Mittwoch, 17. Juli 2024

Von der Sorglosigkeit und dem dicken Typen auf meiner Bettkante

So langsam nähern sich nun auch in unserem Bundesland die Sommerferien. In genau einer Woche werden wir uns auf der Autobahn Richtung Frankfurt befinden, kurz vor unserem 11-stündigen Flug nach Mexico. Der liegt im Moment wie ein riesiger Berg vor mir. Bisher hatte ich keine Probleme mit dem Fliegen (also dem Fliegen in einem Flugzeug). Vielleicht geht nun die Flugangst von meinem Mann auf mich über, oder es ist mein Alter, dass mir manche Dinge jetzt schwerer fallen, die ich früher völlig sorglos angepackt habe. Meine letzten Fernreisen habe ich immer voller Vorfreude in Angriff genommen. Die sind allerdings auch schon einige Jahre her (oder eher Jahrzehnte?). Als ich beispielsweise mit der Freundin an der Westküste der USA  entlang gedüst bin und wir einfach ganz spontan geschaut haben, wo wir übernachten können (schön war's, Martina!). Nur eine Unterkunft, auf unserem Zwischenstopp in New York, hatten wir gebucht - mittendrin in Harlem.  Das hat den dicken Ticketverkäufer in der U-Bahn so in Aufregung versetzt, dass er sogar seinen Schalter verlassen hat und zu uns nach draußen kam, um uns mehrfach und eindringlich zu versichern: "You don't want to go to Harlem!" Unser "But yes, we do!" wurde immer zaghafter. Irgendwann gaben wir nach. Die Chance einmal im Leben Spanish-Harlem zu besuchen zog winkend an uns vorbei, während unser letztes Reisegeld in einem völlig überteuerten und hässlichen Hotel im Manhatten liegenblieb. Ich bereue es bis heute. 

Und jetzt hat sich so ein furchteinflössender Ticketverkäufer auf meiner Bettkante breitgemacht und hindert mich seit Tagen am Einschlafen. "You don't want to go to America!", sagt er mir eindringlich. Er ist bestens über meine Reise informiert. Er hat eine ganze Liste mit den Dingen, die schiefgehen können: Die Unterkunft in Mexico-City (mindestens so gefährlich wie Harlem!), das nicht funktionierende Handy, die Schlangen, die schon unter der Bettdecke auf uns warten, nicht zu vergessen die Reifenpanne in der Wüste von Arizona. Ob wir bei den komplizierten Mietwagenverträgen eine Pannenhilfe zum Mietwagen dazugebucht haben weiß ich nicht. Definitiv haben wir aber, aus Spargründen,  kein Navi im Auto. Das wird sich bestimmt als großer Fehler herausstellen, denke ich. Nachts um drei. Der Ticketverkäufer nickt sorgenvoll. Er weiß um die Gefahren. Er erinnert mich an die Bären im Nationalpark, an überbuchte Unterkünfte, an Donald Trump, an den schlecht gelaunten Teenager auf der Autorückbank und an meine Flugangst. Die ich, wie gesagt, bisher noch gar nicht hatte. Nur der Mann, der friedlich neben mir schlummert. Aber der hat ja auch keine Hitzewallungen! Wie werde ich einen 11-stündigen Flug aushalten, ohne die Möglichkeit ein Fenster aufzureissen, frage ich mich?  Wie übersteht man eine Panikattacke über dem Atlantik? " You don't want to go to America!" sagt der dicke Ticketverkäufer meiner schlaflosen Nächte. Und ich stimme ihm zu.

Wenn ich mich dann morgens todmüde im Spiegel anschaue, sage ich mir: "Jetzt stell dich nicht so an! Das wird doch toll! Sei mal dankbar, was du alles erleben wirst! Und was für Geschichten du danach erzählen kannst! (von Panikattacken und Bärenangriffen!). Und  überhaupt: denk mal an die Freundin, die den ganzen Sommer mit ihrem Kindern in einem überfüllten Freibad in Backnang verbringen muss!" Ach könnte ich doch mit ihr tauschen... Ihr merkt: Es klappt noch nicht so gut, mit dem dankbaren Freuen. Aber ich will es so gerne. Weil ich auch weiß, was für ein Vorrecht das ist. Reisen zu können. Wohin man will. Alles Vertraute hinter sich lassen und neue Eindrücke gewinnen. Und spannende Begegnungen erleben. "Das wird schön", sage ich mir. "Bestimmt", sagt der dicke Ticketverkäufer sarkastisch, "vor allem wenn euer Gepäck auf dem Weg nach Asien ist, während ihr in euren verknitterten Reiseklamotten und ohne Zahnbürste zur Hochzeit in Mexico eintrefft." Oh, dieser Typ nervt! Ich muss ihn dringend, dringend in sein Kassenhäuschen zurückschieben. Und stattdessen intensiver in Richtung von meinem wunderbaren Reisegefährten hören. Der bisher auf jeder Strecke dabei war und in jedem Sturm mein Herz beruhigen konnte. Fürchte dich nicht!, sagt er einfach. Ich bin da. Und diese Erinnerung ist alles, was ich brauche. Er ist da. Überm Altlantik. In der Wüste. Im Angesicht von wilden Tieren und wenn wir den Weg verlieren. Er ist in Harlem. Er ist in Mexico-City. Er ist in der Hitze der Wüste und er wartet am Rande des Pazifiks. Und flöge ich hinauf zum Himmel: siehe so bist du auch da! (Ps.139).  Er wird da sein, so wie er schon immer da war. Auf jeder meiner Reisen. Der einzige Unterschied von damals zu heute ist, dass ich seine Hand fester halten werde, weil mir noch mehr bewusst ist, wie sehr ich ihn brauche. Ach und wie schön wird das sein, wenn er mir seine Welt zeigt...

Jetzt schreibe ich meine Packliste. Als erstes steht da: Mut. Und Vertrauen. Und Neugier. Und auch eine Prise Sorglosigkeit. Die hat sich bestimmt noch in dem alten Reiseführer versteckt. Und wenn heute Abend wieder die Stimme aus dem Dunkel kommt "You don`t want to go to America!" dann sage ich strahlend "But yes, I do!" und zeige auf meinen Reisebegleiter. "Na ja, dann ist das was anderes," wird der Miesepeter grummelnd eingestehen und mir das Ticket aushändigen. "Gute Reise!" 

Gute Reise euch allen, wo immer ihr auf dem Weg seid! Gott ist mit uns. Wie gut.

Ich melde mich, falls ich wenn ich wieder zurückkomme! Bis dahin - habt einen guten Sommer! (bzw. ein gutes Leben! Wir wären dann schon mal am Ziel :-)). 



