Mittwoch, 3. Juli 2024

Ich bin nicht genug

So langsam tauche ich aus meiner "Schreib-Höhle" wieder auf. Ich blinzle ins Tageslicht, wie eine Bärenmutter nach ihrem Winterschlaf und bin erstaunt wie groß unser Nachwuchs geworden ist.  Das Manuskript liegt jetzt in den Händen von meinem Mann, der schaut ob alle Geschichten auch GENAU SO passiert sind. Er ist sehr wahrheitsliebend. Deshalb liest er alle meine Texte, bevor ich sie veröffentliche. "Fast alle  Texte", würde er mich an dieser Stelle korrigieren. Sein Hang zur unbedingten Wahrhaftigkeit kann schon ein bisschen anstrengend sein! Aber er kennt meine Neigung zur Übertreibungen und deshalb bin ich auch dankbar, dass er mir hilft, so ehrlich wie möglich zu schreiben. 

Es ist ein gutes Gefühl wenn so eine intensive Schreibphase abgeschlossen ist. Gleichzeitig bleibt auch immer die Frage, ob es gut genug ist, was ich gegeben habe, oder ob es nicht doch ein bisschen mehr sein müsste (was durchaus der Grund für die eine oder ander Übertreibung sein könnte).  Heute morgen saß ich jedenfalls ganz entspannt auf unserem Sofa und habe versucht in Gottes Richtung zu hören. Das war nicht so einfach, weil sich unter unserem Dach ein Spatzennest befindet und die kleinen Vögel laut und fordernd zwitschern. Zwischendurch hört man Fügelgeflatter und ein Elternteil bringt Futter, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Was aber immer nur ansatzweise gelingt. Ich lausche dem Treiben unterm Dach jetzt schon seit einigen Wochen (es sind also gleich mehrere Nester oder es ist eine Spatzen-Kita). Ich finde es unfassbar wie hungrig diese kleinen Wesen sind! Der Satz:"Ich habe hunger wie ein Spatz" ist ab sofort für mich das Synonym zum Bärenhunger! Das Rufen und Zirpen hört gar nicht mehr auf, selbst wenn die Eltern schon einige Male das Nest angeflogen haben.  Und natürlich sind die kleinen Spatzen auch in meinem Manuskript gelandet (wenn Heio sie nicht rausstreicht, weil es vielleicht keine Spatzen, sondern nur spatzenähnliche Meisen, sind!).

Diese kleinen Vögel (zu welcher Gattung sie auch immer gehören mögen) bringen mich jeden Morgen zum Lächeln. Auch weil sie mich daran erinnern, wie groß und unersättlich der Seelenhunger von uns Menschenkindern ist. Und der Gedanke ich könnte diesen Hunger mit meinen Worten stillen oder in irgendeiner Art und Weise "genug" für andere zu sein kommt der Vorstellung gleich, dass ich die hungrigen Vogelkinder sättigen könnte wenn ich ihnen ein paar gute Worte und vielleicht auch noch unsere Müslipackung zuwerfen würde! 

Eigentlich wollte ich hier einen Text unter dem Motto: 'Ich bin genug' schreiben. Jetzt kommt mir ein ganz anderer, viel schönerer Gedanke: 'Ich bin nicht genug!'   Zumindest ist das, was ich zu geben habe, nicht genug. Nicht genug für die Lesenden, nicht genug für mein Kind, für meinen Mann und meine Freunde. In dieser Hinsicht sind wir völlig ungenügende Wesen füreinander! Und gleichzeitig sind wir völlig ausreichend in unserem Mensch-sein!  Denn genau so hat sich das Gott gedacht. Nicht dass wir uns gegenseitig satt machen müssen, sondern das wir uns miteinander in einem Nest wärmen und uns in unserer ganzen Bedürftigkeit in Gottes Richtung auszustrecken. Ein bisschen Nestwärme - das können wir uns gegenseitig schenken. Mit guten Worten. Mit kleinen Taten der Liebe. Und darin, dass wir einander wahrnehmen und uns nicht gegenseitig aus dem Nest werfen, vor lauter Verlangen gesehen zu werden. In allem anderen sind wir darauf angewiesen, dass Gott vorbeischaut und genug Futter dabei hat.

So sitze ich jeden Morgen am offenen Fenster. Ich sage Gott wie sehr ich ihn brauche. Wie auch seine ganze Welt. Ich gebe denen, die hier mit mir sind, durch mein Dasein ein wenig Wärme und manchmal auch Anlass zu wildem Geschrei. Und nebenher erzähle ich zum Zeitvertreib die eine oder andere Geschichte (ohne zu sehr zu übertreiben). Und vielleicht helfen meine Worte ein wenig dabei, dass wir geduldig bleiben in unserem Hunger, und nicht verzagen,  bis wir die großen Flügelschläge hören. Und dann öffnen wir unseren Mund weit, dass er gefüllt werden kann.


Foto:Canva

  Deine Nähe sättigt den Hunger meiner Seele wie bei einem Festmahl.
(David in Psalm 63,3)

 

4 Kommentare:

  1. Das hast du sehr schön geschrieben! Ich finde es beruhigend, dass wir mit Gott zusammen dann doch genug sind, obwohl wir eigentlich so unvollkommen sind. Er kann unseren Mangel ausfüllen.
    Liebe Grüße!

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  2. Wow! Was für ein wunderschöner berührender Text! Vielen Dank dafür❤

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  3. Ich freue mich auf Dein Buch!

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  4. Was für ein Geschenk Du doch bist..

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