Montag, 23. Mai 2022

Blumen betrachten

Montags stolpere ich immer ziemlich müde in die Woche. Und heute wurden wir, noch früher als gewöhnlich, vom einem Gewitter geweckt. Mit den Jahren habe ich eine gewisse Faszination für Gewitter entwickelt - wenn ich sie von einem sicheren Abstand aus beobachten kann! - aber am Montagmorgen zu einem Hintergrundmix aus Donnergrollen und zuckenden Blitzen aufzustehen hat irgendwie etwas Apokalyptisches, finde ich. Wir haben im Kerzenschein gefrühstückt, während Sorgen und Befürchtungen wie dunkle Wolken über das Kinderherz zogen. Ich habe versucht die richtige Regenjacke zu finden und gleichzeitig das Kind zu beruhigen, bevor es Richtung Schulbus gelaufen ist. 
Als ich dann den Tisch abgeräumt habe, hat mich der Anblick von dem kleinen Blumenstrauß in der Mitte zum Lächeln gebracht. Ein "Mitbringsel" vom Sonntagsspaziergang mit Heio. Gestern war Samuel nämlich auf einem Kindergeburtstag (in einem Jump-Dome!) und der Mann und ich haben die Zeit genutzt, um ganz gemütlich, mit Sonnenbrille und Flip-Flops, über Wald und Wiesen zu spazieren. Bis zum Tretbecken im Nachbarort und wieder zurück. Nebenbei habe ich ihm mein Herz ausgeschüttet und wir haben die wogenden Gerstenfelder und die Blumen darin bewundert. Langsam gehen. Und Zeit haben. Das hat so gutgetan! Es hat mich an etwas erinnert was John Marc Comer in seinem Buch the ruthless elimination of hurry geschrieben hat:
Wenn du mit Jesus unterwegs sein willst, lerne langsam zu gehen. Gott geht langsam, weil er Liebe ist.
 Und ich musste auch an diesen Satz von Emily Dickinson denken:
Es gibt nur ein Gebot der Bibel, das ich immer befolgt habe und das ist die Aufforderung: "Betrachtet die Lilien auf dem Feld!"

Mir flüstern diese Worte zu, dass es richtig ist, ab und zu alles liegen zu lassen, vor allem die Gedanken und Sorgen die mich oft so ermüden und die doch meistens viel zu groß für mich sind! Langsam gehen. Blumen betrachten. Und mein Herz beruhigen lassen. Das kommt nämlich immer ganz schön in Unruhe, wenn Heio am Montagmorgen seinen Terminkalender zückt und wir zusammen die "Woche besprechen" (wie er das nennt). Es stresst mich, wenn ich die Termine einer Woche vor mir sehe (die meistens wirklich nicht viele sind!) mitsamt dem kleinen Berg von Aufgaben, die ich dringend erledigen sollte.  Aber ich will mir von unserem kleinen Blumenstrauß sagen lassen, dass es im Leben nicht in erster Linie darum geht, die Woche und alle Dinge "geschafft" zu bekommen! Es geht vielmehr darum, wach zu sein. Türen und Fenster meines Herzens weit in Gottes Richtung zu öffnen. Mich daran erinnern, dass er da ist und alle Dinge hält und trägt. Auch mich und mein kleines Leben.

Es klingt irgendwie fast zu banal, um darüber zu schreiben. Und eigentlich habe ich es ja schon so ähnlich im letzten Blogeintrag formuliert. Aber ich glaube das ist es, was ich in dieser Jahreszeit lernen möchte: Dieses langsam gehen. Und alle Dinge vor Gott sein lassen.  Gerade auch im Hintergrund vom Donnergrollen in dieser Welt und so manchen dunklen Wolkenschatten, die über uns hinwegziehen. Ich will immer wieder mein Herz von Jesus beruhigen lassen, will mit ihm über die Felder spazieren und hinschauen, wenn er auf etwas Schönes am Wegrand zeigt. Ich will mir heute nicht die Last der ganzen Welt - und auch nicht der ganzen Woche! - auf die Schultern packen.  Ich will an der Seite von Jesus einen Schritt nach dem anderen gehen. Eine Sache NACH der anderen tun. Einen Tag NACH dem anderen nehmen. Und dazwischen möglichst wenig Sonnenuntergänge verpassen.