 






Mittwoch, 3. Juli 2024

Ich bin nicht genug

So langsam tauche ich aus meiner "Schreib-Höhle" wieder auf. Ich blinzle ins Tageslicht, wie eine Bärenmutter nach ihrem Winterschlaf und bin erstaunt wie groß unser Nachwuchs geworden ist.  Das Manuskript liegt jetzt in den Händen von meinem Mann, der schaut ob alle Geschichten auch GENAU SO passiert sind. Er ist sehr wahrheitsliebend. Deshalb liest er alle meine Texte, bevor ich sie veröffentliche. "Fast alle  Texte", würde er mich an dieser Stelle korrigieren. Sein Hang zur unbedingten Wahrhaftigkeit kann schon ein bisschen anstrengend sein! Aber er kennt meine Neigung zur Übertreibungen und deshalb bin ich auch dankbar, dass er mir hilft, so ehrlich wie möglich zu schreiben. 

Es ist ein gutes Gefühl wenn so eine intensive Schreibphase abgeschlossen ist. Gleichzeitig bleibt auch immer die Frage, ob es gut genug ist, was ich gegeben habe, oder ob es nicht doch ein bisschen mehr sein müsste (was durchaus der Grund für die eine oder ander Übertreibung sein könnte).  Heute morgen saß ich jedenfalls ganz entspannt auf unserem Sofa und habe versucht in Gottes Richtung zu hören. Das war nicht so einfach, weil sich unter unserem Dach ein Spatzennest befindet und die kleinen Vögel laut und fordernd zwitschern. Zwischendurch hört man Fügelgeflatter und ein Elternteil bringt Futter, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Was aber immer nur ansatzweise gelingt. Ich lausche dem Treiben unterm Dach jetzt schon seit einigen Wochen (es sind also gleich mehrere Nester oder es ist eine Spatzen-Kita). Ich finde es unfassbar wie hungrig diese kleinen Wesen sind! Der Satz:"Ich habe hunger wie ein Spatz" ist ab sofort für mich das Synonym zum Bärenhunger! Das Rufen und Zirpen hört gar nicht mehr auf, selbst wenn die Eltern schon einige Male das Nest angeflogen haben.  Und natürlich sind die kleinen Spatzen auch in meinem Manuskript gelandet (wenn Heio sie nicht rausstreicht, weil es vielleicht keine Spatzen, sondern nur spatzenähnliche Meisen, sind!).

Diese kleinen Vögel (zu welcher Gattung sie auch immer gehören mögen) bringen mich jeden Morgen zum Lächeln. Auch weil sie mich daran erinnern, wie groß und unersättlich der Seelenhunger von uns Menschenkindern ist. Und der Gedanke ich könnte diesen Hunger mit meinen Worten stillen oder in irgendeiner Art und Weise "genug" für andere zu sein kommt der Vorstellung gleich, dass ich die hungrigen Vogelkinder sättigen könnte wenn ich ihnen ein paar gute Worte und vielleicht auch noch unsere Müslipackung zuwerfen würde! 

Eigentlich wollte ich hier einen Text unter dem Motto: 'Ich bin genug' schreiben. Jetzt kommt mir ein ganz anderer, viel schönerer Gedanke: 'Ich bin nicht genug!'   Zumindest ist das, was ich zu geben habe, nicht genug. Nicht genug für die Lesenden, nicht genug für mein Kind, für meinen Mann und meine Freunde. In dieser Hinsicht sind wir völlig ungenügende Wesen füreinander! Und gleichzeitig sind wir völlig ausreichend in unserem Mensch-sein!  Denn genau so hat sich das Gott gedacht. Nicht dass wir uns gegenseitig satt machen müssen, sondern das wir uns miteinander in einem Nest wärmen und uns in unserer ganzen Bedürftigkeit in Gottes Richtung auszustrecken. Ein bisschen Nestwärme - das können wir uns gegenseitig schenken. Mit guten Worten. Mit kleinen Taten der Liebe. Und darin, dass wir einander wahrnehmen und uns nicht gegenseitig aus dem Nest werfen, vor lauter Verlangen gesehen zu werden. In allem anderen sind wir darauf angewiesen, dass Gott vorbeischaut und genug Futter dabei hat.

So sitze ich jeden Morgen am offenen Fenster. Ich sage Gott wie sehr ich ihn brauche. Wie auch seine ganze Welt. Ich gebe denen, die hier mit mir sind, durch mein Dasein ein wenig Wärme und manchmal auch Anlass zu wildem Geschrei. Und nebenher erzähle ich zum Zeitvertreib die eine oder andere Geschichte (ohne zu sehr zu übertreiben). Und vielleicht helfen meine Worte ein wenig dabei, dass wir geduldig bleiben in unserem Hunger, und nicht verzagen,  bis wir die großen Flügelschläge hören. Und dann öffnen wir unseren Mund weit, dass er gefüllt werden kann.


Foto:Canva

  Deine Nähe sättigt den Hunger meiner Seele wie bei einem Festmahl.
(David in Psalm 63,3)

 

Mittwoch, 12. Juni 2024

Bildergeschichte

Gestern habe ich das Mauskript für mein neues Buch ausgedruckt. Das ist immer ein besonderer Moment - wenn die Geschichten, die bisher nur Worte auf dem Bildschirm waren, ganz anfassbar warm und schwer in meinen Händen liegen. Ein kleiner Feiermoment, in dem ich einfach nur dankbar bin, dass ich so etwas wunderbares als meine Arbeit bezeichnen darf: Geschichten erzählen! 


Die nächsten Wochen werde ich nun mit dem Stift in der Hand ganz vieles streichen und neu schreiben und Kommas nach Lust und Laune über die Seiten verteilen (mach dich schon mal auf ne Menge Arbeit gefasst, liebe Sigi!:-)). Aber vorher will ich hier noch ein paar Worte schreiben. Meine kleine Blogecke, die im Moment ein bisschen vernachlässigt wird, für die ich aber auch so dankbar bin. Also vor allem für euch - die ihr euch immer wieder die Zeit nehmt, hier vorbeizuschauen! Und weil ich gerade so viele Worte mache, möchte ich euch ein paar Bilder schicken, die euch einen kleinen Einblick in mein Leben geben:

In den Pfingstferien haben wir in meiner Schwarzwaldheimat vorbeigeschaut. Wir waren auf dem tollen Barfußpfad in Hallwangen, bei Tante Inges Minigolfplatz (Gruß an alle Joyce- Leserinnen!) und ich habe von weitem einen etwas wehmütigen Blick auf mein Elternhaus geworfen. Das Leben ist ein Fluss - es fließt weiter und nie wird es mehr so sein wie es heute ist. Umsomehr will ich die guten Momente dankbar wahrnehmen (auch weil es daneben immer wieder wilden Stromschnellen gibt - der Ablösungsprozeß des Teenagers kommt gerade so richtig in Fahrt!). Apropos Fluss: ich hoffe ihr seid alle gut durch die regenreiche Tage hier im Süden gekommen?!


Bei uns schüttete der Himmel an einem Nachmittag die Regentropfen wie kleine Diamanten vom Himmel. Der Bach verwechselte daraufhin kurz mal die Straßenkreuzung mit seinem Flussbett, ansonsten sind wir (im Vergleich zu manchen Nachbarorten) glimpflich davongekommen. 

