Donnerstag, 21. Dezember 2023

Joy to the world!?

Es ist kurz vor Weihnachten. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber "Joy to the world!" klingt nicht gerade wie die ideale Überschrift für diese Zeit. Nicht für Israel. Nicht für Gaza. Nicht für die Ukraine. Nicht für den Freund, der sich an Weihnachten zurückzieht und hofft, dass die Tage schnell vorüber gehen. Nicht für die Freundin, deren Familiensituation voller Konflikte ist, die liebend gern an den Feiertagen eskalieren. Nicht für die Familie der Bekannten, die gerade ihren Sohn begraben mussten. Es ist so wie ich es kürzlich irgendwo gehört habe:  It`s easier to be sad than to be glad.
Es ist wirklich leichter traurig zu sein als sich zu freuen. Und alle blinkenden Lichterketten können darüber nicht hinwegtäuschen. (Also nichts gegen Lichterketten - ich mag sie. Nur nicht wenn sie blinken- davon bekommen ich Migräne;-)). 
 
Ich finde es spannend, dass die Advents- und Weihnachtszeit in der Kirchengeschichte bis vor ungefähr 100 Jahren  eigentlich immer den Fokus auf das zweite Kommen von Jesus gelegt hat. Es war eine Zeit, die angefüllt mit der Sehnsucht war: Komm Herr Jesus! Komm bald. Komm, dein Volk zu trösten! Komm, die Tränen abzuwischen! Komm und bringe Frieden und Gerechtigkeit... In dieser Adventszeit hat mich auch diese Sehnsucht gepackt.
Und nun? Landen wir wieder vor der Krippe und blicken auf ein wimmerndes Baby. Klein und verletzlich liegt es da, zwischen dem Stroh, daneben eine unsichere Erstgebärende. Wenn es ihr geht wie mir, in der ersten Zeit meines Mamaseins, dann hofft sie einfach nur, dass sie diese zerbrechliche Wesen irgendwie groß bekommt und nicht vorher kaputt macht. Ich hatte oft Angst, dass ich mich im Schlaf auf mein Kind rolle und es buchstäblich unter meinem Gewicht begraben wird. Gott sei Dank ist das nicht passiert!
Was mir in jedem Jahr, mit der Beschäftigung mit der Weihnachtsgeschichte, immer ein bisschen klarer wird ist folgendes: Gott ist MIT uns! So wie sich Maria nie mehr ohne Jesus denken konnte. So wie dieses Kind ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Wie er Unfassbares wahr gemacht hat. Und wie sie unbegreifliches Aushalten musste. Wie sie vor ihrem sterbenden Kind stand und nichts tun konnte. Wie er dann den Tod wie einen lästigen schweren Mantel einfach abgelegt hat. Wie er ihr vielleicht zugezwinkert hat und sie ahnte: Am Ende ist das ein großer hoffnungsvoller Anfang. Für mich. Für Israel. Und für die ganze Welt. 
 
Jedes Jahr aufs Neue legen wir diese Geschichte wie eine Blaupause über unser Leben und über diese Welt. Und wir buchstabieren die Hoffnung in ihr. Für alles was war. Für das, was ist. Und für das, was auf uns zukommen mag. Und mit jedem Jahr wächst sie ein Stück mehr in mir. Die Hoffnung. Sie ist schon so groß, dass ich nicht mehr fürchte ich könnte sie mit meinem Gewicht begraben. Nicht mit dem Gewicht dieser ganzen Welt, meine ich Jesus flüstern zu hören. Unter den Trümmern unserer Welt lebt die Hoffnung. Sie ist unkaputtbar. 
 
Immanuel. Gott MIT uns. 
 
Und: Jesus kommt. 
 
Fürchte dich nicht.


 Honest Advent, Scott Erickson



Ich wünsche euch allen gesegnete Weihnachtstage!
 
Und von Herzen DANKE für euer treues Mitlesen, auch in diesem Jahr!!! 💛
Wir lesen uns wieder 2024. 

Dienstag, 12. Dezember 2023

Ein Moment im Advent

Nun ist schon die erste Hälfte der Adventszeit vorüber und ich versuche weiter weniger Worte zu machen. Trotzdem will ich wenigstens einen kleinen Adventsgruß an euch schicken. In diesen besonderen vier Wochen, die sich leider oft so anfühlen, wie die volle Lebenszeit mit kleinen Kindern, in der man den gutgemeinten Rat hört: "Genieß die Zeit! Sie geht so schnell vorbei!" Und man kann nur völlig übermüdet, mit breiverschmiertem Oberteil rätseln, was genau man an dieser Zeit so ganz besonders genießen soll. Bis dann diese kleinen Momente auftauchen. Die weiche, warme Hand, die sich um deinen Finger schließt. Dieser wunderbare Geruch des Baby-Nackens, wenn es endlich friedlich schlafend neben dir liegt. Das Glück wenn allein dein Erscheinen die Tränen auf einen Schlag versiegen lassen (das dreht sich in der Pubertätszeit leider völlig ins Gegenteil;-)). Ich muß immer wieder daran denken, was die Autorin Glennon Doyle zum Thema Carpe diem (den Tag nutzen) so wunderbar geschrieben hat:  

Es sind meistens nicht die ganzen Tage die einfach nur gut sind und die wir genießen können - es sind die kleinen Momente, die Augenblicke, in denen wir mitten im täglichen Chaos innehalten und plötzlich etwas wirklich, richtig sehen. Vielleicht etwas was eigentlich schon den ganzen Tag da war. Aber jetzt SEHEN wir es.

Diese Augenblicke liebe ich in der Adventszeit - zwischen dem tägliche Chaos, dem Geschrei und den halbherzigen Versöhnungsversuchen: Die kleinen Momente, in denen ich etwas wirklich richtig sehe! Wenn ich morgens im Halbdunkel die Kerzen am Adventskranz anzünde. Wenn ich den Rolladen hochziehe und der erste Schnee gefallen ist. Wenn ich nach draußen gehe und der Schal mir um die Ohren weht und ich die geschmückten Fenster der Nachbarhäuser bewundern kann. Oder wenn ich die alten Texte lesen und die vertrauten Lieder höre und mich für einen Moment daran wärmen kann. Macht hoch die Tür. Tannenduft und Winterpunsch. Kindheitserinnerungen Raum geben. Und der Liebe!  Der beste Moment in diesen Tagen ist der, wenn ich mich am frühen Abend kurz in unser Schlafzimmer schleiche. Ich zünde eine Kerze an und bin einfach da. Ich tue nichts. Was mir in den ersten Minuten wirklich sehr, sehr schwerfällt. Meine Gedanken gehen in tausend Richtungen. Und tausend Mal fange ich sie wieder ein. Und wenn es langsam ruhiger in mir drin wird, stelle mir vor, dass ich ein wenig mit Gott warte. Dieser himmlische Vater, der allein mit seinem Erscheinen, alle Tränen versiegen lassen kann. Der auf uns wartet. Immer. Voller Liebe. In jedem Moment unseres Tages. Auch in diesem. In dem ich das hier eintippe. In dem du das hier liest. Die Liebe umfängt uns. Sie greift nach uns, wenn wir ihr nur einen kleinen Finger hinhalten. Wir dürfen immer wieder dahin zurückkehren. Herz nach Hause bringen. Tausend und Ein Mal am Tag. Was ist das für ein Glück! Und es hält nicht nur vier Wochen an. Immanuel. Gott mit uns. Ein ganzes Leben lang.

