Freitag, 29. November 2024

Ein Segen ins Dunkel

Jetzt ist es ganz bald soweit: Am Sonntag zünden wir die erste Kerze am Adventskranz an. Ich habe mir überlegt auf welche Weise ich in diesem Jahr die Adventszeit auf meinem Blog gestalten könnte. Am liebsten würde ich euch einen Ruhemoment schicken, in dieser oft so vollen Zeit.  Das ist ja nicht so einfach. Aber ich will es versuchen. Ich möchte gerne, jeweils zum Wochenanfang, eine neue Kerze mit euch anzünden. Vier kleine Ruhemomente. Mit ein bisschen weniger Worten als sonst. Und vielleicht geht uns ja gemeinsam ein Licht auf. Das wäre schön.

Bevor wir die erste Kerze anzünden:

Ein Segen ins Dunkel.

Lass und das Dunkel noch ein wenig aushalten.

Die ungelösten Fragen.

Die Ungewissheiten.

Die Kämpfe, in die wir uns immer wieder verstricken. 

Mit uns selbst. Miteinander. Mit Gott.

Hören wir in die Stille, bevor es hell wird.

Ich lasse dich nicht los, bevor du dich segnen lässt.

Mitten in deinem Dunkel.

Sei gesegnet, mein Kind.

 


Mittwoch, 20. November 2024

So wie es ist (ein Vor-Advents-Text)

Jetzt müssen wir noch ein paar Novembertage hinter uns bringen und dann beginnt endlich die Adventszeit. In diesem Jahr habe ich wirklich Sehnsucht nach Licht. Und wenn ich am Abend noch eine Runde durch unseren Ort laufe, halte ich voller Hoffnung Ausschau nach Adventssternen in den Fenstern und leuchtenden Weihnachtsbäumen, aber - NICHTS! Noch kein Leuchten weit und breit! Nur in dem Garten am Ortsrand, wo fast das ganze Jahr bunte Lichter blinken. Da stehen Weihnachtsmann, Buddhafiguren, Gartenzwerge und östliche Kriegshelden dicht gedrängt nebeneinander- als hätten die Bewohner sich gesagt: Egal woran ihr glaubt, stellt es in unseren Garten und wir lassen es leuchten! Aber die restlichen Menschen an unserem Ort haben sich wohl vorgenommen bis zum Adventsbeginn damit zu warten.

Vielleicht steckt hinter meinem ungeduldigen Warten auf die Adventszeit ja auch die Sehnsucht nach ein bisschen heiler Welt. Ich hoffe auf dankbar strahlende Kinderaugen, auf das gemeinsame Plätzchen backen und Wohnung schmücken und dass wir uns abends fröhlich zur Kaminstunde vor unserem Ofen versammeln, um punschtrinkend einer spannenden Weihnachtsgeschichte zu lauschen.  Eine schöne Vorstellung. Die Realität wird leider anders aussehen. Ich werde alleine die Wohnung schmücken und Plätzchen backen (und letzteres war bei uns auch nie wirklich harmonisch!) und unser pubertierender Teenager wird an den meisten Tagen türeknallend nach Hause kommen, egal wie viele Kerzen bei uns leuchten. Die Abende, an denen wir uns harmonisch zur Kaminstunde versammeln können, werden wohl an einer Hand abzuzählen sein. Ich versuche nicht wehmütig durch alte Fotos zu scrollen und auch nicht sorgenvoll nach vorne zu schauen, wo sich die Aussicht auf unsere nächsten Jahre wie eine ungemütliche Abendrunde durch unseren dunklen Ort anfühlt (mit vielen Gewitterwolken am Horizont). Ich weiß. Ich höre erfahrenen Teenagereltern mutmachend sagen: "Das ist eine tolle Zeit! Du wirst es lieben! Endlich kann man auf Augenhöhe miteinander reden." Und ich denke mir: Nein. Das kann man bei uns so (zumindest noch) nicht sagen. Es sei denn mit "auf Augenhöhe" ist gemeint, dass wir die Fussballspiele vom vergangenen Samstag diskutieren oder die Wunschliste für die PS4-Games durchgehen, die er für Weihnachten gerne aufstellen möchte. 
Ich will hier wirklich nicht jammern, ich habe viel Grund dankbar zu sein. Das ist nur meine ehrliche Gefühlslage im Moment, nach zwei Tagen heftigen MIgräneanfällen. Doch, es gibt auch so viel Gutes in meinem Leben!  Aber da sind auch die Schatten. Die düsteren Stimmungen, die mich manchmal überfallen. Und vielleicht ist es genau richtig, wenn ich damit durch unseren dunklen Ort spaziere und nicht vorschnell eine Glitzergirlande drüberlege. Es könnte doch genau diese Lücke sein, zwischen unseren Vorstellungen wie das Leben sein sollte und wie es gerade eben ist, in die Gott seine Krippe stellt. Er kommt doch nicht in die "Heile-Welt-Versionen" unseres Lebens. Er bevorzugt den Stall. Die ganze Realität, mitsamt den Wut- und Migräneanfällen, den Diskussionen über die Handynutzung und den händeringenden Fragen, woher wir die Kraft für den nächsten Tag nehmen sollen.

