Mittwoch, 19. Dezember 2018

Heilige Nacht

Nun sind wir tatsächlich schon kurz vor Weihnachten! Wir haben den ersten Schnee gefeiert. Zuerst  bei einem Kurzbesuch im Schwarzwald und dann sogar vor der eigenen Haustür!






Leider schmilzt in der Stadt die weiße Pracht so schnell dahin. Inzwischen erinnert nur noch ein blauer Eimer und ein rotes Halstuch daran, dass da mal ein Schneemann stand. 
Heute morgen schaue ich nochmal auf die Liste der DInge die vor Weihnachten noch erledigt werden sollten. Sie ist beruhigend klein geworden. Die Geschenke warten noch darauf verpackt zu werden. Trotzdem sitzt die Festfreude noch nicht wirklich in den Startlöchern.  Ich sage müde zu Heio: "Ich bin jetzt schon froh, wenn Weihnachten vorbei ist!"  Wir feiern den heiligen Abend zusammen im Schwarzwald. Mit meiner Schwester und dem Onkel, der jetzt noch alleine in meinem Elternhaus wohnt. Bei dem Besuch letzten Woche habe ich versucht die Wohnung dort ein klein wenig weihnachtlich zu schmücken. Aber es wird nicht über die leeren Regale hinwegtäuschen. Und die leeren Plätze am Tisch.





Meine Gedanken sind bei all denjenigen, die dieses Jahr auch Lücken aushalten müssen. Leere Räume. Weil da jemand fehlt. Jemand der letztes Jahr noch da war. Oder jemand dessen Existenz im eigenen Leben seit Jahren schmerzlich vermisst wird. 
Ich denke an  eine Bekannte deren Mann in diesem Jahr ganz plötzlich verstorben ist. Wieviel Tapferkeit braucht es für sie und ihre Kinder, diese Tage durchzustehen! 
Ich denke an die Freundin deren Hoffnung auf einen Gegenüber mit dem sie durch dick und dünn gehen kann, sich auch in diesem Jahr nicht erfüllt hat. 
Ich denke an meine Weggefährtin die, auch dieses Jahr, Päckchen für die Kinder anderer Leute packen und dabei den Schmerz über die eigene Kinderlosigkeit als Kloß im Hals spüren wird. Du wirst es ihr nicht anmerken. Sie wird deinem Kind über den Kopf streicheln und dir frohe Weihnachten wünschen. Ich werde sie dieses Jahr ein bisschen länger drücken...
Ich denke an all die Menschen, die ihr Weihnachten weit weg von ihrer Heimat feiern, in einem Land wo man in kühlen Amtsstuben seine Geschichte erzählen muß; schlimmste Erlebnisse unter deren Schutt die Seele kaum noch atmen kann. Aber sie werden weiteratmen. Sie werden ihre Kinder ins Bett bringen und im Dunkel  Handybilder von der Heimat betrachten. Damals. Als alles noch gut war.
Und ich denke an die Freundin mit der ich zusammen auf eine Diagnose warte. Ab und zu werden an Weihnachten unsere Gedanken zu dem Arztbrief wandern, zu dem Verdacht auf und dahinter ein Schreckenswort. Und ich werde hoffe und beten, dass wir diese Verdachtsworte im neuen Jahr erleichert streichen können.

Oh weh. DAS soll jetzt eine Weihnachtspost sein?, denke ich beim Schreiben. Soll ich nicht ein paar heitere Worte vor den Weihnachtstagen finden? Und frohe, dankbare Worte gäbe es auch genug zu schreiben. Wirklich.  Es gibt so viel sichtbare Freundlichkeit Gottes die mich lächeln lässt. So viel Gutes was ich betrachten kann, am Ende dieses Jahres (der Jahresrückblick folgt noch). Aber hier und heute soll Platz sein für die leeren Räume. Für das Vermissen. Für die dunklen Nächte in denen wir uns sorgenvoll fragen wie alles werden wird. Wir brauchen das alles nicht an die Seite zu räumen. Im Gegenteil! In eine dieser Nächte wurde Jesus hineingeboren. Ich sehe Maria vor mir. In einer Notunterkunft. In der fremden Stadt. Erschöpft von den Geburtsschmerzen hält sie das kleine wimmernde Wesen in ihren Armen und flüstert: Schön, dass Du da bist Jesus! 
Schön, dass Du da bist Jesus! Auch in unseren Nächten. Du hältst uns alle. ALLE Menschenkinder. Hältst Schmerz und Trauer und Wut. Und dann wischt du die Tränen ab. Eine nach der anderen. Das kannst du so gut: Aus den Nächten eine Heilige Nacht machen. Einfach deshalb weil du da bist!

