Die Tür geht zaghaft auf, ein Lichtstrahl fällt über meine Bettdecke und schmerzt mir in den Augen. Ich sehe die Umrisse eines kleinen Menschen, der versucht eine kurze Hose über seinen Kopf zu ziehen. Oder ist es ein T-Shirt? Heio kommt ins Zimmer und sagt: "Guten Morgen. Frühstück ist fertig!" Ich schaue auf den Wecker und stelle fest, dass ich verschlafen habe. Das ist jetzt in meinem Fall nicht so schlimm weil kein Arbeitgeber auf mich wartet. Trotzdem drückt mich ein wenig das schlechte (Mama-)Gewissen . Daneben rückt die Dankbarkeit, dass ich ausschlafen durfte und mich nicht mehr ganz so krank fühle wie in den letzten Tagen. Ich rufe dem davoneilenden Sohn noch hinterher, dass er besser eine Jacke anziehen soll und ob er auch seine Wasserflasche hat. Hat er nicht. Ich stolpere in sein Zimmer, hieve mich auf sein Hochbett und eile ihm mit der Flasche hinterher. Ein Abschiedskuß. Dazwischen fragt mich der Mann nach meinen Plänen für den Vormittag. Die Antwort ist ähnlich wie die gestrige, und die vom Tag davor: "Ich weiß es noch nicht genau." Eine hastige Umarmung. Rums. Die Tür fällt ins Schloß. Stille. In der Küche gieße ich braunes Gold in den Kaffeebecher und betrachte die Lebensspuren auf und unter dem Küchentisch. Was für ein Luxus mal wieder in Ruhe zu frühstücken; meine Lieblingsmahlzeit des Tages. Während ich so dasitze kommt mir wieder die Geschichte in den Sinn über die ich in den letzten Wochen so oft nachdenke: Die Jünger am See Tiberias. Zurück von Jerusalem, dorthin wo ihre Geschichte mit Jesus angefangen hat. Nur dass ER dieses Mal nicht dabei ist. Sie tun das einzige was sie gut können: Fischen. Aber es funktioniert nicht mehr. Eine ganze Nacht lang nicht. Müde blinzeln sie ins Morgenlicht und: da steht Jesus am Ufer. Und von all den gewaltigen Worten die der Auferstandene sagen könnte sagte er einfach: "Kommt her! Frühstück ist fertig." Ach, ich liebe Jesus!
Ich fühle mich gerade oft so wie die Jünger in der Geschichte. Müde. Von kleinen Dingen, die andere scheinbar mühelos stemmen. Ausgepowert. Nach einer Lesung brauche ich eine Woche Erholung. Mindestens. Und ich bin oft ein wenig frustriert über den mageren "Fang". Mein zweites Buch zum Beispiel verkauft sich nicht so gut wie ich das erhofft hatte. Ich weiß nicht genau woran es liegt. Ich finde ja es ist das Beste was ich bis hierher geschrieben habe :-). Und dann denke ich: Wenn das nicht "ankommt" was soll ich dann noch schreiben? Soll ich überhaupt noch schreiben? Oder gehe ich zurück zu dem was ich gelernt habe. Aber ich fürchte das funktioniert nicht mehr. Einfach deshalb weil ich keine Nächte mehr durchhalte (Ich glaube im Pflegeberuf brauchte es fast so viel Durchhaltekraft wie in der Fischerei. Alles Helden seid ihr!). Also sitze ich hier und blinzle auf die Umrisse am Ufer die entweder scharfe, gefährliche Klippen oder aber die Umrisse von Jesus sein könnten. Und dann höre ich die Worte: "Komm her, Frühstück ist fertig!" "Aber Jesus, was ist mit dem Rest des Tages?" Er antwortet nicht. Lädt mich nur lächelnd ein, dass ich mich zu ihm setze.
Von Meister Eckhart kommt der Satz, dass Gott nicht dadurch gefunden wird indem man der Seele etwas hinzufügt, sondern dadurch dass man etwas abzieht. Weniger wird. Ich denke so oft dass ich mehr sein muss. Dass mein Leben mehr sein müsste, größer, kraftvoller, erfolgreicher. Effektiver. Zumindest doch klarer und zielgerichteter. Aber was meine Seele tatsächlich braucht ist das weniger. Das Einfacher werden. (das ist übrigens auch etwas was ich beim Schreiben lerne). Brot und Fisch. Ein Feuer an dem man sich aufwärmen kann. Liebevolle Einladung. "Komm her. Frühstück."
Während ich nicht viel tue, als kauen und still bei Jesus sitzen, spüre ich etwas davon was der Mystiker Eckhart begriffen hat:
Mein Dasein hängt daran, dass Gott mir nahe und gegenwärtig ist.
Das zu fassen ist wichtiger als die Pläne für den Rest des Tages in die Hand gedrückt zu bekommen. (und ich fürchte es wird noch viele gemeinsame Mahlzeiten mit Jesus brauchen damit ich das auch nur ansatzweise begreife!)
Und nach dem Frühstück? Spüle ich die Kaffeetasse. Fege den Boden. Gehe die Hasen füttern. Schreibe ich ein paar Sätze. Hole ich die Mülltonne vom Gehweg und grüße meine Nachbarn.
Der Tag wird sich entfalten.
Das Leben wird sich entfalten.
An der Seite von Jesus.