Wie sehr spürt man in solchen Tagen, welche Gewalt die Natur hat. Was mich aber bei allem immer berührt sind die Bilder und Berichte von Menschen die zusammenhelfen. Nachbarn, die gemeinsam Keller leerschaufeln. Feuerwehrmänner, die bis zur Erschöpfung für andere im Einsatz sind. Firmenmitarbeiter, die spontan Suppenküchen organisieren... Heute schickte eine Freundin auf ihrem Status die Nachricht, dass sich Lehrer nachmittags zur Verfügung stellen, um den Kinder, die durch ihre Mithilfe bei der Überschwemmung einiges an Unterricht und Klassenarbeiten versäumt haben, ihre Unterstützung anzubieten. Look for the helpers!  Wie ermutigend ist das, wenn wir Menschen in solchen Zeiten zu wahren Mitmenschen werden! 

Liebe ist niemals abstrakt, Liebe hat Arme!, schreibt Wendell Berry. Wie sehr brauchen wir so eine anfassbare Liebe in den Zeiten, in denen uns das Wasser (fast) bis zum Hals steht!

 

So eine anfassbare Liebe erlebe ich auch immer wieder in meiner kleinen Jesus-Familie.    Wie in den letzten Jahren waren wir wieder auf Gemeindefreizeit in der Friedensherrberge in Ittlingen. Ich bin so dankbar für meine Weggefährten! Für diejenigen, mit denen ich schon ein halbes Leben zusammen bin und für diejenigen, die jedes Jahr neu dazustoßen. Gemeinde ist oft auch anstrengend und es gibt wirklich zähe Wegstrecken. Aber dann gibt es die gemeinsamen Höhepunkte, wenn wir uns am Gipfelkreuz versammeln und dankbar auf die Wegstrecke zurückschauen, die wir zusammen bewältigt haben und unzählige Chipstüten aufreißen und lachen und feiern und gemeinsam dem treuen Gott unseren Dank bringen.

 

Und dazwischen bin ich auch ganz viel alleine unterwegs. Ich genieße diese Jahrezeit in der alles aufwächst (ok, das Unkraut im Garten könnte sich etwas zurückhalten!) und ich mit den schönsten Blumensträuen nach Hause komme.  

 


 

Und abends warten gute Bücher auf meinem Nachttisch...

 

 

Und dieses Andachtsbuch von Tomas Sjödin liegt auf unserem Frühstückstisch. Endlich haben wir etwas gefunden, das wir in müden Zustand lesen können und auch für unseren 13-Jährigen passt. (und dass die Bibeltexte in der Message-Übersetzung geschrieben sind, freut mich ganz besonders!)

 

Und dann ist da noch ein kleiner Bücherstapel, der uns auf eine Reise vorbereitet, die bald ansteht. In diesem Jahr ist es nicht Holland und auch nicht das Allgäu, sondern wir reisen um die halbe Welt! Weil dort eine Hochzeit gefeiert wird, zu der wir eingeladen sind (mein Lieblingsneffe und Patensohn zieht nach Mexiko!). Ich bin noch etwas überfordert, während wir leicht hektisch Reisepässe, internationale Führerscheine und Unterkünfte organisieren und hoffen, dass das Geld und die Kraft  reichen wird und wir nicht schon am ersten Tag ausgeraubt werden oder mit Schlangenbissen im Krankenhaus landen. Ich lerne Spanisch auf Duolingo und kann schon so hilfreiche Dinge sagen wie: Heute ist nicht mein Tag und: Jesus rennt über das Wasser. Aber neben allen Befürchtungen steigt auch langsam die Vorfreude auf dieses unerwartete Abenteuer... 


 

Und endlich haben wir die kleine Tanne, die wir nun vor fast 15 Jahren auf dem Standesamt in meinem Heimatort bekommen haben, in die Erde gepflanzt. Viel zu lange war sie eine Topfpflanze! Endlich konnte ich Heio dazu überreden, dass wir sie einpflanzen. Wir haben extra ein bisschen Schwarzwalderde für sie mitgebracht. Jetzt kann sie sich hier verwurzeln und wenn wir doch noch umziehen in den nächsten Jahren, werden andere Menschen sich an ihr freuen können.


 

Das Leben ist im Fluß. Bestimmt auch bei euch. Wer weiß schon was morgen sein wird. Aber heute sind wir miteinander hier. Und egal wo wir unterwegs sind: Gott ist mit uns. Oft auch mit ganz anfassbarer Liebe (look for the helper). 

Jetzt greife ich zum Manuskript und arbeite weiter.  Mit diesem hoffnungsvollen Zitat im Kopf, aus dem schönen Buch von Sarah Brendel:

Eines Tages werde ich die richtigen Worte finden, und sie werden sehr einfach sein.  

(Jack Kerouac)


 

Mittwoch, 29. Mai 2024

Freude veröffentlichen

Am Sonntag war ich auf einem Geburtstag von einer Weggefährtin aus unserer Gemeinde. Sie hatte mich im Vorfeld angefragt ob ich Fotos vom Fest und den Gästen machen könnte. Ich hoffe dann immer, dass die Belichtung vor Ort passt und dass die Leute sich auch gerne fotografieren lassen, damit es schöne Erinnerungsfotos gibt. Als ich dann im Nachhinein die Fotos von der Speicherkarte auf dem Computer geladen habe, war ich richtig froh über die Bilder. Was für wunderschöne, kostbare Menschen, dachte ich immer wieder beim Betrachten! Und ich glaube ich weiß auch, warum mir auf diesem Fest die Fotos so gut gelungen sind: Das Geburtstagskind hat mir eine wunderbare Gelegenheit dafür geschenkt!  Sie hat als Programmpunkt kleine Herzen an ihre Gäste verteilt und dazu jeweils ein paar wertschätzende Worte gesagt, warum sie sich über diesen Menschen freut. Ganz öffentlich. Vor allen anderen. Und ich musste nur die Kamera darauf halten und den Moment einfangen, in dem das Gesicht von der Besorgnis (wird sie etwas Gutes an mir finden?) zur Freude überging und die Worte im Herz ankamen.

Passenderweise habe ich heute folgendes gelesen: 

Einige von uns gehen durchs Leben ohne die Erfahrung zu machen, dass jemand wirklich und wahrhaftig Freude an uns hat....Aber ich denke wir sind dazu erschaffen, dass jemand zutiefst beglückt über unser Dasein ist.  (Cole Arthur Riley)

Was für ein schöner Gedanke, dass einfach nur mein pures Dasein jemand so richtig froh machen könnte! Aber es fällt mir ehrlich gesagt auch schwer so einer Freude zu glauben. VIelleicht weil ich mein eigenes Dunkel zu gut kenne und ich mich frage ob der  Andere auch dann noch seine Freude an mir hätte, wenn ich ihm morgens mit schlapprigem Schlafanzug und verquollenen Augen schlecht gelaunt am Frühstückstisch gegenübersitzen und nörgelige Kommentare von mir geben würde?  Was fast alle Eltern mit quengelndem Baby am Tisch fröhlich bejahen würden! JA!!! Wir sind verliebt in dieses Kind, das uns den Schlaf raubt und uns so viel Arbeit macht - aber auch so viel Freude!!! (zugegeben: in der Pubertät sieht das ein wenig anders aus- da muß man manchmal ein bisschen länger suchen, aber aus irgendeiner Ecke kann man doch die Freude ziehen, die mit schiefem Grinsen ein Herz überreichen kann;-)).