Ich stell mich ans Fenster, neben all diejenigen, die sich nach dir sehnen. Heiland der Welt. Wir warten auf dich!


GESEGNETE WEIHNACHTEN EUCH ALLEN!!!!

Dienstag, 4. Dezember 2018

Alle Jahre wieder.

So vieles im Leben geschieht in einem wiederkehrenden Rhythmus. Ich finde das hat etwas tröstliches, in einer Welt die sich ständig verändert und in der man sich oft genug neu anpassen muß. Da kommen die kleinen Rituale und vertrauten jährlichen Abläufe (maches erwünscht, manches befürchtet) wie ein alter bequemer Schuh daher, in den man schlüpfen kann.  Alle Jahre wieder: 

Ausstecherle backen. Geduld üben. Sich wundern warum die Kekse bei der eigenen Mutter irgendwie immer viel besser geschmeckt haben und sich fragen ob das dem Sohn auch mal so gehen wird? (das würde ja heißen die werden über Generationen immer schlechter? Oder ist es einfach der nicht wiederholbare Geschmack unserer Kindheit?)


Und sich fragen ob auch bei anderen das Küchenchaos dabei so groß ist?
Unerwartete kleine und größere Katastrophen. Das Leben halt, das uns geschieht, und Pläne unbekümmert über den Haufen schmeißt. Dieses Jahr: Heios "Hexenschuß". Der Arme kam ein paar Tage lang kaum aus dem Bett. Wir haben solidarisch mit ihm im Bett gefrühstückt und uns gefreut, dass der Papa, schön aufgeräumt, immer da ist.


Die Sternstunde in der Gemeinde. Unser jährliches Essern und Feiern für einen guten Zweck. Abends kam ich ziemlich erledigt nach Hause (der Mann hat einfach gefehlt!) aber ich bin immer noch total erfüllt über den wunderschönen Nachmittag mit vielen besonderen Gästen.





Unser Baum bekommt wieder seinen Platz auf dem Balkon und wird ordentlich geschmückt. Ich stelle, wie jedes Jahr, erstaunt fest, dass er tatsächlich ein kleines Stück gewachsen ist. Ganz unbemerkt. Langsam wird das Tragen ziemlich schwer.  Wir warten darauf, dass wir ihn richtig einpflanzen können, an einem Ort an dem wir - so Gott will - für längere Zeit Wurzeln schlagen dürfen. Vielleicht finden wir ihn im kommenden Jahr? Wir sind gespannt...


Freude über Adventskalender! Samu bekommt ihn jedes Jahr von der tollen Tante, mit ganz viel Liebe gemacht. Und ich freue mich über meinen echten und den virtuellen Weihnachtskalender von der wunderbaren Tine - wenn ihr wollt, könnt ihr euch hier mitfreuen.


Die Dampflok ist da! Heute mittag ist es wieder soweit: Wir werden zum Schloßplatz fahren und "Zügle" kucken. Großes Staunen, jedes Jahr aufs Neue.


Und auch das: alle Jahre wieder kommt die Gier nach Geschenken; der verführerische Gedanke, dass uns Dinge glücklich machen können. Wir stellen fest: Umso mehr das Kind bekommt, umso größer wird der Wunsch nach NOCH MEHR. Da hilft nur gegensteuern: Gemeinsame Zeit verschenken. Vorlesen. Im Dunkel nochmal rausgehen und Weihnachtsbäume zählen. Kerzen anzünden und Adventslieder singen....und immer wieder fröhlich an den eigenen, guten Vorsätzen scheitern.