In diesem Sinne wünsche ich euch gesegnete Momente in der Advents- und Weihnachtszeit!



Und falls ihr gerne ruhige Momente mit einem Buch von mir verschenken möchtet (oder euch selbst damit beschenken wollt): wenn ihr bis Ende dieser Woche, innerhalb Deutschlands, bei mir bestellt, ist es garantiert bis Weihnachten bei euch. Und das Licht beim Lesen gibt's im Doppelpack gratis dazu (entweder gleich die gewünschte Aufschrift angeben, oder ich suche eine für euch aus ). Einfach eine mail an chris.f@freenet.de





Dienstag, 21. November 2023

Worte fasten

Eben komme ich von einem kleinen Spaziergang zurück. Ich merke immer wieder, wie gut mir das tut: kurz nach draußen gehen, wenn es gerade mal nicht regnet. Was im November gar nicht so einfach ist! Da heißt es spontan sein. Es regnet nicht? Alles liegenlassen und rausgehen. Gedanken ausführen.  Manchmal ist nämlich in meiner Oberstube ein Gedränge, das schlimmer ist, als auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt! Dann muss ich dringend ein bisschen Luft zwischen die ganzen Worte lassen. Und jetzt, wo ich wieder hier am Schreibtisch sitze merke ich, dass es genau das ist was ich in den nächsten Wochen tun will. Weniger Worte machen. In die Adventszeit, die schon um die Ecke liegt, nicht mit vollen Händen stolpern. Ich will, nach einem ziemlich vollen Jahr und vielen wunderbaren Begegnungen, wieder das Stillwerden lernen. Auch hier. Ich will versuchen bis Jahresende nur wenig zu schreiben. Ein bisschen Platz freiräumen. Herberge sein. Falls Jesus Raum braucht. Mal schauen ob es mir gelingt. 

Früher war die Adventszeit eine Fastenzeit. Daran erinnert mich Heio jedes Jahr, wenn ich glücklich die erste Packung Dominosteine aufreiße. Also das mit dem Essenfasten klappt bei mir leider sehr schlecht. Schon allein wenn ich jetzt daran denke, drängt es mich in die Küche zu eilen und mir ein Marmeladebrot zu schmieren. Ich glaube das liegt in meinen Genen. Im Gegensatz zur Familie meines Mannes (alles etwas zu dünne Menschen!)  waren wir zuhause gute Esser. Und dieser Begriff wurde durchaus als Kompliment verstanden. 
Neulich hat ein Mitglied meiner Herkunftsfamilie verkündet, dass sie einen Tag fasten möchte. Also nur Säfte. Und Suppe. Gegen Mittag bekam ich eine Nachricht von der Person, dass sie nun doch zum Danielfasten übergehen würde (irgendein starker innerer Eindruck).  Musste kurz in der Bibel nachschauen, was das ist. Aha. Gemüse und Obst geht also auch in Ordnung. Am späten Nachmittag bekam ich dann ein Bild von einem Teller voll beladen mit Maultaschen geschickt. Kann mir zwar nicht vorstellen, dass Daniel am babylonischen Königshof Maultaschen bekam, aber gut. Ich habe vergessen, welche Auswüchse das Fasten dann am Abend angenommen hatte (Kakao ist ja auch eine Frucht, die an Sträuchern wächst, wenn man es genau nimmt, oder?), aber ihr versteht was ich meine. Genau das passiert, wenn jemand aus meiner Familie sich entscheidet zu fasten. Am Ende des Tages essen wir mehr als wir üblicherweise essen würden. 
Ich hoffe das geht mit jetzt nicht auch so, wenn ich hier schreibe, dass ich weniger Worte machen will. Genau jetzt fällt mir nämlich noch ganz viel ein, was ich euch unbedingt noch gerne schreiben würde. Und am Ende wird dieser Beitrag dann womöglich länger als gewöhnlich. Deshalb mache ich jetzt besser Schluß. Ich will wieder mehr Zuhören. Diese Einladung annehmen, die ich gerade in mir spüre, einfach ein wenig bei Jesus zu sitzen. Nicht viel zu sagen und tun. Was mir fast so schwer fällt wie das Essenfasten. Aber ich will das einüben. Auch als kleine Vorbereitung für die Adventszeit.
 

Herr, mach mich still.

Und rede du. 

Amen. 



Mittwoch, 15. November 2023

Ein schwieriger Besucher

Gestern hat es bei uns so richtig gekracht. Es ist die Pubertät, die mit matschigen Stiefeln und jeder Menge sperrigen Gepäckstücken und einem Schlafsack im Hausflur stand und mit einem gewaltigen Rums die Türe zugeschlagen hat. Ich fürchte  sie wird sich nun häuslich bei  uns einrichten. Für die nächsten Jahre. Oh weh. Ich fühle mich überhaupt nicht gut vorbereitet auf diesen schwierigen Besucher! Abends krame ich hektisch nach dem Buch, das ich mir vor einiger Zeit bestellt habe, das aber neben spannenden Romanen immer den kürzeren gezogen hat.  


