Montag, 30. Oktober 2023

I stand with Israel.

Gestern war ich auf einer Solidaritätskundgebung für Israel. Der Veranstalter, die Deutsche Israelische Gesellschaft, hatte mit 2000 Teilnehmern gerechnet. Es kamen nur ein paar Hundert.  Locker verteilt standen wir auf dem Stuttgarter Rathausplatz.  Von den kleinen Bühne erklang die wunderschöne und wehmütige Melodie:  Sma Jisrael...Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Wir bekamen Poster mit den Bildern der entführten Menschen in die Hand gedrückt. Auf meinem war ein kleines Mädchen abgebildet, das fröhlich in die Kamera blickt. Amelia. 5 years old. Israeli. Kidnapped. Ein Name. Tochter. Enkelkind. Spielkameradin. Jetzt: Gefangene der Terrorgruppe Hamas. Mich packt Traurigkeit. Und hilflose Wut. Wie niederträchtig ist ein Angriff von hochbewaffneten Terroristen, die Babys erschießen und Kinder und alte Menschen verschleppen! Ich war froh, dass die Politiker an diesem Nachmittag klare Worte fanden. Gegen die grauenvollen Taten der Hamas. Für das Existenzrecht Israels. Und gegen den zunehmenden Judenhass in unserem Land.
 
"Wehret den Anfängen!" Diese mahnenden Worte meiner Mutter habe ich plötzlich wieder im Ohr. Sie, die in der NS-Zeit ein aufgewecktes junges Mädchen war, das Hitler begeistert zugewunken hat und sich nur wenig gewundert hat, als die einzige  jüdischen Familie aus dem Dorf eines Tages plötzlich verschwunden war. Sie haben den Anfängen nicht gewehrt. Und ich habe als Jugendliche vorwurfsvoll, und auch ziemlich hochmütig, den Kopf darüber  geschüttelt. ICH würde nicht schweigen, wenn in meinem Umfeld Juden verachtet und verfolgt würden. Ich würde den Anfängen wehren.
 
Gestern erzählte ein junger Israeli von seinen Erfahrungen an der Uni, bei uns in Baden-Württemberg.  Aufgewühlt berichtete er von seinem zunehmenden Gefühl von Unsicherheit. Und er las aus dem Brief einer jüdischen Mitstudentin. Darin schrieb sie von verbalen Attacken, die sie dazu gebracht haben Insta-Posts zu löschen, von ihrer Angst, wegen der sie den Davidsstern nicht mehr am Hals trägt,  und dem Wunsch unser Land (das auch ihres ist!) an den Schultern zu packen und zu rufen: "Wacht auf! Seht doch, was schon lange begonnen hat!" 
Ich fürchte wir sind nicht mehr bei "Wehret den Anfängen!" Wir sind schon einige Schritte weiter. 
 
Ich sehe es an dem großen Polizeiaufgebot, das unsere kleine friedliche Gruppe schützen musste.

Ich erkenne an den Warnungen, dass wir Israelische Flaggen und Plakate bitte erst auf dem Platz ausrollen sollen. Zu unserer Sicherheit.

Ich spüre es an meinem klopfenden Herzen, wenn ich an aufgepeitschten Pro-Palästinensischen Demos voreilaufe und wie ich versuche meinen Israelbutton an meiner Jacke zu verstecken.

Ich sehe es an Hass und Hetze  im Internet, an gefälschten Bildern und Fake-News, höre es an der offenen Judenfeindlichkeit vieler arabischstämmiger Jugendlicher und an den unsäglichen Aussagen einer schwedischen Klimaaktivistin.

Ich erkenne es an den Davidssternen, die als Markierung auf Häuser von jüdischen MItbürgern in Berlin gesprüht wurden.

Ich höre es in Nachrichten, wie denen von heute morgen, die davon berichten,  dass in Russland ein Mob von Islamisten  Jagd auf Juden gemacht hat.

Ich fürchte, wir können den Anfängen nicht mehr wehren. Wir sind schon mittendrin. Der Antisemitismus erhebt wieder sein hässliches Haupt. Das mag dramatisch klingen. Aber ich schreibe das mit ruhigem Herzen, im Vertrauen auf den Gott Israels und Jakobs, der diese Welt hält und jedes Dunkel kennt und den Leidenden und Zerbrochenen nahe ist  - ganz egal auf welcher Seite der Grenzzäune. 
 
Wir Christen gelten oft als die Stillen im Lande. Und in unserer lauten, aufgeregten Welt, hat ein verborgenes Leben in der Stille und der Liebe zu Gott und den Menschen eine große Kraft. Aber uns ist auch eine Stimme gegeben. Und es gibt eine Zeit, da müssen wir Stillen aufstehen! Weil unser Schweigen missverständlich sein kann und am Ende als Zustimmung gewertet wird. Und auch weil wir eine Stärke und Furchlosigkeit in uns tragen können, die einem in der Stille vor Gott geschenkt wird. 
 
Deshalb will ich es versuchen. Meine Stimme erheben. Da wo ich meinen kleinen Einflußbereich haben.  Auf diesem Blog. Bei Tischgesprächen. Beim Small-Talk am Rande von Fussballplätzen oder in der Schlange beim Supermarkt. Und auf der Straße - gemeinsam mit hoffentlich vielen  anderen. Ein wenig ängstlich rolle ich die Israelflagge aus, räuspere mich und rufe dann laut:

I stand with Israel.
 
 





7 Kommentare:

  1. ♥️ 🇮🇱
    Danke, das du immer wieder die richtigen Worte in schweren Sitationen findest.
    עם ישראל חי

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  2. Danke!
    Für den Mut und den Versuch Worte zu finden (ist dir auch gelungen finde ich). Merke wie schwer es mir schon bei einem Kommentar fällt. Stehe hinter allem was du schreibst aber möchte auch nicht für einseitig oder unreflektiert gehalten werden...doof aber wahr.
    Am Ende brauchen alle Beteiligten Jesus.
    Und wenn ich Interviews der Überleben höre und schockiert bin über die Hamas kommt dann ab und zu der Gedanke an den Holocaust. Mitten in meinem Land, auch wenn ich nicht dabei war.
    Maranatha!
    LG Angela

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  3. Danke! Wieder einmal so treffend beschrieben. I stand with Israel!

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  4. Danke Christina! Danke, das du deine Stimme erhebst!

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  5. Ich schließe mich dem danken an. Ich war mit meinem Mann in Israel, wir sind 2 Tage vor dem Krieg rausgeflogen. Irgendwie stehen wir immer noch unter Schock.
    Was uns in Israel so sehr aufgefallen ist, ist die Lebensfreude dieser Menschen...er war sehr stark zu spüren. Und das hat uns sehr berührt. umso trauriger sind wir, zu wissen, dass genau diese jetzt sehr unterdrückt wird....durch das Grauen.
    Auch ich werde, wo es geht...und gerade angebraucht ist, zu diesen Menschen öffentliche stehen.

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