Hat es bei euch auch so gestürmt? Am Wochenende ist Heios Gewächshaus an unserem Fenster vorbeigeflogen und nun klafft auch noch ein größeres Loch im Zaun zum Nachbargarten. Schon länger liege ich Heio in den Ohren, dass er diesen dünnen Sichtschutz doch bitte erneuern soll. Aber er hatte viel zu tun (vor allem mit Dingen, die ich sonst noch ganz dringend von ihm gemacht haben wollte). Der Zaun ist derweil immer mehr in sich zusammengefallen. Jetzt hat ihm der Sturm den Rest gegeben.
Gestern, beim schönsten Frühlingswetter, hätte ich mich so gerne in unseren Garten gesetzt um mein Gesicht ein bisschen in die Sonne zu halten, aber die fehlende Begrenzung hat mich davon abgehalten. Die Sache ist nämlich die: Wir haben wirklich nette Nachbarn, aber sie haben etwas angespannte Hunde. Sobald diese vermuten, dass jemand auf unserer Gartenseite ist, erfüllen sie die Aufgabe anständiger Wachhunde: Sie knurren und bellen, dass man sich nach einer gewissen Zeit nur geschlagen ins Haus zurückziehen kann. Von daher ist es besser sie bemerken uns möglichst nicht. Deshalb der Zaun. Und weil der nun gefehlt hat, saß ich gestern nicht im Garten, sondern habe stattdessen versucht meine Mails abzuarbeiten, mit schmerzendem Rücken und ansteigendem Stresspegel. Dabei fiel mein Blick wieder auf den kaputten Zaun vor dem Fenster. Und mir kam der Gedanke, dass vielleicht auch meine Inneres mal wieder ein bisschen Reparaturarbeit benötigt. Zu oft lasse ich micht von (äußeren und inneren) Erwartungen bestürmen, knicke ein wo ich standhaft bleiben sollte, versäume unklar gewordenen Grenzen wieder neu aufzurichten, gebe den kläffenden Kötern der Gefallsucht und Getriebenheit Raum und wundere mich dann, warum ich mein Gesicht nicht entspannt in die Sonne halten kann.
Meine Freundin Chrissi hat mir am Wochenende einen Link zu einer Podcastfolge von Kate Bowler geschickt, Thema: Worthy of boundaries.(Wert Grenzen zu setzen). Ich habe die Episode während dem Kochen angehört und dabei sind mir fast die Maultaschen in den Topf gebrannt, weil ich versucht habe, nebenher mitzuschreiben. (auch eine Grenze: Wir können nur eine Sache gleichzeitig tun!). Ein Satz von Kate Bowler hat mich ganz besonders angesprochen. Sie sagte:
It`s so hard to give up on the myth of a limitless life.
Was ungefähr heisst: Es ist so schwer den Mythos aufzugeben, dass wir unbegrenzte Wesen sind. Ach, das ist so wahr! Wir alle haben (und wir brauchen!) unsere Begrenzungen. Und zu unserem Ja gehört immer auch ein Nein. (was Sonja auf ihrem Blog so wunderbar ausgeführt hat). Ich muss immer grinsen wenn mich irgendwelche Sicherheitsseiten im Internet dazu auffordern so Dinge anzuklicken wie: Ich bin kein Roboter. Oder: Ich bin ein Mensch. Genau. Ich bin ein Mensch! Ein begrenztes Wesen. Ich kann manches sein, aber ganz vieles bin ich auch nicht! (und das trifft auch auf meinen Mann, mein Kind, meine Freunde, meiner Gemeinde... zu). Wir sind so vieles auch NICHT. Und manches sind wir vielleicht auch NICHT MEHR. Und in manchen Lebensphasen ist es unglaublich wichtig die Grenzen neu zu setzen (dann ist der Mittagsschlaf keine Option mehr, sondern eine dringende Notwenigkeit!). Wie Liz GIlbert das in einem Interview so gut sagte: You gotta keep it small, or you`re not gonna make it!
Kate Bowler spricht am Ende ihrer Episoden immer einen Segen für die Zuhörer. Und ich habe ihn, nachdem ich die Maultaschen vom Topf gekratzt habe, Wort für Wort aufgeschrieben. Für mich. Und vielleicht auch für dich. Für uns alle, die sich schwer tun mit dem Zäune aufrichten. Hier ist der Segen für uns (ganz frei übersetzt von mir):
Sei gesegnet,
Du, mit deinem weiten Herzen,
immer bereit aufzutauchen und bis zum Schluss zu bleiben
und noch den Nachtisch mitzubringen.
Sei gesegnet,
du mit deiner Freigiebigkeit,
als eine der Ersten, die sich freiwillig meldet,
bereit in einer Notlage oder beim Umzug zu helfen
(ehrlich: wann sind wir endlich alt genug, damit wir nicht mehr beim Umzug helfen müssen?)
Sei gesegnet,
Du, die gibt ohne abzurechnen
und Zeit schenkt ohne aufzurechnen.
Aber die Dinge ändern sich.
Die chronischen Schmerzen, die Trauer, oder einfach das Leben,
lässt dich mit weniger zurück.
Weniger zu geben. Und weniger anzubieten.
Aber versteh doch:
Dieses Weniger macht dich nicht weniger, es macht dich menschlicher.
So sei gesegnet wenn du lernst um die Hilfe zu bitten,
die du selbst so großzügig gewährt hast.
Und mögest du dich von derselben Liebe umarmen lassen,
die du immer bereit warst du geben.
Sei gesegnet gute Wege zu finden,
auf denen du weiterhin geben kannst,
auf eine Art und Weise, die deiner jetzigen Form entspicht
und was dir heute mit frohem Herzen möglich ist.
Sei gesegnet, meine liebe Freundin.
(irgendwie glaube ich, das geht vor allem an uns Frauen:-)).
Und noch das, wenn du es brauchen kannst:
Sei gesegnet mit deinem Nein,
mit einer heilsamen Grenze
die du an diesem Tag benötigst,
damit du Innehalten kannst,
um Gottes warme Strahlen aufzunehmen.