Bis spät in die Nacht habe ich darin gelesen, nachdem ich die Sache mit dem Einschlafen aufgegeben habe. Zum ersten Mal, seit 12 Jahren, habe ich es nämlich nicht geschafft mich am Abend mit meinem Kind zu versöhnen. Ich war so sauer über sein Verhalten - ich hätte mindestens noch eine Abendstunde mehr gebraucht um mich zu beruhigen, um dann ein friedliches Gespräch führen zu können. Alles was ich noch geschafft habe war, ihn mit zusammengebissenen Zähnen zu segnen. Wie jeden Abend. Ein kurzer Moment, der ein wenig Ruhe in mein Herz gebracht hat. Die Bereitschaft zu segnen was ist. Gottes TROTZDEM, seine Gnade über uns auszusprechen. In meiner ganzen Hilflosigkeit. Das tat gut. 
Nach dem Amen hat sich das Kind (das nun ja eigentlich kein Kind mehr sein will, und meins schon gar nicht!) wortlos zur Wand gedreht und schlief unverschämt schnell ein. Was mich wieder etwas in Wallung brachte (Hitzewallungen gibt es in meinem Alter passenderweise auch gleich Gratis dazu!) Also lag ich bei offenem Fenster und mit klopfendem Herzen im Bett und blätterte im obigen Buch. The emotional lives of teenagers. Die Autorin und Psychologin Lisa Damour bringt mir darin die Lebenswelt eines jungen Menschen nahe, dessen Gehirn im laufenden Betrieb und ganz ohne Narkose (für die Eltern!) umgebaut wird. Sie erzählt von verzweifelten Eltern, von Auseinandersetzungen, die den unseren fast punktgenau ähneln, denen sie auf ihre Beschreibungen schlicht antwortet: "Ich wäre sehr besorgt, wenn es anders wäre!" Und sie fügt hinzu:

Wenn jeder seinen Job macht, dann gibt es in der Pubertät aufsässige Teenager, die für mehr Freiheit und Eigenständigkeit kämpfen als ihnen gut tut, und Eltern, die zu vielem Nein sagen müsssen, ein paar vernünftige Regeln aufstellen und Konflikte nicht vermeiden sollten.
Hört sich nach einer Menge Spass an. Besonders für harmoniebedürftige Menschen, zu denen ich mich leider zähle. Ich mag ein friedliches Zuhause! Aber die Pubertät, dieser fiese Besucher, scheint da ganz anderer Meinung zu sein (er hat wohl auch ein paar Boxhandschuhe im Gepäck). Lisa Damour schreibt ganz gelassen:

Lasst uns nicht versuchen Konflikte zu vermeiden, sondern wann immer möglich konstruktive Auseinandersetzungen zu haben. Das Kennzeichen für einen konstruktiven Konflikt ist, dass jede Seite versuche die Perspektive des anderen zu verstehen.
Klingt gut. Und Papier ist ja bekanntlichermaßen - im Gegensatz zu mir! - sehr geduldig. Aber ich will versuchen, das zu verstehen. Ganz konkret empfiehlt die Autorin: Nachdem sich die ersten heftigen Gefühle verzogen haben und man wieder in der Lage ist miteinander zu reden und nicht zu schreien, sich hinzusetzten und zu sagen: "Pass auf, mein geliebtes Kind, ich versuche jetzt mal die Situation von deiner Perspektive aus zu sehen. Wenn ich fertig bin, dann sag mir was ich falsch verstehe oder wo ich etwas wichtiges vergessen habe." Und dann bitte dein Kind das Gleiche für dich zu tun. Und wenn wir solche Gespräche führen, wann immer wir einen anderen Blickwinkel einnehmen und ihn in unseren eigenen Worten vor dem anderen aussprechen, dann - so folgert Damour - wird das fast ausnahmslos Empathie erzeugen. Ich ahne, dass ich in den nächsten Jahren mindestens so viel lernen kann wie mein Kind;-).  (und ich finde diese vorgehensweise würde unserer ganzen Gesellschaft und unseren Gemeinden sicher auch sehr gut tun!) 
 
Mit einem tiefen Seufzer klappe ich kurz nach Mitternacht das Buch zu. Ich kann nur noch müde beten: "Jesus, bitte hilf mir. Ich brauche dich so sehr!!!" Und ich meine ihn lächelnd sagen zu hören: Ich wäre sehr besorgt, wenn es anders wäre.

 

Mittwoch, 8. November 2023

Kleine Zeichen

Diese Woche ist, zwischen Arztterminen, Lesungen und der Dringlichkeit von Herbstspaziergängen, nur wenig Zeit zum Schreiben. Die Gedanken wirbeln in meinem Kopf wie die Herbstblätter vor dem Fenster und auch die Weltlage rüttelt weiter gewaltig an meiner Seele. Dabei stelle ich fest wie wunderbar meditativ Laub rechen sein kann! Und weil der Mann es wieder mal nicht geschafft hat den Walnussbaum im Garten zu beschneiden, schenkt er mir ausreichend Zeit für meditative Übungen. 
In mein Tagebuch habe ich heute morgen über unsere letzten Tage geschrieben: Gesegneter Alltag. Das empfinde ich immer mehr als großes Geschenk. Diese kleinen täglichen Handlungen. Den Frühstückstisch abräumen. Mülltonnen nach draußen bringen. Schreiben. Aufräumen. Essen kochen. Die Freundin auf eine Tasse Tee treffen. Hausaufgaben kontrollieren Nerven verlieren und wiederfinden. Abendsonne. Feuer im Ofen. Müdigkeit. Letzte Handgriffe. Ein Buch auf dem Nachttisch. Einschlafen. Keine Schmerzen, die mich wachhalten. Nur die großen Sorgen der Welt, die ich in die Hand Gottes legen kann. Jeden Abend. Und jeden Morgen. Aufstehen. Ausreichend Gnade einsammeln. Und SEIN Lächeln auffangen. Nie allein sein. Gesegneter Alltag...

Und draußen der Herbst! Der tagsüber das Wetter so launenhaft wechselt wie eine Diva ihr Outfit. Gestern bin ich bei strahlendem Wetter losgelaufen, dann fielen dicke Tropfen aus einer herrlich dunklen Wolke, die dann vom Wind wieder davongejagt wurde. Und dann: das schönste Zeichen am Himmel! Ich glaube so viele Regenbögen wie in diesem Jahr habe ich lange nicht gesehen. Vielleicht brauchen wir es gerade ganz besonders. Diese Erinnerungszeichen. An Gottes Treue. Dass es nicht aufhören wird. Mit Saat und Ernte. Sommer und Winter. Tag und Nacht. Und gesegnetem Alltag. Mittendrin. In allen Stürmen dieser Welt. Kleine Liebeszeichen am Wegrand. Auch unter dunklen Wolken. Immer wieder denke ich an diese Worte von Helmut Thielicke:

Der ruhende Pol, inmitten aller verwirrenden Unruhen ist die Treue Gottes

 


 




Und wer am Wochenende gerne auf eine gemütliche Musiklesung in Esslingen vorbeischauen möchte, Freitag zum Thema "Heimat suchen und HImmel finden" und Samstag "Slow living - aus der Ruhe leben", ist herzlich eingeladen (man kann sich hier noch anmelden).