Donnerstag, 12. Mai 2022

Das Rennen verlangsamen

Auch wenn ich bereits darüber geschrieben habe und wir das müde wissend abwinken können - ich will es noch einmal schreiben (und sei es nur deshalb weil ICH es noch einmal hören muss): Die letzten zwei Pandemiejahre gingen den meisten von uns ganz schön an die Substanz! Es ist so. Ich merke es an meiner begrenzten Kraft und auch an den müden Gesichtern, jetzt wo - Gott sei Dank! - die Masken fallen. Der Bund hat das große Aktionsprogramm "Aufholen nach Corona" für Kinder und Jugendliche gestartet und ein bisschen kommt es mir so vor als hätten auch wir Erwachsene so ein Aufholprogramm eingelegt. Wir planen Treffen, Feste und Festivals mit dem verständlichen Wunsch vieles nachzuholen und nachzufeiern was lange nicht möglich war. Jetzt aber! Jetzt starten wir wieder durch! Und ich war auch ganz fröhlich dabei. Ich habe jede Party zugesagt (endlich wieder möglich!), habe den Alphakurs in der Gemeinde gestartet (endlich wieder möglich!), habe jede Lesungsanfrage mit begeistertem JA zugesagt (endlich wieder möglich!) und in den Urlaub können wir jetzt auch wieder mal weiter weg fahren (endlich wieder möglich!). Und plötzlich merke ich, dass mir die Puste ausgeht und wenn ich jetzt nicht aufpasse, dann wird mir für längere Zeit gar nichts mehr möglich sein  (und das so ganz ohne Lockdown!).

Aber es ist ja noch etwas anderes möglich, nämlich das zu tun, was mir oft so schwer fällt: Ich könnte auf mein stolperndes Herz hören und auf mein erschöpftes Spiegelbind achten, das mich dringend bittet lansamer zu werden. Ich könnte eine andere Gangart einschalten. Und mit dem aufholen wollen aufhören. Vielleicht können wir das ja gemeinsam machen - weil es in der Gruppe viel leichter fällt? Seid ihr dabei? Wir verlangsamen das Rennen!  Wir entscheiden uns ganz bewusst für ein entspanntes Aufatmen nach angespannter Zeit! Wir entscheiden uns für das einfache Sein dürfen, das uns die innere Freiheit schenkt, das  eine Treffen abzusagen und ein anderes zuzusagen (und dann vielleicht doch spontan wieder abzusagen, weil wir merken: Es ist zwar möglich aber es geht nicht!). Wir entscheiden uns dafür OHNE perfekten Beitrag oder passendes Geschenk auf einem Fest aufzutauchen und mit den anderen fröhlich darauf anstoßen, dass wir es überhaupt bis hierher geschafft haben! Ich könnte mich dafür entscheiden eine Lesung mal ein bisschen holpriger machen zu dürfen, mich an Sätzen zu verhaspeln, Wichtiges ungesagt lassen und am Ende einfach darauf vertrauen, dass das Entscheidende sowieso ein anderer austeilt. Und wir müssen den Alphakurs nicht auf Biegen und Brechen durchziehen, sondern wenn nötig (und die fehlende Kraft es erfordert)  können wir einfach ein paar Abende früher aufhören und dabei merken, dass Gottes Geschichten mit uns sowieso weit über diese Abende hinaus gehen. Ich könnte meinen Mann dazu überreden, dass wir ein paar Extraübernachtungen auf dem Weg in den Urlaub einplanen und spontan noch einen Tag länger dort bleiben, wo es uns am besten gefällt. Unser Garten darf auch in diesem Jahr immer noch ein bisschen verwildert aussehen - Stichwort Renaturalisierung! - und Samuel muß nicht alle Hausaufgaben sauber abgeheftet in Ordnern und Hirn haben! Heute essen wir einfach die Reste von gestern und wenn es nicht reicht schieben wir die Fertigpizza in den Ofen. Die zu erwartende große Obsternte kann man auch mal ein wenig großzügiger den Vögeln überlassen - oder einfach Schild an den Bäumen anbringen, dass auch andere sich bedienen dürfen! Ach und überhaupt: Man darf doch merken, dass wir ein bisschen angeschlagen ankommen! Wir können doch auch in diesem Sinne unsere Masken fallen lassen! Wir müssen uns nichts gegenseitig beweisen! Wir dürfen gnädig sein. Mit uns  und mit dem Kind, das im Lernplan eigentlich schon viel weiter sein sollte. Aber nun sind eben wir hier.  Und Gott wartet nicht schon ungeduldig an der übernächsten Ecke und ruft uns mit der Stoppuhr in der Hand zu, dass wir total im Verzug sind. Nein. Ich will mich daran erinnern, dass ich dem Gott nachfolge, der die Zeit erschaffen hat. Er geht ganz entspannt neben uns her. Und vielleicht können wir uns einfach mal kurz an den Wegrand setzen und miteinander anstoßen, dass wir es bis hierher geschafft haben. "Gut gemacht, mein Kind!" sagen.  Und "Gut gemacht, mein Kind!" hören. Und dann gehen wir langsam miteinander weiter. 