Neulich habe ich in einer Predigt den Satz gehört:

Es gibt mich, weil Gott jemand zum Lieben haben wollte.
Was für ein unfassbar schöner Gedanke: Gott hat mich nicht erschaffen damit er einen Diener hat (dafür hat er genügend Engel), sondern weil er jemand wollte, an dem er seine Freude haben kann. Und das nicht  weil mein Verhalten so perfekt wäre, sondern weil seine Liebe so perfekt ist! Deshalb schreibt der Prophet Zefanja:
 Der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der rettet; er freut sich über dich in Fröhlichkeit, er schweigt in seiner Liebe, er jauchzt über dich mit Jubel!

Und gerade meine angefressene Seelenlage ist ein wunderbare Landeplatz für diese Liebe Gottes. Das erlebe ich immer wieder. Wenn ich, so wie heute morgen,  müde ankomme und meine, dass Gott bestimmt seufzend denkt : "Oh weh, da kommt sie schon wieder!" und stattdessen werde ich mit einem freudigen: "Da bist du ja!" begrüßt. Gott ist tatsächlich zutiefst beglückt über unser Dasein! Wow. Dass wir so geliebt sind! An jedem unserer Tage!

Und gerade weil das oft so schwer ist, so einer gewaltigen Liebe zu glauben hilft es, wenn wir ab und zu die Stimme eines anderen Menschen dazu hören. Und es kann auch richtig gut tun, wenn das ganz öffentlich - vor vielen anderen - über uns ausgesprochen wird. Als Einladung zum Mitfreuen! Und in dem bestätigenden Nicken der Anderen und an ihrem Strahlen können wir etwas davon entdecken, dass wir wirklich und tatsächlich geliebte Kinder sind, an denen Gott seine Freude hat.

Und umso mehr von dieser Liebe in unserem Herz ankommt, umso schöner werden wir. 

 



Mittwoch, 15. Mai 2024

12 points for Schalom

Ende letzter Woche habe ich auf meinen Beitrag  "I stand with Israel"(Oktober im vergangenen Jahr)  einen Kommentar bekommen.  Beim Beantworten habe ich gemerkt, dass mich das Thema immer noch so beschäftigt - ganz aktuell durch die unsäglichen Ereignisse um den ESC. Deshalb habe ich mich entschieden aus meiner Antwort einen Blogpost zu machen. Auch wenn ich hier am liebsten ermutigende Beiträge schreibe. Heute ist das mal ein schwerer Brocken. Aber es scheint mir wichtig zu sein. Von daher schonmal: Danke fürs Lesen und für das gemeinsame Ringen in all dem.

Hier der Kommentar:

Als Person mit (weit entfernten) jüdischen Wurzeln bin ich ganz klar gegen Antisemitismus, gegen Hass & Hetze, gegen Terror. Ich bin aber nicht nur gegen... Sondern auch für... Für Frieden, für Versöhnung, für ein Miteinander, für ein Nebeneinander und für noch ganz vieles mehr!
Die Geschichte ist komplex. Auf der anderen Seite gibt es auch fünf jährige Mädchen... verwaist, verletzt, am verhungern, voller Angst, auf der Flucht... Hinter einer bestimmten Volkszugehörigkeit, hinter einem bestimmten Glaube steckt immer eine persönliche Geschichte und ein Gesicht. Wie kann ich bei so viel Tragik (auf beiden Seiten!) Partei ergreiffen? 

 

Liebe Leserin! (oder lieber Leser :-)) 

VIelen Dank für deine Anmerkung. Und noch mehr: Von Herzen DANKE für freundliche Worte! - die sind gerade so selten, wenn man in dieser Sache nicht ganz einer Meinung ist. Ja, die Geschichte ist wirklich komplex, da stimme ich dir aus vollem Herzen zu. Vielleicht ist es das erste Eingeständis was wir machen sollten. Die Anerkennung, dass es schwierig ist und, dass es keine einfachen Lösungen gibt.  Ein bisschen wie bei einem langen Familienstreit, der sich über Generationen zieht, bei dem Außenstehenden vieles einfach nicht verstehen können. Meiner Meinung nach sollten wir diese Demut haben, wenn es um den Nahostkonflikt geht.

Von daher will ich auch nicht wie jemand erscheinen, der den klaren Durchblick hat. Was ich sehe ist dasselbe wie du: Auf beiden Seiten leiden die Menschen!  Da ist das Leid der Angehörigen der ermordeten Frauen, Männern und Kindern des Massakers vom  7.Oktober, das Leid der entführten Geiseln, das Leid der Angehörigen der getöteten jungen israelischen Soldaten. Und da ist das Leid auf der anderen Seite des Grenzzauns: Das schreckliche Leiden der palästinensischen Bevölkerung, von Frauen, Männern und Kindern, die von einem Winkel des Gazastreifens in den anderen flüchten muss  - weil eine Terrororganisation sie als Schutzschilder bei den israelischen Angriffen benutzt, hinter der sie sich in ihren unterirdischen Gängen versteckt. Und jedes getötete Kind, das dabei umkommt und in die Kamera gehalten wird, ist ihr dazu dienlich, um den Judenhass weiter zu schüren (gerade auch bei ihrer eigenen Bevölkerung!) und ihr Ziel zu erreichen: Die Zerschlagung des Staates Israels. (nachzulesen in der Charta der Hamas,auf Wikipedia oder auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung). Ja, hinter allem steckt eine Geschichte. Aber dieser Hass auf ein Volk, der Hamaskämpfer dazu bringt Familien in ihren Betten zu erschießen, Kindern die Köpfe abzuschneiden, junge Menschen wie Tiere über ein Festivalgelände zu jagen und Geiseln zu verschleppen und zu misshandeln (was dann schockierenderweise auf den Straßen in Gaza - und auch bei manchen im unserem Land - gefeiert wird und Süßigkeiten an Kinder verteilt werden!)- alles das kann und will ich mir mit keiner noch so schlimmen persönlichen Geschichte erklären.

Und die traurige Frage ist: wie kann es ein Miteinander geben, solange dieser Hass besteht?

