Montag, 9. April 2018

Vesperpause.

Der erste Schultag nach den Osterferien. Endlich wieder ein bisschen Normalität im Leben, denke ich, während ich das Brot für die Vesperpause in den Ranzen packe und dem etwas ängstlichen Erstklässler hinterherwinke. Heute mittag werde ich ihn abholen. Und, wie fast jedes Mal, wird  meine Frage sein: "Wie war die Schule? Und was hast du in den Pausen gemacht?" Keine Ahnung warum das bei mir so ist. Aber irgendwie interessieren mich die Pausezeiten bei ihm mehr als die Unterrichtsstunden. Vielleicht weil sich da am besten zeigt was er gelernt hat; was er liebt und wen er mag. Aber bis zu der Frage sind es noch ein paar Stunden. Ich sammle die Wäsche ein und lasse mich kurz aufs Sofa fallen. Mit schwerem Herzen. Und ich merke, dass die Normalität wohl noch ein bisschen auf sich warten lässt. Ich lege Kamillenbeutel auf die verquollenen Augen. Gestern Abend hat mich wieder eine Welle der Traurigkeit überrollt beim Gedanken: Es ist Sonntagabend, da will ich noch schnell die Mama anrufen und fragen wie ihr Tag war. Aber sie ist nicht mehr da. Was würde ich für ein kurzes Telefongespräch geben! Nur kurz hören wie`s ihr geht. Ob sie gut Zuhause angekommen ist. Aber ich hab die Nummer nicht. Also weine ich ein bisschen. Und weiß, dass das erst der Anfang vom Vermissen ist. Wie ich es hier über den Verlust von meinem Vater aufgeschrieben habe, hat Mark Twain so passende Worte dafür gefunden:
Das Haus eines Menschen brennt ab. Rauchende Überreste zeugen von einem Haus das er jahrelang geliebt hat und mit dem er so viele kostbare Erinnerungen verbindet. Nach und nach, mit den Tagen und Wochen die verstreichen, fängt er an Dinge zu vermissen. Und eins ums andere Mal geht ihm auf, dass dieser Gegenstand in seinem Haus war. Immer ist es etwas wesentliches, ein Einzelstück, das sich nicht einfach ersetzen lässt... Er hat nicht bemerkt wie wesentlich und wie bedeutend es für ihn war solange es einfach da war. Nach und nach fängt er an den Verlust zu begreifen.
Nach und nach begreifen wir. Die Seele läuft barfuß. Man kann ihr keine Siebenmeilenstiefel verpassen. Man kann nicht schnell zur Normalität übergehen (auch wenn der gewöhnliche Alltag ein unglaublich großes Geschenk ist!). Ich lese in dem wunderbar langsam geschriebenen Buch von Hanspeter Wolfsberger: Es gibt Wegstrecken in denen Gott auf uns wartet. Er bleibt bei uns stehen. Während alle anderen weitergehen. 
Wir beide bleiben also ein bisschen zurück. Ich reibe mir die müden Beine und geschwollenen Augenlider und wir setzen uns an den Wegrand.  Vesperpause. Ich LIEBE Vesperpausen! Aber ein bisschen fürchte ich auch den Anschluß zu verlieren. Wäre ein Coffee To Go nicht besser? Und man kann sich ja auch prima während dem Laufen unterhalten, oder nicht? Wenigstens in Blickkontakt mit den anderen sollten wir doch bleiben, was meinst du? Aber manche Pausen sind bei Gott nicht verhandelbar.  Sie sind ein wichtiger Teil der Reise.  Deshalb bleibt er vor mir stehen. Zwingt mich fast ein bisschen zum Anhalten. Er wartet er mit mir. Und ich warte mich ihm. Und vielleicht ist die Frage am Ende des Weges gar nicht so unwichtig: "Und was hast du in den Pausen gemacht?" Weil sie uns vielleicht etwas darüber verraten was wir auf der Strecke gelernt haben. Was wir lieben. Und wen wir mögen.

Also mache ich Pause. Ich melde mich wenn es wieder weitergeht. Seid gesegnet und umarmt, wo auch immer ihr unterwegs seid!!! Gott geht mit uns. Und er wartet mit uns. Was für ein wunderbarer Wegbegleiter!!!