Gestern, beim Lesen auf anderen Blogs, kamen mir mal wieder die Zweifel, ob es denn genug ist was ich hier schreibe.
Ich habe keine außergewöhnliche Lebenssituation die spannend zu erzählen wäre und leiste keine herausragende Arbeit in irgendeinem armen und gefährlichen Land.
Ich habe keine besonders auffällige Begabung zum Schreiben und ich kann euch auch keine
tollen "do-it-yourself"- Sachen vorführen (gut, ich könnte euch unseren Küchenvorhang zeigen, den ich letzte Woche selbst gemacht habe - ohne zu
nähen uns zu bohren, aber er fällt beim Öffnen des Fensters meistens zu
Boden!) .
Und wenn hier mal was tiefsinniges steht, dann sind es meistens Zitate von anderen klugen Leuten.
Eigentlich schreibe ich über so normale und gewöhnliche Dinge - wie Ehestreit und Kind in die KiTa bringen - dass ich mich Frage, ob die Seitenaufrufe nicht ein fake sind und mein liebster Mann ein paar Leute dafür bezahlt, hier immer wieder mal vorbeizuschauen.
Das erinnert mich daran wie enttäuscht ich war zu erfahren, dass die ganzen lieben Postkarten und Briefe die wir nach unserer Hochzeit bekommen haben, von meiner Schwägerin organisiert wurden. Sie hat die Leute an unserem Hochzeitsfest dazu eingeteilt uns in unserem ersten Ehejahr monatlich zu schreiben. Und ich war ganz begeistert wieviel Post wir bekommen und dachte die Leute machen das freiwillig (ok, es war ja freiwillig, aber dann auch wieder nicht so richtig, ihr wisst was ich meine).
Ähm, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, dass ihr tatsächlich freiwillig hier vorbeischaut... vielleicht ist es ja auch in der Hoffnung: irgendwann muss ja mal was interessantes hier stehen:-). Das ist jetzt kein "fishing for compliments", sondern etwas was mich eigentlich schon mein Leben lang beschäftigt: der Wunsch, dass das was ich tue und wie ich lebe, etwas besonderes, etwas außergewöhnliches ist.
Die christliche Kultur, in der ich aufgewachsen bin, hat diesen Gedanken noch verstärkt. Da war viel die Rede davon etwas großes für Gott zu machen: "Gott hat einen Plan mit deinem Leben", "Du kannst mit Gott die Welt verändern", "Gott hat eine besondere Berufung für dich!" - und ich wollte das so gerne glauben.
Da ich ein ganz gewöhnliches Mädchen aus dem Schwarzwald war, ohne berühmte Eltern und ohne krasse Vergangenheit - beides Dinge mit denen man damals in christlichen Kreisen hätte punkten können - dachte ich: ich werde etwas krasses für Gott machen. Ganz bestimmt will ich kein gewöhnliches Leben, mit Mann, Kind und Eigenheim. Ich lebe lieber ungewöhnlich.
Der Start dazu war denkbar schlecht: ich machte eine Ausbildung zur Krankenschwester, was so ungefähr jedes zweite christliche Mädchen gemacht hat.
Ich hätte wahlweise noch Erzieherin werden können, aber nach dem Vorpraktikum in einem Kindergarten war ist so genervt von den Kindern, dass ich (ohne jede Leidenschaft) Krankenschwester gelernt habe. Innerlich war mir klar: das ist ja nur vorübergehend bis ich meine große Berufung finde.
Natürlich wollte ich nie in einem "normalen" Krankenhausbetrieb arbeiten und habe mir dann die eher heftigen Aufgaben ausgesucht: Pflege bei AIDS-Kranken (war anfang der 90-er noch nicht so beliebt), Arbeit mit Drogenabhängigen und dazwischen internationale Einsätze.
Ich war an der Gründung der "Jesus-freaks" in Stuttgart beteiligt und wir waren von dem Gedanken erfasst, etwas außergewöhnliches, neues und anderes zu machen, wie alle anderen Gemeinden zu der Zeit.