Ich glaube auch, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten vor allem das will, was du geschrieben hast: Frieden. Und ganz bestimmt macht Israel nicht alles richtig!! (so wie auch Deutschland beispielsweise nicht alles richtig macht! Eigentlich logisch, aber bei Israel muss man das immer dazu sagen. Es gibt Dinge, die laufen wirklich nicht gut. Und die meisten Israelis würden das sofort einräumen!). Und ich bete für die Menschen in Gaza ebenso wie ich für die Menschen in Israel bete.  Aber gerade weil ich sehe, wie der Antisemitismus durch diesen Konflikt wieder aufblüht, in der linken Szene und mit wütenden anti-israelischen Demos an Universitäten und mit einem ungezügelten Hass auf einem Songcontest -  gerade weil ich es erlebe, wie viel Hass in diesen Tagen eine Israelflagge auf unseren Straßen in Deutschland auslöst und weil solche Berichte sich gerade immer mehr häufen -   gerade deshalb komme ich für mich zu dem Entschluss,dass es wichtig ist Partei zu ergreifen. So wie das damals auch wichtig war.

Es hat mich so berührt was die 102 Jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beim deutschen Filmpreis sagte:

Als ich vor 14 Jahren hierher zurückgekommen bin, hätte ich es mir nicht  träumen lassen was jetzt in der Öffentlichkeit los ist. So hat es damals auch angefangen. Nie wieder darf so etwas geschehen... In diesem Raum sitzen viele Geschichtenerzähler, ihr habt die Verantwortung die Kraft des Films. Ich bitte euch mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. So etwas darf nie, nie wieder geschehen, ich bitte euch seid Menschen!

VIelleicht können wir uns darauf einigen: Wir wollen Menschen sein. Jeglichem Hass entgegentreten. Und die Geschichten so wahr wie es uns möglich ist erzählen. 

Das hier ist mein Versuch. 

Schalom. 

Christina 



Dienstag, 30. April 2024

Was ich habe

Ende April sind immer unsere Feier-Tage. Zuerst wird  der Sohn ein Jahr älter (jetzt haben wir einen Teenager im Haus!) und kurz danach die Mutter. Wir breiten die weiße Decke über den Tisch, zünden die Kerzen an und feiern. Das heißt: ich versuche zu feiern und mich nicht zu ärgern, dass gleich nach dem Kerzen ausblasen ein Glas Orangensaft über die Tischdecke gegossen wurde (trotz - oder vielleicht gerade wegen! - der mehrfachen Ermahnung, die Decke wenigstens bis zum Kaffeetrinken sauber zu halten). So ist es - das unperfekte Leben. Die Freude und der Ärger, die Dankbarkeit und der Unmut - alle wohnen ziemlich dicht zusammen. Zumindest in unserem Haus. 

In diesem Jahr hatte ich an meinem Geburtstag eine Musiklesung, mit meiner wunderbaren Weggefährtin Christina. Ihr Geschenk ist eine tolle Erinnerung an mein Jahreswort und daran, mich nicht zu sehr an saubere Tischdecken zu klammern ;-).


Bei der Lesung bin ich dann ziemlich oft über meine eigenen Worte gestolpert. Und mittendrin, beim Erzählen meiner Geschichte, überfiel mich das bange Gefühl, dass es doch zu wenig ist, was ich habe. Immer wieder kämpfe ich damit. Und immer wieder mache ich dann meinen Frieden damit. Letztlich ist es einfach das, was ich zu geben habe. Meine Geschichte. Das was ich zum Gespräch beitragen kann. 

Neben mir, auf dem Schreibtisch, liegt ein wunderschöner Kunstdruck von Scott Erickson, den ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Erst beim genaueren Hinschauen habe ich entdeckt was darauf abgebildet ist: Ein Schiffbruch. Durch ihn ist eine Insel entstanden, auf die ein Leuchtturm gestellt wurde. Dieses Bild berührt mich sehr. 

 

Heute habe ich die Skizze in dem Buch von Scott Erickson gesucht und gefunden. Der Satz den er dazugeschrieben hat ist folgender: 

May even my grief and brokenness become, in some way, 

a gift to the world around me. 

May my whole life be an offering. 

 

Möge selbst mein Schmerz und meine Zerbrochenheit

ein Geschenk für diese Welt sein.

Möge mein ganzes Leben eine Gabe sein.

 

Das BIld und diese Worte machen mir Mut. Ich will weiter einfach das geben, was ich habe. Auch im neuen Lebensjahr. 

Möge mein ganzes Leben eine Gabe sein. 






Freitag, 12. April 2024

Mein Hoffnungsbaum

Seid ihr auch gerade am Staunen über den Frühling? So sehr wie ich den Herbst liebe - auf eine melancholisch glückliche Art - der Frühling ist so voller Hoffnung auf Leben und trotziger Neuanfänge. Er bringt die Farben nach dem dunklen Winter, das Brummen der dicken Hummeln, die warmen Sonnenstrahlen und den herrlichen Duft vom ersten frischgemähten Gras.

Bei aller Schönheit an unserem Ort gibt es einen Baum über den ich jedes Jahr wieder neu staune. Es ist ein kleiner Apfelbaum, der ziemlich unauffällig am Wegrand steht.


 Erst wenn man näher hinschaut entdeckt man, dass er etwas ganz besonderes ist:

 

Sein Inneres ist fast völlig ausgehöhlt! Jedes Jahr stehe ich mit Heio staunend vor diesem Baum und kann nicht fassen, dass er wieder in voller Blüte steht. Und in jedem (!) Herbst hängen viele kleine Äpfel an ihm. Leider werden sie nicht geerntet, aber ich nehme sie ab und zu beim Vorbeilaufen mit, nachdem sie ins Gras gefallen sind. Und in diesem Herbst möchte ich endlich Apfelmus daraus machen und es an Menschen verteilen, die Hoffnung für ihr Leben nötig haben. Aufs Glas werde ich ein Foto vom Baum kleben und ich wünsche mir, dass dieser trotzige kleine Apfelbaum dem anderen auch so viel Hoffnung macht wie mir.  Jedes Mal wenn ich müde und erschöpft an ihm vorbeikomme, muß ich bei seinem Anblick lächeln!  Er sagt mir:  Egal in welchen Zustand du bist, egal wie ausgehöhlt und müde sich dein Inneres gerade anfühlt - du wirst trotzdem weiter Jahr für Jahr blühen und zur bestimmten Zeit deine Früchte tragen. 

Der Baum flüstert mir auch zu, dass wir an den Früchten aus dem Leben von alten, tapferen Menschen besser nicht achtlos vorbeigehen sollten. Vielleicht ist das eine Sache, die mit der modernen Technik gekommen ist: Wo alte Menschen früher um Rat gefragt wurden und ihre Lebenserfahrung geehrt wurde, fühlen sich heute viele von ihnen einfach nur abgehängt und als Last für die Jüngeren. Wir befragen lieber schnell Google und Co. anstatt bei ihnen anzurufen oder ihnen bei einer Tasse Kaffee eine Weile zuzuhören. Aber mein bestes Apfelkucherezept habe ich nicht aus dem Internet, sondern von meiner Mutter bekommen! Heute wünschte ich, dass ich mehr nachgefragt hätte und hingehört - bei meiner Mutter, meinem Vater und bei meiner Oma. Deshalb freue ich mich umso mehr über die (leider nicht sehr häufige) Begegnungen mit alten Menschen, die mir in so vielem voraus sind.  Ihre Geschichten und die Früchte ihres Lebens, geben mir Hoffnung. 