Montag, 30. Oktober 2023

I stand with Israel.

Gestern war ich auf einer Solidaritätskundgebung für Israel. Der Veranstalter, die Deutsche Israelische Gesellschaft, hatte mit 2000 Teilnehmern gerechnet. Es kamen nur ein paar Hundert.  Locker verteilt standen wir auf dem Stuttgarter Rathausplatz.  Von den kleinen Bühne erklang die wunderschöne und wehmütige Melodie:  Sma Jisrael...Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Wir bekamen Poster mit den Bildern der entführten Menschen in die Hand gedrückt. Auf meinem war ein kleines Mädchen abgebildet, das fröhlich in die Kamera blickt. Amelia. 5 years old. Israeli. Kidnapped. Ein Name. Tochter. Enkelkind. Spielkameradin. Jetzt: Gefangene der Terrorgruppe Hamas. Mich packt Traurigkeit. Und hilflose Wut. Wie niederträchtig ist ein Angriff von hochbewaffneten Terroristen, die Babys erschießen und Kinder und alte Menschen verschleppen! Ich war froh, dass die Politiker an diesem Nachmittag klare Worte fanden. Gegen die grauenvollen Taten der Hamas. Für das Existenzrecht Israels. Und gegen den zunehmenden Judenhass in unserem Land.
 
"Wehret den Anfängen!" Diese mahnenden Worte meiner Mutter habe ich plötzlich wieder im Ohr. Sie, die in der NS-Zeit ein aufgewecktes junges Mädchen war, das Hitler begeistert zugewunken hat und sich nur wenig gewundert hat, als die einzige  jüdischen Familie aus dem Dorf eines Tages plötzlich verschwunden war. Sie haben den Anfängen nicht gewehrt. Und ich habe als Jugendliche vorwurfsvoll, und auch ziemlich hochmütig, den Kopf darüber  geschüttelt. ICH würde nicht schweigen, wenn in meinem Umfeld Juden verachtet und verfolgt würden. Ich würde den Anfängen wehren.
 
Gestern erzählte ein junger Israeli von seinen Erfahrungen an der Uni, bei uns in Baden-Württemberg.  Aufgewühlt berichtete er von seinem zunehmenden Gefühl von Unsicherheit. Und er las aus dem Brief einer jüdischen Mitstudentin. Darin schrieb sie von verbalen Attacken, die sie dazu gebracht haben Insta-Posts zu löschen, von ihrer Angst, wegen der sie den Davidsstern nicht mehr am Hals trägt,  und dem Wunsch unser Land (das auch ihres ist!) an den Schultern zu packen und zu rufen: "Wacht auf! Seht doch, was schon lange begonnen hat!" 
Ich fürchte wir sind nicht mehr bei "Wehret den Anfängen!" Wir sind schon einige Schritte weiter. 
 
Ich sehe es an dem großen Polizeiaufgebot, das unsere kleine friedliche Gruppe schützen musste.

Ich erkenne an den Warnungen, dass wir Israelische Flaggen und Plakate bitte erst auf dem Platz ausrollen sollen. Zu unserer Sicherheit.

Ich spüre es an meinem klopfenden Herzen, wenn ich an aufgepeitschten Pro-Palästinensischen Demos voreilaufe und wie ich versuche meinen Israelbutton an meiner Jacke zu verstecken.

Ich sehe es an Hass und Hetze  im Internet, an gefälschten Bildern und Fake-News, höre es an der offenen Judenfeindlichkeit vieler arabischstämmiger Jugendlicher und an den unsäglichen Aussagen einer schwedischen Klimaaktivistin.

Ich erkenne es an den Davidssternen, die als Markierung auf Häuser von jüdischen MItbürgern in Berlin gesprüht wurden.

Ich höre es in Nachrichten, wie denen von heute morgen, die davon berichten,  dass in Russland ein Mob von Islamisten  Jagd auf Juden gemacht hat.

Ich fürchte, wir können den Anfängen nicht mehr wehren. Wir sind schon mittendrin. Der Antisemitismus erhebt wieder sein hässliches Haupt. Das mag dramatisch klingen. Aber ich schreibe das mit ruhigem Herzen, im Vertrauen auf den Gott Israels und Jakobs, der diese Welt hält und jedes Dunkel kennt und den Leidenden und Zerbrochenen nahe ist  - ganz egal auf welcher Seite der Grenzzäune. 
 
Wir Christen gelten oft als die Stillen im Lande. Und in unserer lauten, aufgeregten Welt, hat ein verborgenes Leben in der Stille und der Liebe zu Gott und den Menschen eine große Kraft. Aber uns ist auch eine Stimme gegeben. Und es gibt eine Zeit, da müssen wir Stillen aufstehen! Weil unser Schweigen missverständlich sein kann und am Ende als Zustimmung gewertet wird. Und auch weil wir eine Stärke und Furchlosigkeit in uns tragen können, die einem in der Stille vor Gott geschenkt wird. 
 
Deshalb will ich es versuchen. Meine Stimme erheben. Da wo ich meinen kleinen Einflußbereich haben.  Auf diesem Blog. Bei Tischgesprächen. Beim Small-Talk am Rande von Fussballplätzen oder in der Schlange beim Supermarkt. Und auf der Straße - gemeinsam mit hoffentlich vielen  anderen. Ein wenig ängstlich rolle ich die Israelflagge aus, räuspere mich und rufe dann laut:

I stand with Israel.
 
 





Dienstag, 24. Oktober 2023

Meine innere Mitte finden.