"WIe soll ich dich empfangen?" singen wir in einem alten Weihnachtslied. Die einfache Antwort könnte sein: So wie wir sind. In dem Leben das wir haben. In dieser Welt, wie sie gerade ist. Wir könnten uns am Abend ein wenig ans Fenster setzen. Auf die dunkle Straße schauen und eine Einladung aussprechen: Jesus komm! Und dann? Still werden. Warten. Erwarten, dass er - alle Jahre wieder! - in unserer Welt ankommt. Und Licht mitbringt.

 


Donnerstag, 7. November 2024

Es wird regiert

Was war das, politisch gesehen, für ein aufwühlender Tag! Zuerst die Wahl eines US-Präsidenten, die bei vielen große Bestürzung auslöst. Weniger wegen der Partei die er vertritt, sondern weil er eine große Unberechenbarkeit mit in das Amt bringt (um es mal vorsichtig auszudrücken). Man weiß einfach nicht was er tun wird. Wird er sich mit Putin verbünden oder ihm mit einem Atomangriff drohen? (oder beides zugleich?) Wird er unterstützend an der Seite der Ukraine und an der Seite Israels bleiben, oder wird er sein "Amerika first!" auch hier wahr machen? Werden höhere Zölle weitere Arbeitsplätze bei uns gefährden?... Fragen, auf die viele Experten vorsichtig abwägend sagen: "Man weiß es einfach nicht." Und dann - mitten hinein in diese Unsicherheit - kam die Nachricht, dass die Ampelregierung in unserem Land zerbrochen ist. Was letztlich vorzeitige Neuwahlen bedeutet, bei denen man befürchten muß, dass sich die radikalen Positionen noch verstärken und unser Land unregierbar wird. Nein, ihr seid hier nicht auf einem Nachrichtenblog gelandet, aber manchmal bricht die große Politik in unsere kleinen Leben hinein und wir fragen uns besorgt, wohin das führen wird. Für uns. Für unsere Kinder...

Gestern habe ich länger mit meiner Nichte telefoniert. Sie ist hochschwanger mit ihrem ersten Kind und in wenigen Tagen ist ihr berechneter Entbindungstermin. In den Herbstferien hat sie uns besucht und ich durfte meine Hand auf ihren Bauch legen und bekam einen gehörigen Tritt von dem kleinen Jungen, dem der Platz dort drin nun langsam viel zu eng wird. "Was freue ich mich, wenn ich ihn endlich im Arm halten kann!", seufzte meine liebste und einzige Nichte, als sie sich aus dem Sessel schob.  Gestern habe ich sie also angerufen, um zu hören wie es ihr geht. Und weil ich ihr ein bisschen Mut vor der Geburt machen wollte. Aber sie klang ganz zuversichtlich, während sie auf ihrem Hüpfball saß und meine besorgten Fragen beantwortete. "Alles gut, DIna! Ich freu mich einfach, wenn ich bald nicht mehr schwanger bin", sagte sie lachend (ach, diese unbedarften Erstgebärenden!;-)). Am Ende hat unser Gespräch MICH ermutigt. Weil diese frohe Erwartung von einem neuen Leben auf mich überging: Ein kleines Menschenkind, das ungeduldig, wie ein Windhund vor dem Rennen, gegen seine enge Behausung tritt, um endlich nach draußen zu kommen in unsere große weite Welt! Um mit staunenden Augen das Lächeln seiner Eltern aufzufangen, sich umarmen und liebhaben lassen (auch von merkwürdigenTanten und Onkeln) . Um dann, angetrieben von Neugierde, zu robben und krabbeln und die ersten wackligen Schritte zu machen. Um zu tasten und zu greifen - nach glitschigen Regenwürmern, knisternden Blättern und dabei den schnellen, schmerzhaften Nasengriff zu perfektionieren, in jedes Gesicht das vor ihm auftaucht. Um zu fühlen und zu schmecken. Kürbisbrei und Karottenmus über sich ergehen lassen, bis es endlich die erste Butterbrezel in der Hand halten darf und nebenher vergnügt auf einen Bildschirm patschen kann, auf dem ein lustiger Mann mit orangenen Haaren wütende Dinge sagt. 

Ich will die (berechtigten) Sorgen unserer Zeit nicht kleinreden. Aber es hilft mir, wenn ich an die Generationen vor uns denke. Die ebenfalls mutig Kinder in die Welt gesetzt haben. Inmitten von großen Herausforderungen. Heute morgen las ich auf einer Statusmeldung die Worte von Karl Barth, der in Zeiten des Nationalsozialismus die Bekennende Kirche mitgegründet hat und der die Christen dieser Zeit eindringlich zum Widerstand aufrief. In der Nacht vor seinem Tod telefonierte er noch mit einem Freund und sagte dabei zu ihm: 

Ja, die Welt ist dunkel.... Nur ja die Ohren nicht hängen lassen. Nie! Denn es wird regiert.  Nicht in Moskau, Peking oder Washington. Es wird regiert von ganz oben, vom Himmel her! Nicht den Mut verlieren, es wird regiert! 

Was für ein Vermächtnis! Von einem Mann der den bösen Strömungen seiner Zeit Widerstand geleistet hat. Der sich eingemischt hat. Und für Versöhnung geworben hat. Bis zum Schluß. Und der in allem diesen kindlichen Blick zum Himmel behalten hat. Es wird regiert! Auch heute noch. Nicht den Mut verlieren! Auch nicht, wenn die Geburtswehen in der Welt zunehmen. Neues Leben ist unterwegs. Advent liegt schon um die Ecke. Der König kommt.