Und der Baum erinnert mich an das, was der Pastor Rick Warren in einer sehr schmerzhaften Zeit sagte, nachdem sein jüngster Sohn sich nach einer langen seelischen Erkankung das Leben genommen hat (etwas vom schlimmsten was man sich als Eltern nur vorstellen kann). In einem Interview erzählt er, dass er damals diesen Satz, mit Blick auf das Leben seines Sohnes, in sein Tagebuch geschrieben hat:  

In God's garden of grace, even broken trees bear fruit. 

(In Gottes Garten der Gnade tragen sogar zerbrochenen Bäume Früchte).

Und er fügt hinzu: 

And we are all broken. God only uses broken people.  

(Und wir sind alle zerbrochen. Gott verwendet nur gebrochene Menschen.)


DAS erfüllt mich mit großer Hoffnung. Für mich. Für meine Familie. Für meine Freunde. Für meine Gemeinde. Für unser ganze Welt.

 


Mittwoch, 3. April 2024

Zurück nach Hause

Ich hoffe ihr hattet gute Feiertage! Bei uns war es ziemlich trubelig - nicht mal ein Ostergruß hat es in diesem Jahr auf den Blog geschafft! Langsam kehrt wieder Alltag ein. Wäsche waschen, Kind am Bahnhof verabschiedet (er darf noch zwei Tage mit der Tante nach Freiburg) und dort weiterschreiben, wo ich vor Ostern aufgehört habe. 

Davor habe ich nochmal in der Ostergeschichte gelesen, wie Petrus und Johannes zum Grabe gelaufen sind, wie sie es leer vorfanden und: 

dann gingen sie nach Hause zurück. (Johannes20,10).
Über diesen Satz bin ich heute morgen gestolpert. Er ist so profan, mitten in dieser aufregenden Geschichte.  Nach dem Schrecken und dem Schmerz von Gethsemane und Golgatha, nach dem Wettlauf zum Grab und dem fehlenden Leichnam, innerlich wahrscheinlich noch ganz hin und hergerissen zwischen Glaube und Verzagtheit, gingen sie einfach nach Hause zurück. Ob Johannes dort erstmal eine Ladung Wäsche bei Maria abgegeben hat? Ob er gemeinsam mit Petrus die Emmausjünger  nach Hause verabschiedet hat, um dann an seinem Bericht über die vergangene Tage weiterzuschreiben? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: nach den vielen aufregenden Tagen, gingen die Jünger einfach zurück nach Hause, wo auch immer dieser Ort für sie in Jerusalem war. 

Das erinnert mich an die Geschichte von Herr der Ringe. In der Fastenzeit haben Heio und ich es endlich geschafft alle Folgen anzuschauen; mit über 20 Jahren Verspätung! (Erstaunlich wie viel Zeit man plötzlich hat, wenn keine WhatsApp-Nachrichten zu beantworten sind ;-)). Ich fand den Film toll - wenn auch viele Abschnitte ziemlich schrecklich waren. Andere waren dafür ganz wunderbar. Langsam verstehe ich, dass es beides braucht, wenn es eine gute Geschichte sein soll.  Aber das Ende - ach, das war richtig gut! Und das ist schließlich das Wichtigste, finde ich. Nur der Abschied von den zwei besten Freunden Frodo und Sam war tränenreich. Frodo, dessen Wunde nicht mehr verheilen konnte, durfte mit dem weisen Gandalf in den Sonnenuntergang segeln, während sein Freund zurückblieb. Die Abschiedsworte von Frodo haben bei mir die Tränen fließen lassen. Er antwortete auf Sams Bitte, ob er nicht auch mitkommen könnte:

"Nein, Sam. Jedenfalls jetzt noch nicht. Sei nicht traurig! Du kannst nicht ewig entzweigerissen sein. Du wirst noch viele Jahre lang heil und ganz bleiben müssen. Du hast noch so viel Freude vor dir, du bist und tust noch so vieles!"

Und er drückt ihm das Buch seiner Abenteuer in die Hand mit den Worten: 

"Die letzten Seiten sind für dich!"  

Und dann ging auch Sam zurück nach Hause. Dort setzt er sich an den Tisch und sagt einfach

So, da bin ich wieder. 

So endet diese große Geschichte. Und sie endet eben doch nicht. Weil Sam noch einige Seiten vor sich hat. Für ihn beginnt ein neues Kapitel mit den schlichten Worten: "So, da bin ich wieder."

Vielleicht geht es euch ähnlich wie mir und ihr seid auch manchmal ganz entzweigerissen, zwischen all dem wovon wir Abschied nehmen mussten und dem was uns noch anvertraut ist. Und wir kehren zurück in unseren gewöhnlichen Alltag, hin und her gerissen zwischen Glauben und Verzagtheit und der Hoffnung im Herz, dass am Ende doch  alles gut werden möge. Und alles was wir heute tun können ist die Dinge in die Hand nehmen, die Zuhause liegengeblieben sind, mit den Worten: "So, da bin ich wieder."

Wie es für Sam weiterging weiß ich nicht. Aber die Jünger hatten definitiv noch einiges an Freude vor sich. Und einiges was sie auf dem Weg heil und ganz machen würde.  Diese Oster-Hoffnung will ich mitnehmen. Und wenn du sie auch brauchen kannst, dann drücke ich sie dir hiermit in die Hände: 

Du hast noch viel Freude vor dir. Du bist und tust noch so vieles!

Die Geschichte ist noch nicht vorbei. 

 


 

Donnerstag, 14. März 2024

kleine Aufmerksamkeiten

Wir sind immer noch mitten in der Fastenzeit. Ich nutze die Vormittage zum Schreiben. Aus der Buchidee in meinem Kopf werden Gedanken und Geschichten, die sich langsam auf dem Bildschirm aneinanderreihen. Manchmal stockt es auch und ich fürchte, dass mir die Worte ausgehen. Dann laufe ich spazieren, koche Essen, beseitige das Chaos im Haus und Garten (zumindest teilweise:-)) und tue so als wäre mir das Schreiben völlig egal. Aber ich bleibe aufmerksam. Und nach einiger Zeit lassen sich ein paar gute Gedanken in der Nähe nieder, wie scheue Kaninchen, die man mir etwas Geduld im richtigen Moment am Fell packen kann. Dann zappelt es wieder in meinen Gehirnwindungen und ich schreibe glücklich weiter.