(und wenn in der nächste Zeit hier die Beiträge mal nur zweiwöchentlich erscheinen dann deshalb, weil ich auch beim Schreiben langsamer machen muss. Danke wenn ihr auf mich wartet!)  

 






Dienstag, 3. Mai 2022

12 Dinge, die ich gelernt habe

Nun will ich meinen Geburtstag doch nicht so achtlos hinter mir lassen. Ich dachte ich könnte es ein bisschen wie Anne Lamott machen, die an ihrem 60. Geburtstag 12 Wahrheiten aufgelistet hat, die sie in ihrem Leben gelernt hat. Nun fehlen mir bis dahin noch 7 Jahre -  und ich bin weit davon entfernt so wunderbar und klug wie Anne Lamott zu schreiben! - aber ich will trotzdem, so ganz spontan und in völlig unbeabsichtiger Reihenfolge 12 Dinge aufschreiben, die ich in meinen 53 Lebensjahren bisher gelernt habe: 

1. Man kann fast alles mit Käse überbacken! 
 
Und dass das die erste Sache ist, die mir einfällt, die ich in 53 Jahren gelernt habe, ist schon erstaunlich! Vielleicht sollte ich erwähnen, dass Essen für mich eine der schönsten Liebessprachen dieser Welt für mich ist. Und man hört nie auf eine Sprache zu lernen. Man hört überhaupt niemals auf mit dem Lernen! Was mich zum Thema Schule bringt: 
 
 
2. Wenn an einem Elternabend ein Elternbeirat gewählt wird und du NICHT Elternbeirat sein willst, dann musst du mindestens 10 Minuten lang die Luft anhalten und darfst dich UNTER KEINEN UMSTÄNDEN bewegen! 
 
Jegliche Nachfrage und Äußerung ist brandgefährlich und wird sofort als Jobbewerbung ausgelegt. Wenn du doch angefragt wirst: "Nein." ist ein vollständiger Satz! (das habe ich von Anne Lamotts Weisheiten gelernt!). Die einzige Begründung zu einem Nein, die meiner Meinung nach funktionieren würde wäre: Es ist mir aus religiösen Gründen verboten! Da fragt keiner mehr nach. Allerdings wird dein Kind dann auch zu keinem Geburtstag mehr eingeladen. Was mich zum nächsten Punkt bringt:
 
 
3. Es gibt anstrengende Dinge. Es gibt sehr anstrengende Dinge. Und es gibt Jungsgeburtstage. 
 
Ich muß jedes Mal lachen wenn unsere Freunde von einem Bekannten erzählen, der ein von Natur aus sehr stabiler und ausgeglichener Mensch ist. Als sie allerdings ihre Kinder (Jungs!) vom Geburtstag seines Kindes (ebenfalls Junge!) abgeholt haben, stand eben dieser Mensch völlig verschwitzt mit einem Plastikschwert an der Tür und keuchte: "Eine halbe Stunde! Der nächste Geburtstag geht nur eine halbe Stunde! Das habe ich gerade mit meinem Sohn ausgemacht!" Haha. Ich kann ihn so gut verstehen. Ich habe Heio mitgeteilt: Der nächste Jungsgeburtstag findet so statt wie ich ihn nie machen wollte: In einem Jump-Dome. Mit Pommes und  Cola. Und ich zahle jeden Preis dafür, dass die Kinder dort ein paar Stunden eingeschlossen werden und ich sie dann abends wieder abholen kann!!!


4. Bücher kann man nie genug lesen, empfehlen, verschenken - und folglich  können auch nie genug Bücher geschrieben werden! 
 
Jedes Mal wenn ein neuer Bücherprospekt in unseren Briefkasten flattert und ich durch die vielen Seiten blättere denke ich: Die Welt braucht ganz bestimmt kein neues Buch und Worte mehr! Ich sollte aufhören mit dem Schreiben. Und dann lese ich das Folgende in einem neu entdeckten Buch von Frederick Buechner:

Ich schreibe, um die ständigen Dialoge in mir zu besänftigen und um das, was im Tiefsten in mir liegt, nach oben kommen zu lassen. Aber nicht nur das Schreiben, auch das Lesen hilft mir dabei. Ich kann meiner kleinen inneren Welt dabei entkommen und in die Welt und die Gedanken eines anderen Menschen abtauchen, die mein Inneres reicher und echter macht und mich auf eine ganz bestimmte Art zur Ruhe und zum Leuchten bringt.