In der Adventszeit häufen sich die Termine für Lesungen. Und ich finde in diese Zeit passt das Vorlesen, an gemütlichen Abenden oder beim gemeinsamen Frühstück, so gut! Die Adventszeit ist für mich ein thin place, eine Zeit in der die Trennungslinie zur unsichtbaren Wirklichkeit durchlässiger wird und unsere Herzen ein bisschen weicher und weiter werden können.
 

Und ich liebe es, neue Weihnachtstexte für die Lesungen zu schreiben. Hier ein kleiner Ausschnitt für euch. Der Titel - ihr ahnt es: Alle Jahre wieder. Für einen kleinen, ruhigen Moment in dem ich euch "vorlesen" darf: (vorausgehend sind ein paar Gedanken über die Geburt, wie ich sie bei Samuel erlebt habe und wie Maria das wohl erlebt haben muß; wie, so alles überfordernd und chaotisch und wunderbar, neues Leben zu uns kommt):

Während ich hier schreibe, in meiner warmen Küche, singt Samuel im Nebenzimmer, völlig schräg: Alle Jahre wieder! Heio flieht zu mir ins Zimmer und verdreht die Augen. Er mag keine kitschigen Weihnachtslieder. Und wenn sie theologisch falsch sind, erst recht nicht. Alle Jahre wieder - als ob!
Aber vielleicht ist es tatsächlich so! Vielleicht kommt der immer gegenwärtige Jesus wirklich alle Jahre wieder bei uns an. Mittenrein in das ganze Durcheinander in das wir so oft geraten und über das wir so viel weniger Kontrolle haben als wir denken. In Streitereien und müdes Warten, Erkältungen und Menschengedränge. In komplizierte Familienverhältnisse, in das Chaos von geplatzten Einkaufstüten bis zur geplatzen Fruchtblase. Alle Jahre wieder. Kommt er zu uns. Auch zu denen für die diese Tage schmerzhaft ruhig und unendlich lang sind und diese ganzen Familienfeierlicheiten nur eine Erinnerung daran sind, was eben nicht da ist. Nie da war. Oder dieses Jahr zum ersten Mal fehlt. Und alles was man tun kann ist in den Schmerz zu atmen, auch wenn man vielleicht kein Ahnung hat wie das geht. Auch hier hinein, gerade auch hier hinein, kommt der Erlöser. Er kommt in das ganze, oft so komplizierte Leben, das unseres ist. Trotz aller Widrigkeiten kommt er bei uns an. Er schafft das. Er erwartet nicht, dass wir erst einen Achtsamkeitskurs besuchen, oder zumindest ein wenig unserer innere Balance herstellen, um ihm dann angemessen Raum und Zeit zu schenken. Jeder Raum ist gut genug für den Retter der Welt. Unter Geschrei und Schmerzen und Hoffnungsanfällen und „Ich kann nicht mehr!“, wird uns Christus in die Arme gelegt. Jedes Jahr aufs neue. Und er bringt Hoffnung mit. Auch wenn wir uns oft so wenig dafür bereit fühlen. Immanuel. Gott mit uns. DAS ist Verheissung. Einladung. Und Wirklichkeit. Seine sanfte Gegenwart bricht herein und hält uns fest, wie eine weiche Babyhand , die sich um unsere Finger schließt. Er findet uns. Unser Leben lang. Er war da, als wir mit staunenden Kinderherzen Maria und Josef und das Jesuskind betrachtet haben und strahlend Geschenke in Empfang nahmen, und er war da in den Jahren in denen uns so wenig nach Strahlen war. Er findet uns in den guten und vollen und oft auch so müde Jahren. Er kommt in krisengeschüttelten und fruchtbaren Jahre und auch in die stiller werdende, in denen wir von Erinnerungen zehren und das Vermissen und die Dankbarkeit immer mehr Raum einnehmen dürfen. Er kommt. Alle Jahre wieder. Mit hoffnungsvoller Nähe. Unser ganzes Leben lang. Was für ein tröstlicher Gedanke; so richtig um JETZT UND HIER für einem kleinen Moment: einfach zu stehen und zu staunen.