Mein Handy bleibt erstaunlich ruhig - dank der gelöschten WhatsApp. Es tut mir gut, nicht ständig danach zu greifen (an manchen Tagen vergesse ich es fast ganz). Anstatt kurze Nachrichten und Kommentare hin und her zu schicken haben andere Dinge Platz. Ich rufe abends eine Freundin an, oder ich schreibe ganz old-school einen Brief oder eine Geburtstagskarte. Und ich habe auch schon zwei Briefe bekommen. Ich LIEBE es Post zu bekommen!  War für eine Wertschätzung, dass da jemand für mich Worte formuliert und mit Porto versehen zur Post getragen hat! Außerdem habe ich mehr Zeit mich ausgiebig mit Heio zu streiten und mich mit meinem Kind auseinanderzusetzen.

Ich lerne ein wenig mehr da zu sein. In meinem so ganz gewöhnlichen und kleinen Leben. Und dabei auch die schwierigen Gefühle auszuhalten. Wie Einsamkeit oder Leere. Mir hilft der Gedanke, dass sie ebenso zu unserem Menschsein dazu gehören wie Freude und Glück.

Gestern sagte mir eine Freundin, der es gerade nicht so gut geht, dass sie dankbar dafür ist, dass wir im Kirchenjahr 40 Tage für die Trauer und das Klagen haben. Das sind gleich mehrere Wochen und nicht nur ein paar Tage, nach denen wir uns bitteschön auch wieder zusammenreißen sollten. Es ist ein Weg, den wir gehen. Wir nehmen die Menschen die neben uns sind an der Hand. Wir machen kleine Schritte. Wir treiben niemanden an. Wir sind gemeinsam unterwegs. Wir lassen kleine Aufmerksamkeiten und gute Worte fallen, wie Samen auf dunklen Boden. Wir stecken uns gegenseitig kleine Mutmach-Zettel in die Taschen. Vielleicht für heute dieser Satz, von dem fleissigen Briefeschreiber Henri Nouwen:

Behalte in dir einen Raum, in dem Gott etwas völlig neues tun kann.






Dienstag, 27. Februar 2024

Ein Wort zum Untertauchen

Auch wenn es etwas verspätet ist: ich will gerne noch mein Jahreswort mit euch teilen. Es hat mich schon im letzten Jahr gefunden und ich wusste sofort: Das nehme ich mit ins Jahr 2024! Es ist das englische Wort (das im deutschen nur umschrieben werden kann) Yield.  

Man kann es mit sich hingeben, sich ganz überlassen oder: sich jemand übergeben übersetzen. 
Vorrausetzung dafür ist das Loslassen. Kontrolle abgeben. Anerkennen wie wenig wir letztlich im Griff haben (neulich habe ich gelesen, dass wir höchstens 15% unseres Lebens beeinflussen können, was wirklich nicht viel ist und eine gute Erinnerung für uns Menschen, die denken alles liegt in unserer Hand!). 
Interessanterweise fängt das geistliche Leben für viele mit einem Übergabegebet an. Oder auch mit dem Eintauchen bei der Taufe.  In dem Zusammenhang muss ich an eine Legende über die Kreuzritter denken: Man sagte, dass sie bei ihrer Taufe ihr Schwert aus dem Wasser streckten, um zu zeigen: Gott, ich gebe dir alles, aber DAS NICHT! Nicht das Kämpfen und den Ruhm der Erfolge.  YIELD beschreibt dagegen einen Menschen, der sich ganz eintauchen lässt, der sich hingibt, ohne Vorbehalte. 

Mich hat das Bild sehr angesprochen. Und ich hab mich gefragt was ich denn so "aus dem Wasser halte". Was ist meine Sache, bei der ich sage: Jesus, alles - bloß das nicht!

Da ist mein Harmoniebedürfnis. Und ich merke immer mehr: Ich will den Gedanken loslassen, dass ich äußeren Frieden brauche, um inneren Frieden zu haben! Ich lerne das durch die Menschen, die sich meinen "Beschwichtigungsversuchen" (meine Art Kontrolle zu übernehmen) völlig entziehen. Ein schwieriger Mensch in der Familie oder Nachbarschaft könnte sich dabei durchaus als hilfreich erweisen;-)

Und ich bin gerade auch wirklich herausgefordert mit meinem Älterwerden. Etwas was ich auch nicht kontrollieren kann, sondern annehmen muss. Wie wir alle. Nur bin ich meinem Freundeskreis hier weit voraus (die meisten liegen abgeschlagen mindestens 10 Jahre zurück!). Im Moment habe ich den Eindruck, dass mich jeden Morgen mein Spiegelbild mit neuen Tatsachen konfrontiert, die ich nur schwer annehmen kann (seit wann habe ich denn dieses schlaff hängende Kinn? Verwandle ich mich nun in einen Truthahn? Oh Jesus, hilft mir!). 

Ich ahne, dass mein Jahreswort eine ziemliche Herausforderung für mich wird. Manches könnte schmerzhaft werden, aber am Ende hat es auch etwas sehr Befreiendes, wenn  ich mich einfach ganz in Gottes Liebe eintauchen lasse, ohne an irgendeiner Sache krampfhaft festzuhalten. Mich dem Gott anvertrauen, der es so gut mit mir meint. Loslassen was ich sowieso nicht kontrollieren kann. Die Harmonie sausen lassen. Meinen Blick heilen lassen. Und immer wieder aufs Neue Frieden in Gottes Nähe finden.




so be it.

Donnerstag, 15. Februar 2024

Fastenzeit

Gestern hat die Fastenzeit begonnen. Auch Passionszeit genannt. Meine Weggefährtin Anne hat in ihrem neuen Blogeintrag so gut darüber geschrieben:

Was ich an der Fastenzeit liebe, ist dass sie mitten im grau trüben Februar und März mein Herz auf Ostern vorbereitet. Ich leere meine Hand und strecke sie Jesus hin, damit er sie füllt. 

Das will ich auch: meine Hände Jesus hinstrecken. Und ich will auch das Fasten versuchen. In diesem Jahr lösche ich mal mutig meinen WhatsApp-Account für 40 Tage und versuche auf den Kaffee am Morgen zu verzichten. Beides wird mir gleich schwer fallen. Als ich heute morgen mit schmerzendem Kopf vor meiner Tasse Tee saß und keine ermutigende WhatsApp-Nachricht auf mich wartete hatte ich das dumpfe Gefühl, dass ich mich vom Leben abgeschnitten habe. 40 lange Tage! (meinem inneren Mathe-Genie wurde erst jetzt klar, dass das ja länger als 4 Wochen ist!). Wozu das alles?, frage ich mich.  Damit du in Freiheit leben kannst, flüstert es in mir. Und damit du erkennst, was wirklich nötig ist im Leben. Es ist nicht Coffee&Jesus (und hoffentlich auch nicht Kopfweh&Jesus!) - es ist Jesus. Es ist nicht connecten und Daumen hoch und Herzchen verteilen - es ist Beziehung. Lieben lernen was ich in Armeslänge habe. Und es sind nicht die bearbeiteten Bilder auf dem Display sondern der kommende Frühling vor meiner Haustüre, den ich nicht verpassen will. Das ganze Leben, das sich in den nächsten Wochen wieder ausbreiten wird, wo jetzt noch alles traurig und trist ist. Und am Ende der 40 Tage wartet das Osterfrühstück mit einer großen Schale Kaffee. Und dem Jubelruf: Jesus ist auferstanden! (das wird dann gleich mein neues Status-Foto :-)). Aber davor 40 Tage. Für die ich Gottes Gnade brauche...