Ich drücke wieder die Schulbank. In unserer Jesusfreaks-Gemeinschaft haben wir seit einigen Monaten einen kleinen Jüngerschaftkurs. Ein wunderbarer Mensch hat angeboten nicht nur mal kurz zum Predigen vorbeizuschauen, sondern uns eine Wegstrecke zu begleiten. Und weil wir ein bisschen Orientierung gebrauchen können und wir gerne in die Richtung gehen würden in der dieser Jesusjünger unterwegs ist, haben wir uns an seine Fersen geheftet. Wir lernen also miteinander. Bekommen bei den monatlichen Treffen ein Handout mit einer Bibelstelle, mit der wir uns bis zum nächsten Treffen täglich beschäftigen sollen. Zuerst waren das die aufmunternde Worte aus Psalm 23. Den ganzen Sommer habe ich jeden Morgen darüber nachgedacht wie wunderbar es doch ist, diesem guten Hirten durchs Leben zu folgen. Letzte Woche habe ich allerdings das Handout nur sehr widerwillig angenommen. Es ist ein Bibelvers der für mich ganz gefährliches Gelände ist! Vor dem mich sogar meine Seelsorgerin gewarnt hat! Wenn ich ihn höre, stellen sich sozusagen meine inneren Nackenhaare auf. Aber Jesus hat ihn gesagt. Daran ist leider nicht zu rütteln. Er lautet: 

Wer mich nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.  Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meintetwillen, wird es finden.
Matth.16,2-26
Für mich sagte dieser Vers bisher vor allem eins: "Ignoriere deine Bedürfnisse. Die sind nicht wichtig! Alle anderen sind wichtiger als du. Schlepp dein Kreuz bis du darunter zusammenbrichst und irgendwie wird das der Weg sein, auf dem du das Leben findest." Ich war jahrelang Zeugin, wie meine Mutter sich auf diese Weise kaputtgemacht hat. Leider habe ich dieses Verhalten von ihr übernommen. Ich gehe deswegen immer wieder mal in Seelsorge. Denn das sitzt ganz schön tief in mir drin. Deshalb muss ich alles, was mich in diese selbstzerstörerische Richtung treiben will, konsequent ignorieren. Einschließlich obigem Bibelvers.
Und jetzt steht er plötzlich auf meinem Lernplan! Ich war kurz davor mir eine therapeutische Freistellung vom Unterricht auszustellen zu lassen. Aber nun, dank der widerwilligen Beschäftigung mit diesem blöden Vers und vielen guten Anmerkungen im Handout, ging mit ein Licht auf! Hier ist nicht die Aufforderung, mich kaputt zu machen. Jesus klärt hier schlicht und einfach meinen Lebensmittelpunkt. Er schafft eine freie Fläche indem er sagt: Da gehört nicht dein Ego hin, das dir ständig diktiert was du angeblich alles haben musst und brauchst, um glücklich zu sein. UND: (das ist für mich jetzt sehr wichtig!) genauso wenig gehören hier die Ansprüche und Forderungen anderer hin! In meinen Lebensmittelpunkt gehört es nicht, die Bedürfnisse meines Kindes zu  erfüllen, auch nicht  die von meinem Ehemann, meinen Eltern, meinem Nachbarn, meiner Gemeinde, meiner Freunde und meinem Cockerspaniel (wenn ich denn einen hätte!). Das ruiniert mein Leben auf ähnliche Weise wie wenn ich ständig mein Ego bediene (und letztlich ist ganz viel davon auch ein Versuch mich selbst zu behaupten und in den Augen der anderen gut dazustehen!). Jesus will mich von diesem ungesunden Verhalten befreien. John Marc Comer drückt das so aus:
Es bedeutet tausend kleine Tode, die zusammen ein gewaltiges Leben ergeben! Ich versuche nicht mehr verbissen-vergeblich, alles selber zu kontrollieren, sondern genieße die Freiheit, die Liebe Gottes walten zu lassen. Ich sage Jesus: Was auch kommt, wo es kommt und wann es kommt - ich gehöre dir! 
Und hier,  bleistiftkauend in meiner Schulbank, ahne ich plötzlich, dass hinter diesem Satz von Jesus eine große Freiheit liegt. Ein: Lass los! Deinen guten Ruf. Dein Sicherstellen, dass du nicht zu kurz kommst. Die Kontrolle über dein Kind. Das Verlangen nach Anerkennung. Alles das. Übergib dich ganz meiner Liebe. Ich bin dein guter Hirte. Und nimm mein Joch, das sanft und leicht ist und finde dein Leben! Das ist die große Verheissung. 
 
Ihr merkt: Ich bin im Lernmodus. Ich lache meinen Rabbi an und rufe eifrig: "Ich glaube jetzt hab ich was verstanden!" Und er lacht zurück, streckt mir die Hand entgegen, öffnet die Tür von Klassenzimmer und sagt: Komm, folge mir nach!
 
 


Und noch ein Hinweis für alle meine geschätzten Schweizer Leserinnen und Leser: 
Am Freitag den 3.Novemer um 19:30h  bin ich in diesem wunderschönen Cafe in Zürich zu einer Lesung aus meinem neuen Buch: Slow living, aus der Ruhe leben. 
Herzlichste Einladung! Es würde mich sehr freuen Euch da zu sehen! 
 
Und falls ihr nicht kommen könnt aber vielleicht im Blick auf die Weihnachtsgeschenke gerne eins meiner Bücher zum Schweizer Porto geschickt bekommen wollt - da gebt mir bis Ende der Woche kurz Bescheid unter: chris.f@freenet.de

Mittwoch, 18. Oktober 2023

Tragfähigkeit

Heute morgen stolpere ich müde Richtung Bad und höre dabei mit halbem Ohr die Nachrichten, die Heio in der Küche auf unserem kleinen Radio eingeschaltet hat. Raketeneinschlag in Gaza. Hamas feuert weiter auf Israel. Die GSG 9 auf dem Weg, um Geiseln zu befreien. Ich hole mir eine Tasse Kaffee und schließe kurz darauf noch einmal die Tür zu meinem Schlafzimmer. Dort schalte ich die kleine Lampe an, die gerade genug Licht gibt, dass ich die Buchstaben in meiner großen Bibel entziffern kann. Früher dacht ich ja, dass die größerwerdenden Bibeln etwas über die zunehmende Glaubensreife eines Menschen zeigen. Heute weiß ich: die Größe sagt etwas über das nachlassende Augenlicht eines Menschen. Aber ich schweife ab.  Auch wenn ich absolut kein Morgenmensch bin - und mit dem Kind die Minuten zähle, die wir noch im Bett liegen können bevor wir jetzt aber wirklich rausmüssen! - ich brauche diese Zeit am Morgen so sehr.  Das hat nichts von streng religiöser Übung für mich. Es ist eher so wie Tomas Sjödin das beschreibt: Ein "Sich-Einfinden". Der Ausdruck gefällt mir so gut. Und Sjödin schreibt weiter:

Wichtig ist nicht so sehr, was ich tue, sondern eher, dass ich mich einen Moment im Kraftfeld der Nähe Gottes aufhalten darf.
Genau so empfinde ich das. Ein Auftanken im Kraftfeld der Nähe Gottes bevor ich mich dem Tag stellen kann. Ich glaube er strahlt jedes Mal wenn ich komme und sagt: "Da bist du ja!" Und ich strahle zurück und sage: "Ja, da bin ich." Und vielleicht ist das schon das Wichtigste was in dieser Zeit geschieht. Dieses "Sich-Einfinden" bei ihm. Mich seiner Anwesenheit und Liebe versichern. Und dann alles bei ihm abzulegen, was mir gerade das Herz so schwer macht. Weil ich nämlich den starken Hang dazu habe, meine Tragfähigkeit zu überschätzen! 
Das erinnert mich an diese kleinen Schilder, nach denen ich immer sofort Ausschau halte wenn ich einen Aufzug betrete. Dort ist die Tragfähigkeit in - wie ich fürchte stark aufgerundeten! -  Kilozahlen vermerkt.  Ich mag keine Aufzüge. Vielleicht weil ich ein paar Mal zu viel darin steckengeblieben bin. Wenn ich mit mehreren Personen gleichzeitig so ein schwebendes Gefängnis betrete, versuche kurz zu überschlagen, ob das passt und wir noch ein bisschen Spielraum haben, falls sich im letzten Moment noch die eine oder andere Person dazuquetscht (was ja meistens passiert). Und mein Atem wird jedes Mal schneller, umso näher wir an die abgebildete Kilozahl kommen. 

Ich habe den Eindruck, dass wir in diesen Tagen auf unsere Tragfähigkeit achten müssen. Die ist ja sehr unterschiedlich bei uns (je nach Bauart:-)) und kann in verschiedenen Lebenssituationen auch sehr variieren. Aber wir haben alle eine Obergrenze, die wir möglichst nicht oft überschreiten sollten! Das gilt für die Menge der Informationen die wir aufnehmen. Für die Anzahl der Menschen, für die wir regelmässig beten. Für die Nöte in unserem direkten Umfeld, die wir innerlich ein wenig mittragen. Und immer wenn der Atem schneller wird, sollten wir unbedingt dafür Sorge tragen, dass sich nicht noch mehr in unser Innerstes quetscht. 
Anfang der Woche habe ich diese Zeile in einem Gebet von Janet Morley gelesen:
  Bewahre uns davor, mehr wissen zu wollen als wir ertragen können. 
Das bedeutet nicht, dass ich mich schweren Nachrichten verweigern will. Ich will mir einfach nur bewusst machen, dass meine Tragfähigkeit begrenzt ist. Dass ich Mensch bin. 
Dass es Dinge gibt, die nur Gott allein schauen und tragen kann. Dass es ein Dunkel auf dieser Welt gibt, das nur Christus betreten kann. Und dass es Kämpfe gibt, die nicht menschlich und militärisch gewonnen werden können, sondern nur dann, wenn Gott selbst in den Ring steigt.
Diese Erinnerung brauche ich BEVOR ich die ersten Nachrichten des Tages höre, BEVOR ich zu meinem Handy greife und BEVOR ich meine mails abrufe. Ich will "Mich-Einfinden" bei dem Gott, der die Tragfähigkeit für die ganze Not dieser Welt hat und in dessen Herz ausreichend Platz ist,  um jedem von uns die Tür aufzuhalten und uns strahlend in seiner Nähe zu begrüßen.
 
"Da bist du ja!" 

 




Montag, 9. Oktober 2023

Zeit zu beten

Normalerweise schenkt ihr mir an dieser Stelle immer ein paar Minuten Zeit, um eine kleine Alltagsgeschichte von mir zu lesen. Darf ich euch heute bitten für einen Moment hier mit mir zusammen für die Situation in Israel zu beten? Es erschüttert mich (und euch sicher auch), was dort gerade passiert. Wie viel Leid dieser Terrorangriff der Hamas auslöst und noch auslösen wird. Wie viele Eltern gerade um ihre Kinder trauern,  auf beiden Seiten der Grenze, und wie viele Israelis in Angst sind, um ihre verschleppten Angehörigen. Man kann ja nichts tun, denke ich bei den Schreckensbildern. Und doch: beten kann ich. Und wenn mir die Worte fehlen, dann leihe ich sie mir von den Psalmen. Beten wir zusammen? 

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt unsere Hilfe? Die Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht! 

Herr, erhebe dich in deiner Kraft. Schweig nicht. Denn siehe die Feinde toben. Gegen dein Volk planen sie listige Anschläge. Sie sprechen: "Kommt und lasst uns sie als Nation vertilgen, dass nicht mehr gedacht werde des Namens Israel." Lass sie beschämt und erschreckt sein für immer, damit sie erkennen, dass du allein Herr bist - der Höchste über die ganze Erde. 

Hilf deinem Volk , um der Ehre deines Namens! Du Hirte Israels.  Warum sollen die Nationen sagen: Wo ist denn ihr Gott? Lass dein Angesicht leuchten, so werden sie gerettet. 

Du bist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind. Sie schreien und du Herr, hörst sie.

Hilf deinen Volk und segne Herr dein Erbe. Weide sie und trage sie, bis in Ewigkeit. 

Hoffe Israel auf den Herrn! Dem bei ihm ist Gnade und viel Erlösung bei ihm. 

Amen. 

 

(Verse aus Psalm 121, 79,83, 79, 80, 34,28,130)


Foto:canva.com

Mittwoch, 4. Oktober 2023

Der Freude die Türen öffnen

Endlich Heimsieg! Nach vielen hohen Niederlagen in Folge hat Samuels Fussballmannschaft wieder gewonnen. Alle umarmen sich in heller Freude. Nur ein Junge sitzt wütend schluchzend auf der Bank. Der Grund: Er hatte keins der Tore geschossen! Alles Trösten des geduldigen Trainers half nichts.  Kein "Aber wir haben doch gewonnen!" und auch kein "Du hast doch die wichtigen Vorlagen gegeben!". Ich versuche auch meine hilfreichen Gedanken einzubringen: "Es geht doch um die Mannschaft. Und du unterstützt doch einfach dein Team an der Stelle, an die dich dein Trainer gestellt hat!"  Aber alles das steigerte den Frust für das Kind noch mehr. Ach, warum kannst du nicht einfach freudig  die Siege mit deinem Team feiern - egal wer die Tore schießt?, so dachte ich kopfschüttelnd.