Das macht das Schreiben mit mir. Und das macht das Lesen guter Bücher mit mir. Und deshalb werde ich, solange ich einen Stift halten kann, weiter schreiben und auch noch mein letztes Geld für Bücher ausgeben. Auch wenn sie gerade SEHR teuer werden! Was mich zum nächsten bringt: 

 

5. Alles im Leben hat seinen Preis. Überleg dir vorher, ob es dir das Wert ist und du ihn bezahlen willst! 
 
Beispielsweise:
Um eine sportliche Figur zu bekommen (und zu behalten!) muß man die meiste Zeit seines Lebens im Fitnessudio zu verbringen.

Um von allen Menschen gemocht zu werden, muss man die meiste Zeit seines Lebens darüber nachdenken, was andere Menschen mögen.

Um einen schönen gepflegten Garten zu haben, muß man viele Stunden im Dreck auf den Knien verbringen.

Um eine ständig saubere minimalistisch perfekte Wohnung zu haben, muß man die meiste Zeit seines Lebens mit putzen verbringen (und:  größere Wohnung = größere Putzfläche!).

 

6. Es gibt wenig Dinge die mir so gut tun, wie einmal am Tag nach draußen zu gehen! 
 
Wenn ich einen Tag lang keine Bäume und Blumen bewundert habe, geht es mir wie  mit einer angebissenen Brezel, die ich irgendwo vergessen habe. Ständig ist dieses Gefühl da: Irgendetwas fehlt doch noch! 
 
 
7. Brezeln: knusprige warme Brezeln muß man immer sofort genießen! 
 
Es gibt wenige Dinge die besser schmecken (auch nicht wenn man sie mit Käse überbacken würde!)


8. Diese eine Sache, die man hofft endlich Mal in den Griff zu bekommen - man bekommt sie nicht in den Griff! Sie ist die Erinnerung, dass wir immer auf Gottes Gnade angewiesen bleiben.
 
Ihr wisst was ich meine... Gnade und Barmherzigkeit verfolgen uns ein Leben lang!


9. Bamherzigkeit: Umso älter man wird, umso mehr benötigt man davon! 
 
Für sein Spiegelbild. Für alles was mehr oder weniger im Leben gelungen ist. Für die Welt. Für Freundschaften und für die Familie!

 

10. Familie: Es gibt keine heilen Familien, weil es keine heilen Menschen gibt! 
 
Lass dich nicht von schönen Fassaden blenden: Hinter JEDER Tür wird gestritten und gekämpft und so viel besser bekommen die anderen ihr Leben auch nicht hin! Wenn es in der Nachbarwohnung sehr ruhig ist, dann weil sie beruhigende Medikamente nehmen oder ihrem Kind unbegrenztes Computerspielen erlauben. Und besonders schwierige Familienmitglieder  (und Nachbarn!) können hervorragend dabei helfen, ein bisschen mehr wie Jesus zu werden (oder sie zeigen dir zumindest, dass du noch weit davon entfernt bist wie Jesus zu sein! ).


11. Gefühle: Wenn du ein Mensch mit großen Gefühlen bist und zu Verzweiflungsanfällen neigst, dann ist das wie mit den stürmischen Wetterfronten: Sie kommen. Früher oder später. Und gehen auch wieder vorbei.

Mit den Jahren lassen die Wetterextreme ein ganz klein wenig nach. Und wenn doch mal wieder ein großes Sturmtief anrückt  lernt man, sein Umfeld - und große Teile seines Herzens! - vorsorglich in Sicherheit zu bringen.


 12. Und letztens: Auch wenn es sich total platt anhört: Das Leben ist ein Geschenk! Ich will dankbar sein für jeden Tag, an dem ich dabei sein darf. 
 
Auch wenn ich mich nicht immer so fühle...Letztlich gilt für jeden Tag der war, und jeden Tag der noch kommt, das worauf Richard Foster in dem wunderbaren Buch "Dass Gott mich wirklich liebt" hinweist: Dass die Bibel voller Geschichten darüber ist wie Gott mit einem bestimmten Menschen war: Er war mit Ismael als er allein in der Wüste war. Er war mit Jakob, der ein Leben lang mit Gott gekämpft hat. Er war mit Mose, dem er eine schwierige Aufgabe übertragen hat. Und Jesus sagte zu seinen Jüngern Ich bin mit euch, an allenTage, bis an das Ende der Welt. Und dann schreibt Richard Foster diesen einfachen und den für mich wahrsten Satz, nach 53 Jahren leben:

Gott ist mit uns. DAS ist das Geheimnis eines gesegneten Lebens.