Und vieles davon war wirklich außergewöhnlich: Punkmusik im Gottesdienst, bekiffte Prediger und Alkoholausschank während dem Gottesdienst , das war eher ungewöhnlich (das ist heute nicht mehr so bei uns, ok!:-)). Ja, es sind tatsächlich wilde Dinge passiert und auch wunderbare außergewöhnliche Sachen. Aber ich bin eigentlich immer "nur ich" geblieben: ein ganz gewöhnliches Mädchen aus dem Schwarzwald (nichts gegen Schwarzwälder, da gibt es ja auch außergewöhnliche Menschen, man denke nur an Tony Marshall oder Jürgen Klopp;-)).
Und heute lebe ich ein ganz gewöhnliches Leben und ertappe mich dabei,wie ich kinder-wagenschiebend durch Stuttgarts Vororte laufe und sehnsüchtig die Eigenheime der Menschen betrachte.
Klar, es gibt noch Träume, Dinge die ich gerne tun würde, aber ich bin mir nicht mehr so sicher ob ich wirklich eine "außergewöhnliche Berufung" möchte.
Manchmal, wenn ich die Leute in der Bibel anschaue oder Leute die heutzutage eine krasse Berufung leben, denke ich man kann vielleicht froh sein wenn man nicht zu diesem erwählten Kreis gehört. Der Preis dafür scheint sehr hoch zu sein (zumindest wollte ich keine 40 Jahre mit einem mürrischen Volk durch die Wüste wandern oder mein Zuhause mit 100 Strassenkindern teilen).
Ganz leise kommen auch die Zweifel dazu, ob dieses "besonders sein wollen" nicht eher etwas mit unserer Kultur wie mit dem christlichen Glauben zu tun hat. Vielleicht wurden ja die krassen Geschichten so sehr in den Mittelpunkt gestellt und nur über extreme Leben wurden Bücher geschrieben, dass die vielen einfachen und gewöhnlichen Leben daneben, scheinbar unbedeutend sind.
Heute morgen habe ich die Bibelstelle in Timotheus gelesen:
" Ich ermahne euch nun zum Gebet.... und dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in Gottesfurcht und Ehrbarkeit. Das ist schön und angenehm vor unserem Gott."
Ich glaube darüber habe ich noch nie eine Predigt gehört.
Dafür aber einige zum Thema:
Verkaufe alles was du hast und gib es den Armen
(nicht dass ich das jemals getan hätte, aber diese Stelle hat eben Pfeffer!).
Aber ganz langsam, mit den Jahren, ahne ich, dass das alles vielleicht nicht das Entscheidende ist. Ich lerne meine eigenen Verletzungen anzuschauen und versuche in dem Wissen Frieden zu finden, dass ich geliebt bin, so wie ich bin.
Ich habe lange versucht (bewusst oder unbewusst) etwas besonderes, etwas außergewöhnliches, hinter meinen Namen zu schreiben:
Christina, die eine krasse Arbeit macht
Christina die jedem hilft und sich aufopfert
Christina, die toll predigt
Christina die internationale Rednerin die Bücher schreibt (Wunschtraum!)...
aber all das ist kein wichtiger Teil meines Namens.
Es soll überhaupt nie (wieder) Teil meines Namens sein.
Mein Name ist einfach: Christina, von Gott geliebt.
Damit ist das Wichtigste gesagt. Ich bin, so wie ich bin, von Gott geliebt. Und dieser Zusatz macht mich, macht jeden von uns zu etwas außergewöhnlichem.
Und wenn die Welt etwas braucht, dann sind es Menschen die diese Liebe annehmen und sie überfliessen lassen, im ganz gewöhnlichen Alltag.
Wie sagte Mutter Theresa (wieder so eine besondere Berufung!):
Es geht nicht darum große Dinge zu tun, sondern die kleinen DInge mit großer Liebe.
Und hier und da kann ich vielleicht dann doch etwas außergewöhnliches tun, aber es wird dann hoffentlich nicht mehr so wichtig für mich sein.
Es ist nicht meine Identität.
Mein Name ist ein anderer.
Das schreibt Euch: Christina, die von Gott geliebte.