Dann kam gestern das Joyce-Adventsbuch: Der Freude die Türen öffen ins Haus geflattert. Melanie Carstens hat adventliche Texte von verschiedenen Autorinnen zu einem wunderschön gestalteten kleinen Buch zusammengestellt. Und was mache ich? Ich suche als erstes MEINEN Text. Und denke dann zweifelnd, wie so oft wenn ich  meine veröffentlichten Texte lese, ob das wohl gut genug ist.  Dann lese ich schnell ein paar andere Texte, um mir zu sagen, dass mein Text doch mindestens so gut ist. Und vielleicht sogar besser als der eine oder andere Text. Ich lege das Buch zur Seite. Und wundere mich über das dumpfe Gefühl in mir. Von wegen der Freude die Türe öffnen! Comparison is the thief of joy!, sagte Theodore Roosewelt und es ist so wahr: Das Vergleichen raubt die ganze Freude.  Ich schäme mich echt, dass ich das immer wieder tue. Dass da dieses Hin-und-her-Schwanken in mir ist, zwischen Minderwert und dem Bedürfnis mich von anderen abzuheben. Und dass ich so gerne meinen Name aufleuchten sehe und die entscheidenden Tore schießen - ähhh Texte schreiben möchte.
Ich höre das Echo meiner eigenen Worte: "Es geht doch um die Mannschaft! Du unterstützt doch einfach dein Team an der Stelle, an die dich dein Trainer gestellt hat!" Und dann schaue ich mir mein Team an und denke: WOW! Was für tolle Frauen sind das denn?! Da ist die wunderbare Sonja Sorbara (deren neues Buch ich gerade voller Begeisterung lese!), die herzenswarme Sandra Geisslein, deren Blog-Geschichten mich JEDES Mal neu berühren, da sind meine zwei ganz besonderen Weggefährtinnen Tine und Anne, die so unfassbar gut schreiben können, da ist die lebenskluge Elisabeth Vollmer, die ich so gerne mag, und noch so viele mehr.  Was für ein Team! Was für ein großartige Sache, dass ich mit ihnen gemeinsam meine Texte veröffentlichen darf! 
Heute morgen blättere ich noch einmal durch das schöne Buch. Und ich segne jede dieser Frauen. Spreche leise ihre Namen und merke wie kostbar sie sind. Jede für sich. Nicht im Vergleich zu irgendjemand anderem. Und ich bitte Gott um Vergebung und um Heilung für mein oft so zerissenes Herz. Ich bete, dass ich nicht den Vergleich sondern sein Blick suche - das Daumen hoch von der Trainerbank, das mich befreit und freudig dabei sein lässt. Ach, darin will ich mich üben und brauche dafür ganz bestimmt noch einiges an Barmherzigkeit und Geduld. Wie gut, dass der Trainer eine ganze Menge davon hat! Und sollte ich dann ausgewechselt werden, will ich die anderen fröhlich abklatschen und sie weiter von der Seitenlinie aus anfeuern und jedes ihrer Tore bejubeln das uns zum Heimsieg führt (es sind ja so viele tolle junge Talente am Start - schaut mal hier zum Beispiel)
 
Ich will das so gerne lernen, gemeinsam mit dem trotzigen Kind am Spielfeldrand:  Die Siege feiern - egal wer am Ende die Tore schießt! Ich will der Freude die Türe öffnen!
 
 
 
Vorfreude auf die Adventszeit :-)


und noch ein Buch das Freude bringt- danke Sonja!!!

Montag, 25. September 2023

Dringlichkeiten

Draußen wird es langsam Herbst  - meine Lieblingsjahreszeit! In diesem Jahr ist sie angefüllt mit Lesungen, auf die ich mich schon sehr freue, die mich aber auch immer noch ein wenig in innere Anspannung versetzen. Wird das, was ich habe, genug sein? Gleichzeitig ist in meinem Freundeskreis gerade viel Not, deshalb fiel mir gestern die sonntägliche Offline-Zeit richtig schwer. Ich wollte so gerne erreichbar sein, falls ich gebraucht werde (hat jemand meinen Notfallpiepser gesehen? ;-)). Ich fühle mich wie die beschäftigte Martha in der Jesusgeschichte, die es vor lauter innerer Unruhe nicht schafft, die Hände mal in den Schoß zu legen und einfach die Nähe von Jesus zu genießen. 

Passend dazu lese ich diesen wunderbaren Rat  aus einem Brief von Henri Nouwen, an seine sehr beschäftigten Freunde. Er schreibt ihnen: 

Achtet darauf, dasss ihr genug inneren und äußeren Raum für euch selbst habt. Es ist sehr wichtig, dass ihr nicht ständig überfordert seid. In den USA scheint jede Situation schnell dringend zu werden.Aber letztlich ist es vielleicht mangelnder Glaube. Mir wird das bewusst, wenn ich sehe, dass die Franzosen jeden Tag eine zweistündige Mittagspause abhalten, um in Ruhe zu essen. Nichts scheint für sie so dringend zu sein wie eine gute Mahlzeit. 

(aus: Love, Henri, unveröffentlichte Briefe über Freundschaft, den Glauben und ein spirituelles Leben).

Ach genau, ein bisschen französische Leichtigkeit! Un Croissaint et une cafe au lait, si vous plait! (viel mehr ist von vier Jahren Französischunterricht nicht hängengeblieben). Und ich merke, dass auch bei mir dieser Zusammenhang zwischen dem Gefühl von Überforderung und mangelndem Vertrauen besteht. Ich tendiere stark dazu, mich selbst, mein Tun und meine Bedeutung für andere viel zu wichtig zu nehmen! Und am Ende stehe ich wie die gute Martha erschöpft und genervt in der Küche und pampe meine liebsten Menschen an, warum sie mich nicht ein bisschen mehr unterstützen können oder wenigstens ihr eigenes Chaos wegräumen! Hah. 

Ich glaube es wird Zeit, der Dringlichkeit von längeren Spaziergängen und guten Mahlzeiten nachzugeben. Und mein Vertrauen darauf zu setzen, dass Jesus sich um alles kümmern wird (inklusive darum, mein inneres Chaos wegzuräumen). 




Dienstag, 19. September 2023

Und wie geht es euch so mit der Digitalisierung?

Ach, was für ein Thema, oder? Aber mein Jahreswort "Echtzeit" bringt mich immer wieder dazu, über meinen eigenen Umgang mit den sogenannten Sozialen Medien nachzudenken. Und auch wenn man ein Kind im schulpflichtigen Alter hat kommt man am Thema Digitalisierung nicht vorbei. Leider. 

Aber zuerst mal: Ich bin wirklich dankbar! Für die Erfindung des Internets (hmm, hat das jemand erfunden? Ach, ihr wisst was ich meine;-)) und eines Geräts das sekundenschnell Nachrichten weiterleitet, mir während dem Putzen inspirierende Podcasts vorspielt, mich mit Menschen verbindet die ich sonst nie, nie kennengelenrt hätte und das wäre so schade und dass ich einen Blog und Bücher schreiben kann und nicht mehr zu Bank muss, um Überweisungen abzugeben und alles das und noch viel mehr: DANKE von Herzen, liebes Internet!  
Aber du raubst mir oft genug auch Lebenszeit und Seelenfrieden. Und das nicht erst seit mir ein Mitbewohner zunehmend verzweifelt in den Ohren liegt mit dem Ruf: "ALLE haben eins, Mama! ALLE! Nur ich nicht!" Wir sind derzeit die technikfeindlichen Eltern, die ihrem Kind das Liebste vorenthalten, was es sich jemals gewünscht hat und sich je wünschen wird: Ein Handy. Ein Smartphone! ("Tastentelefon wäre ja total peinlich, Mama!"). Seit sein bester Freund auch so ein Teil hat (der aber auch ein halbes Jahr älter ist als er!), ist die letzte Grenze gefallen. Und während das Kind jammernd an mir hängt schaut mich mein Mann  an und wiederholt mantrahaft: "Nicht umfallen, Christina! Nicht umfallen!" Ich komme mir vor wie ein erschöpfter Krieger der weiß: Die Kapitulation ist nicht mehr weit. In naher Zukunft werden wir - all unserer Bedenken zum Trotz! - unserem 12-Jährigen ein Gerät in die Hand drücken, auf das er Apps laden wird, die von hochintelligenten Menschen produziert wurden, die ihre Fähigkeiten dafür einsetzen unser Kind (und uns alle) süchtig zu machen so lange wie möglich online zu halten.

Aber er braucht es ja so dringend! Weil er Whatsapp benötigt (eine App, die man laut Geschäftsbedingungen erst ab 16 Jahren nutzen darf!) , um beipielsweise zu wissen was seine Klassenkameraden gerade frühstücken und ob sich ein Lehrer morgens spontan krank meldet. Dann wäre er ja der Einzige, der vor verschlossener Türe steht und wir wären ganz umsonst früh aufgestanden! Letzteres ist für mich ein sehr überzeugendes Argument. Sonst überzeugt mich wenig. Vielleicht weil ich kein Digital Native bin. Ich habe meine Kindheit und Jugend noch ohne Handy und Smartphone überlebt und fand das gar nicht schlecht. Aber wir leben doch  jetzt in einer anderen Zeit! Und was man vorenthalten bekommt steigert die Gier (denk nur an das Fernsehverbot deiner Kindheit!) Und überhaupt:  Das Kind muss doch den gesunden Umgang damit lernen! So tönt die mahnende Stimme in mir. Aber mein gesunder Menschenverstand hält auch dagegen,  dass ich immerhin die meiste Zeit meiner Kindheit draußen verbracht habe und nicht vor einer Flimmerkiste und dass ich einem 12-Jährigen auch keine Haschkekse zum Nachtisch serviere, damit er den Umgang mit weichen Drogen lernt. Und die digitale Handhabung hat er wirklich sehr schnell gelernt!  Das habe ich an dem iPad gesehen, den er Anfang der 5. Klasse aus der Schule mitgebracht hat. Wir Eltern wurden nicht mal gefragt, ob wir so ein Gerät Zuhause haben wollen!  Wir wollten es nicht. Ich wollte dieses Teil nicht jeden Tag aus den Händen meines hypnotisierten Sohns reißen und es an einem Ort verstecken, der mir an nächsten Morgen nicht mehr einfallen wird. Und überhaupt: ich frag mich ernsthaft woher die Finanzierung dafür kommt, wenn für Schulen nicht mal genug Geld vorhanden ist, um Toiletten zu renovieren oder Lehrern ihr Gehalt über die Sommerferien zu bezahlen. Ich spekuliere schon wild vor mich hin, dass die teuren Endgeräte die großzügige Gabe eines Sponsors sind, der ganz gerne unsere Kinder mit weit aufgerissenen Augen vor dem Display sitzen hat. Oh, ihr merkt: diese Thema bringt mich ein wenig in Wallung.  Ganz ehrlich: Wenn es nach mir ginge würde mein Kind erst zum Schulabschluss ein Smartphone bekommen. Dafür hätte es dann aber eine längere Aufmerksamkeitsspanne, wir hätten weniger miteinander gestritten und mehr Freude am echten Leben gehabt.  Aber die Wahrheit ist: Ich werde einknicken. Und am Ende wird es der einfachste und schlechteste Grund der Welt sein: Weil es alle anderen auch tun. 

Aber ich gebe noch nicht auf. Versuche subtil das Kind zu beeinflussen indem ich ihm zeige, dass MIR mein Smartphone nicht so wichtig ist. (Vorbild ist ja immer noch die beste Erziehungsmethode). Das gelingt leider nur mäßig. Wenn ich dann versunken auf dem Sofa sitzend Nachrichten anklicke, die mich eigentlich überhaupt nicht interessieren, nutzt das Kind die Chance, um sich mit einem aufsässigen "Darf ich auch mal? Nur kurz!" " neben mich zu quetschen. Nur kurz ist ein Synonym für: So lange, bis du mir das "Gib es wieder zurück!" in der schreienden Version lieferst. "Lass mich noch kurz!", sage ich versunken und bestelle mir ein Buch, bei einem Online-Großhändler, dem ich inzwischen willenlos verfallen bin. Titel: 10 Gründe warum du deine Social Media Accounts sofort löschen solltest. Ich fürchte es sind 10 überzeugende Gründe (werde hoffentlich nicht einsam sterben, während alle anderen auf Insta und co. wilde Parties feiern). Noch besser würde mir ein Buch gefallen mit dem Titel: 100 wunderbare Gründe, warum du dein Smartphone sofort aus der Hand legen solltest.   
Einen davon hat unser Sohn ganz neu entdeckt: Lägerle bauen! (auf deutsch: aus Zweigen im Wald kleine Lager bauen - die kindliche Form des schwäbischen Häusle-bauens!). Heute mittag habe ich ihn, mit einiger Überredungskunst, nach draußen geschoben, Richtung Fussballplatz und Wäldle. Stunden später kommt er verschwitzt und fröhlich wieder. Während ich mir innerlich auf die Schultern klopfe und in Erwartung eines friedlichen Abendessens den Tisch decke, ruft es aus dem Bad: "Kann ich jetzt aber dein Handy haben, Mama? Nur kurz!"  
 

 

Link zum Thema (mit hilfreiche Tipps für einen gesunden Umgang mit digitalen Medien) : Droge Handy Hartls Senf 

auch ein guter Grund: die Lieblingsjahreszeit steht vor der Tür!