz DRINGEND brauchen (????), in den Kofferraum.  Und das ist, ganz ehrlich, ein wirklich kleines Problem.

Mittwoch, 17. September 2014

weiter geht`s!

So, jetzt aber. Der Sommer (welcher Sommer?) liegt hinter uns und damit endet auch meine Blogpause.  
Und - obwohl ich in den letzten Wochen immer wieder dachte: das muss ich unbedingt erzählen und diese Geschichte darf ich nicht vergessen - es fällt mir ein wenig schwer wieder zu schreiben.
Es erinnert mich an die Situation, wenn ich nach einem ereignisreichen Urlaub meine Freundin zum Frühstück treffe und sich so viele Gedanken und Geschichten angesammelt haben, die ich unbedingt mit ihr teilen will. Und dann sitze ich da und weiß plötzlich nicht mehr, was ich erzählen soll und frage deshalb schnell: "Erzähl mir, wie war denn DEIN Sommer?"
Das würde ich jetzt am liebsten tun. Einfach hier sitzen und mir eure Geschichten anhören.
Aber weil das auf einem Blog so schlecht geht, werde ich einfach mal erzählen. Eine kleine Bildergeschichte von unseren letzten Wochen:

Am Anfang stand eine große Herausforderung: der Schnullerentzug.


Wir haben es immer wieder vor uns hergeschoben: wenn wir entspannter sind und mehr Kraft haben, wenn wir mehr schlafen...dann können wir das in Angriff nehmen. Aber die Gefahr bestand, dass wir es dann vor seiner Einschulung nicht mehr schaffen . 
Also: Schnuller weg. Das Päckchen kam auf die Post und wurde gegen ein Paket eingetauscht in dem ein (lang ersehnter) grüner Anhänger für`s Bobbycar war.


Es fiel ihm trotzdem unendlich schwer und er vermisst seine "Nuller". Aber wir haben es geschafft.
Leider nicht mit dem Ergebnis, dass er jetzt viel besser schläft, obwohl einige meinten: "Ihr müsst nur die Schnuller abschaffen, dann wird es besser."

Kennt ihr das?
"Du musst nur...

das Buch lesen
früher aufstehen
gesünder essen
täglich in der Bibel lesen
mehr vertrauen
weniger trinken
mehr trinken :-)
...
dann wird es besser."

Und dann versucht man das Richtige zu tun und es hat manchmal doch nicht den erwarteten Erfolg.
Also, nicht dass die Sache an sich nicht gut ist (der Schnuller musste ja irgendwann weg, keine Frage!). Aber es sind eben keine Mechanismen, die dann bei jedem gleich funktionieren. Wir sind Menschen und manchmal tut man das Richtige und es bleibt trotzdem verdammt schwer.

Aber wir hatten auch viel SPASS! 
mit den jungen Wilden

Kuchenessen im Garten

irgendwann war`s dann doch mal warm?!


Und dann waren da drei Tage, ganz alleine für mich, an diesem wunderbaren Ort.

Einfach Zeit haben zum Nachdenken, durch die Weinberge laufen, langsam still werden und mir von Gott in`s Herz flüstern lassen, dass ER mich lieb hat. 
Nach all den Jahren fällt es mir immer noch schwer diese einfache Wahrheit zu glauben: 
mit allem was in mir ist, bin ich willkommen. 
Auch auf das Dunkel in mir, das ich nicht gerne anschaue, legt er segnend seine Hände.
Er strahlt mich an und sagt: "gerade dein Dunkel mache ich zum größten Segen!" 
Da ist kein:  "Tu das, dann wird alles besser", sondern da ist eine Liebe, die langsam und beharrlich etwas in mir heil macht,  egal was ich tue oder was ich eben nicht schaffe.




Und dann waren da noch ein paar schöne Urlaubstage im Allgäu auf dem Bauerhof.



der kleine Platz, links von dem jungen Mann, da "schlafe"  ich :-)

das Glück der Erde....









Freund zu Besuch...das war schön!!!


Lieblingssee und Lieblingsgetränk- was will man mehr?


Viehscheid

Allgäuer Cowboys




Es waren schöne Momente. Auch Regentage, Streit, Müdigkeit und Schmerzen...aber viele wunderschöne Momente die in Erinnerung bleiben werden.

Am letzten Abend bin ich, trotz schlechtem Wetter, auf den Hügel hinter unserem Bauernhof gelaufen. Dort steht ein Kreuz und man hat an guten Tagen einen fantastischen Blick auf die Bergwelt. 
Im Nieselregel und bei aufziehendem Nebel, die Kaputze weit über das Gesicht gezogen, konnte ich nicht viel erkennen. 
Am Ende eines Urlaubs, kurz vor der Abreise, überfällt mich immer ein banges Gefühl, vor dem, was Zuhause auf mich wartet.  Ich bin mir dann nicht sicher ob ich es schaffen werde:
die Anforderungen des Alltags und auf der Arbeitsstelle, den Sohn immer ein Stück mehr loslassen, meine Beziehungen gut zu pflegen, die Sorge um die Gesundheit meiner Mutter und um all die Dinge die noch im Nebel liegen und auf uns zukommen werden. 
Ich stehe im Nebel auf dem Hügel und alles was ich klar sehen kann ist das Holzkreuz neben mir.
Und weil ich ganz alleine hier oben bin, umarme ich das rauhe Holz. 
Ich schaue nach oben und fühle mich wie ein kleines Kind. 

Jesus bitte hilf mir. Hilf mir mein Leben gut zu leben. Bitte. Führe mich. Ich weiß nicht ob ich das schaffe, was auf mich zukommt. Bitte, lass mich nicht allein.

Die Worte fallen lautlos wie die Regentropfen auf den feuchten Erdboden. Kein Lichtstrahl kommt vom Himmel. Der Nebel bleibt.

Auf der Rückfahrt machen wir einen kleinen Umweg und besuchen einen Freund, der gerade eine Suchttherapie macht. Er führt uns über das Gelände und erzählt davon, wie man hier für den Alltag Zuhause vorbereitet wird.  
"Wirst du den Rest deines Lebens nie wieder Alkohol trinken können?", ist meine blöde Frage. 
"Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker", antworte er mir ruhig. Ich ahne: für ihn wird es nicht einfach werden. Wie bang muss ihm vor seiner Rückfahrt sein.
Wir reden über das Konzept der anonymen Alkoholiker: HEUTE will ich es schaffen nichts zu trinken (oder an manchen schwierigen Tagen sogar: die nächste Stunde bleibe ich trocken! ). 
Ein Tag nach dem anderen.
Mit Gottes Hilfe.

Ich sehe mich auf dem Berg stehen, das Kreuz umklammert und hier ist plötzlich mein Lichtstrahl:
Ein Tag nach dem anderen (an manchen Tagen auch: eine Stunde nach der anderen).
Mit Gottes Hilfe. 

Also, weiter geht`s.


Und wie war Dein Sommer?  :-)