Ich weiß nicht ob du auch auf etwas bewusst verzichtest oder ob du schon mit einem Verlust in der Passionszeit ankommst. Mit einer Leerstelle wo eigentlich Leben sein sollte.  Oder vielleicht fällt dir etwas richtig schwer im Blick auf die nächsten Wochen und du sorgst dich ob die Kraft dafür reicht. Vielleicht hast du einfach Sehnsucht nach der nächsten Jahreszeit, dass Leben aufbricht, wo im Moment alles traurig und trist ist.

Dann lass uns zusammen gehen. Gemeinsam mit Jesus. Der seinen schweren Weg nach Jerusalem antrat. Damit Frühling wird.





Dienstag, 30. Januar 2024

Von ChatGPT und anderen Abkürzungen

Ich schreibe wieder! Nicht nur hier auf dem Blog sondern seit Anfang des Jahres auch an einem neuen Buch. Ich hab mich total darauf gefreut. Das Thema kitzelt mir schon länger in den Fingerspitzen. Endlich kann ich loslegen und schreiben und schreiben... dachte ich. Aber ich habe vergessen wie schwierig aller Anfang ist. Auch nach vier Büchern ringe ich wieder damit "meine Stimme" zu finden. Ich denke ich sollte dieses Mal lustiger schreiben. Ein bisschen mehr wie Donald Miller in "Blue like Jazz." Oder tiefer und klüger. Wie Esther Maria Magnis. Ich versuche es. Merke schon beim Aufschreiben, dass es mir nicht gelingt. Vielleicht würde es helfen, wenn ich ein Mann und Amerikaner wäre, um wie Donald Miller schreiben zu können. Oder wenn ich den Intellekt und die Lebenswunden von Esther Maria Magnis hätte, um so tief und dicht schreiben zu können. (manchmal bin ich dann doch froh, dass ich nicht so tief schreiben kann). Also nochmal von vorne. Inzwischen sind schon vier Wochen um und die Zeit läuft mir davon. Ich schnauze meinen Mann an und bin genervt mit meinem Kind und überlege schon alles wieder abzusagen. Und endlich, als ich nach einem langen mühevollen Vormittag alle Worte wieder gelöscht habe, platzt der Knoten! Ich finde "meine Stimme" wieder und schreibe überglücklich und selbstvergessen bis mir der Rücken wehtut. Ich weiß wieder: Ich muss nicht lustiger und klüger sein, so wie es ist, ist es gut. Ach, hätte mir das nicht schon vor vier Wochen einfallen können? Das hätte mir und meinen Lieben viel Stress erspart! 
 
Vor einiger Zeit hat der Musiker Nick Cave sich in einem Brief zu ChatGPT geäußert. Zur der Leichtigkeit mit der diese künstliche Intelligenz Texte für dich erstellen kann. Sogar poetische Gedichte. Songtexte. Alles was du willst. Ich habe es zwar noch nicht ausprobiert aber die zwei Wochen vor dem Computer, die hätte ich mir sicher damit sparen können.  Keine verschwendete Zeit. Kein Ringen um Worte.  Es ist das Angebot einer bequemen Abkürzung. Aber so verlockend sie uns auch vorkommt, sie ist in den meisten Fällen so unsinnig wie  einen asphaltierter Weg nach links zu nehmen wenn wir doch wissen, dass wir den matschigen Weg nach rechts einschlagen müssen. Das Leben ist der matschige Weg. Das Ringen, so betont Nick Cave, gehört immer dazu! Das Durchkämpfen durch die Selbstzweifel, die Suche nach dem eigenen Weg - alles das gehört (leider) für mich immer wieder dazu. Und nachdem ich mich schimpfend  die ersten hundert Meter durchs Dickicht gekämpft habe und die durchweichten Socken ausziehe, entdecke ich den schönen kleinen Waldweg auf dem ich mit federnden Schritten laufen kann.
 


 


Vielleicht ist deine Wegstrecke gerade auch ein wenig matschig. Vielleicht steht dir eine verlockende Abkürzung vor Augen, die aber leider nicht zielführend ist. Dann wünsche ich dir, dass du Frieden findest. Mit dem Ringen. Und den Zweifeln. Und den kalten Füßen. Nur weil es sich gerade schwer anfühlt heißt es nicht, dass du auf dem falschen Weg bist. 

In gewisser Weise schreiben wir ja alle an  unseren Geschichten. Mutmachgeschichten, die wir einander an den Lagerplätzen auf dem Weg erzählen können. Ich fand es so wunderschön was Daniela Helfrich dazu geschrieben hat:
 Gefährten
Wahre Geschichten, die einer wirklich durchlebt hat, rutschen mir tiefer ins Herz.
Meine Seele hält plötzlich Händchen mit einem Vertrauten.
Meine Tränen werden von einem Taschentuch aus fremder Hosentasche getrocknet.
Die Neugier fragt keck: "Wenn der das kann, warum solltest du es nicht können?
Unsichere Schritte sehen auf einmal Fußspuren. HIer ist tatsächlich schon mal einer unterwegs gewesen.
Der Mut springt auf, legt sich den Heldenmantel um und lässt die Muskeln spielen.
Satt reibt sich der Glaube den Bauch, als hätte der andere mir einen Proviantkorb für unterwegs gepackt. 
Und die Hoffnung stellt sich ans Ende und schreit durch den Tunnel: "Hier ist tatsächlich Licht!"
 
aus: Von Tagträumern & anderen Gläubigen
 
ChatGPT kann keine wahren und durchlebten Geschichten erzählen. Das können nur wir. Mit unseren eigenen Stimmen. Nachdem wir uns durch den Matsch gekämpft haben. Ohne Abkürzung. Das müssen keine ausgefeilten Geschichten sein. Auch keine großen Abenteuer. Aber wir können einander Mut machen. Gefährten sein. Auf dem Heimweg. 
 


 
Bis zu meiner Manuskriptabgabe im Sommer werde ich meine Blogbeiträge etwas reduzieren und mich hier nur alle zwei -drei Wochen kurz melden. Vielleicht stecke ich auch mal im Matsch und es dauert noch etwas länger.  Aber ich hoffe, dass dabei Mutmachgeschichten entstehen, die ich im nächsten Frühjahr mit euch teilen kann. Gern könnt ihr auch den Blogbeitrag in euer E-Mailfach bekommen, dann wisst ihr immer wann es hier weitergeht. Einfach eine kurze Nachricht an chris.f@freenet.de

Und hier noch eine herzliche Einladung zu einem sonntäglichen  Rastplatz am 17.2. in  Reichelsheim: