Montag, 25. September 2023

Dringlichkeiten

Draußen wird es langsam Herbst  - meine Lieblingsjahreszeit! In diesem Jahr ist sie angefüllt mit Lesungen, auf die ich mich schon sehr freue, die mich aber auch immer noch ein wenig in innere Anspannung versetzen. Wird das, was ich habe, genug sein? Gleichzeitig ist in meinem Freundeskreis gerade viel Not, deshalb fiel mir gestern die sonntägliche Offline-Zeit richtig schwer. Ich wollte so gerne erreichbar sein, falls ich gebraucht werde (hat jemand meinen Notfallpiepser gesehen? ;-)). Ich fühle mich wie die beschäftigte Martha in der Jesusgeschichte, die es vor lauter innerer Unruhe nicht schafft, die Hände mal in den Schoß zu legen und einfach die Nähe von Jesus zu genießen. 

Passend dazu lese ich diesen wunderbaren Rat  aus einem Brief von Henri Nouwen, an seine sehr beschäftigten Freunde. Er schreibt ihnen: 

Achtet darauf, dasss ihr genug inneren und äußeren Raum für euch selbst habt. Es ist sehr wichtig, dass ihr nicht ständig überfordert seid. In den USA scheint jede Situation schnell dringend zu werden.Aber letztlich ist es vielleicht mangelnder Glaube. Mir wird das bewusst, wenn ich sehe, dass die Franzosen jeden Tag eine zweistündige Mittagspause abhalten, um in Ruhe zu essen. Nichts scheint für sie so dringend zu sein wie eine gute Mahlzeit. 

(aus: Love, Henri, unveröffentlichte Briefe über Freundschaft, den Glauben und ein spirituelles Leben).

Ach genau, ein bisschen französische Leichtigkeit! Un Croissaint et une cafe au lait, si vous plait! (viel mehr ist von vier Jahren Französischunterricht nicht hängengeblieben). Und ich merke, dass auch bei mir dieser Zusammenhang zwischen dem Gefühl von Überforderung und mangelndem Vertrauen besteht. Ich tendiere stark dazu, mich selbst, mein Tun und meine Bedeutung für andere viel zu wichtig zu nehmen! Und am Ende stehe ich wie die gute Martha erschöpft und genervt in der Küche und pampe meine liebsten Menschen an, warum sie mich nicht ein bisschen mehr unterstützen können oder wenigstens ihr eigenes Chaos wegräumen! Hah. 

Ich glaube es wird Zeit, der Dringlichkeit von längeren Spaziergängen und guten Mahlzeiten nachzugeben. Und mein Vertrauen darauf zu setzen, dass Jesus sich um alles kümmern wird (inklusive darum, mein inneres Chaos wegzuräumen). 




Dienstag, 19. September 2023

Und wie geht es euch so mit der Digitalisierung?

Ach, was für ein Thema, oder? Aber mein Jahreswort "Echtzeit" bringt mich immer wieder dazu, über meinen eigenen Umgang mit den sogenannten Sozialen Medien nachzudenken. Und auch wenn man ein Kind im schulpflichtigen Alter hat kommt man am Thema Digitalisierung nicht vorbei. Leider. 

Aber zuerst mal: Ich bin wirklich dankbar! Für die Erfindung des Internets (hmm, hat das jemand erfunden? Ach, ihr wisst was ich meine;-)) und eines Geräts das sekundenschnell Nachrichten weiterleitet, mir während dem Putzen inspirierende Podcasts vorspielt, mich mit Menschen verbindet die ich sonst nie, nie kennengelenrt hätte und das wäre so schade und dass ich einen Blog und Bücher schreiben kann und nicht mehr zu Bank muss, um Überweisungen abzugeben und alles das und noch viel mehr: DANKE von Herzen, liebes Internet!  
Aber du raubst mir oft genug auch Lebenszeit und Seelenfrieden. Und das nicht erst seit mir ein Mitbewohner zunehmend verzweifelt in den Ohren liegt mit dem Ruf: "ALLE haben eins, Mama! ALLE! Nur ich nicht!" Wir sind derzeit die technikfeindlichen Eltern, die ihrem Kind das Liebste vorenthalten, was es sich jemals gewünscht hat und sich je wünschen wird: Ein Handy. Ein Smartphone! ("Tastentelefon wäre ja total peinlich, Mama!"). Seit sein bester Freund auch so ein Teil hat (der aber auch ein halbes Jahr älter ist als er!), ist die letzte Grenze gefallen. Und während das Kind jammernd an mir hängt schaut mich mein Mann  an und wiederholt mantrahaft: "Nicht umfallen, Christina! Nicht umfallen!" Ich komme mir vor wie ein erschöpfter Krieger der weiß: Die Kapitulation ist nicht mehr weit. In naher Zukunft werden wir - all unserer Bedenken zum Trotz! - unserem 12-Jährigen ein Gerät in die Hand drücken, auf das er Apps laden wird, die von hochintelligenten Menschen produziert wurden, die ihre Fähigkeiten dafür einsetzen unser Kind (und uns alle) süchtig zu machen so lange wie möglich online zu halten.

Aber er braucht es ja so dringend! Weil er Whatsapp benötigt (eine App, die man laut Geschäftsbedingungen erst ab 16 Jahren nutzen darf!) , um beipielsweise zu wissen was seine Klassenkameraden gerade frühstücken und ob sich ein Lehrer morgens spontan krank meldet. Dann wäre er ja der Einzige, der vor verschlossener Türe steht und wir wären ganz umsonst früh aufgestanden! Letzteres ist für mich ein sehr überzeugendes Argument. Sonst überzeugt mich wenig. Vielleicht weil ich kein Digital Native bin. Ich habe meine Kindheit und Jugend noch ohne Handy und Smartphone überlebt und fand das gar nicht schlecht. Aber wir leben doch  jetzt in einer anderen Zeit! Und was man vorenthalten bekommt steigert die Gier (denk nur an das Fernsehverbot deiner Kindheit!) Und überhaupt:  Das Kind muss doch den gesunden Umgang damit lernen! So tönt die mahnende Stimme in mir. Aber mein gesunder Menschenverstand hält auch dagegen,  dass ich immerhin die meiste Zeit meiner Kindheit draußen verbracht habe und nicht vor einer Flimmerkiste und dass ich einem 12-Jährigen auch keine Haschkekse zum Nachtisch serviere, damit er den Umgang mit weichen Drogen lernt. Und die digitale Handhabung hat er wirklich sehr schnell gelernt!  Das habe ich an dem iPad gesehen, den er Anfang der 5. Klasse aus der Schule mitgebracht hat. Wir Eltern wurden nicht mal gefragt, ob wir so ein Gerät Zuhause haben wollen!  Wir wollten es nicht. Ich wollte dieses Teil nicht jeden Tag aus den Händen meines hypnotisierten Sohns reißen und es an einem Ort verstecken, der mir an nächsten Morgen nicht mehr einfallen wird. Und überhaupt: ich frag mich ernsthaft woher die Finanzierung dafür kommt, wenn für Schulen nicht mal genug Geld vorhanden ist, um Toiletten zu renovieren oder Lehrern ihr Gehalt über die Sommerferien zu bezahlen. Ich spekuliere schon wild vor mich hin, dass die teuren Endgeräte die großzügige Gabe eines Sponsors sind, der ganz gerne unsere Kinder mit weit aufgerissenen Augen vor dem Display sitzen hat. Oh, ihr merkt: diese Thema bringt mich ein wenig in Wallung.  Ganz ehrlich: Wenn es nach mir ginge würde mein Kind erst zum Schulabschluss ein Smartphone bekommen. Dafür hätte es dann aber eine längere Aufmerksamkeitsspanne, wir hätten weniger miteinander gestritten und mehr Freude am echten Leben gehabt.  Aber die Wahrheit ist: Ich werde einknicken. Und am Ende wird es der einfachste und schlechteste Grund der Welt sein: Weil es alle anderen auch tun. 

Aber ich gebe noch nicht auf. Versuche subtil das Kind zu beeinflussen indem ich ihm zeige, dass MIR mein Smartphone nicht so wichtig ist. (Vorbild ist ja immer noch die beste Erziehungsmethode). Das gelingt leider nur mäßig. Wenn ich dann versunken auf dem Sofa sitzend Nachrichten anklicke, die mich eigentlich überhaupt nicht interessieren, nutzt das Kind die Chance, um sich mit einem aufsässigen "Darf ich auch mal? Nur kurz!" " neben mich zu quetschen. Nur kurz ist ein Synonym für: So lange, bis du mir das "Gib es wieder zurück!" in der schreienden Version lieferst. "Lass mich noch kurz!", sage ich versunken und bestelle mir ein Buch, bei einem Online-Großhändler, dem ich inzwischen willenlos verfallen bin. Titel: 10 Gründe warum du deine Social Media Accounts sofort löschen solltest. Ich fürchte es sind 10 überzeugende Gründe (werde hoffentlich nicht einsam sterben, während alle anderen auf Insta und co. wilde Parties feiern). Noch besser würde mir ein Buch gefallen mit dem Titel: 100 wunderbare Gründe, warum du dein Smartphone sofort aus der Hand legen solltest.   
Einen davon hat unser Sohn ganz neu entdeckt: Lägerle bauen! (auf deutsch: aus Zweigen im Wald kleine Lager bauen - die kindliche Form des schwäbischen Häusle-bauens!). Heute mittag habe ich ihn, mit einiger Überredungskunst, nach draußen geschoben, Richtung Fussballplatz und Wäldle. Stunden später kommt er verschwitzt und fröhlich wieder. Während ich mir innerlich auf die Schultern klopfe und in Erwartung eines friedlichen Abendessens den Tisch decke, ruft es aus dem Bad: "Kann ich jetzt aber dein Handy haben, Mama? Nur kurz!"  
 

 

Link zum Thema (mit hilfreiche Tipps für einen gesunden Umgang mit digitalen Medien) : Droge Handy Hartls Senf 

auch ein guter Grund: die Lieblingsjahreszeit steht vor der Tür!

Montag, 11. September 2023

Wo sich das Glück versteckt

"Und, wie war euer Sommer?" So haben wir uns am diesem Sonntag im Gottesdienst  begrüßt. Obwohl der Sommer noch nicht ganz vorbei ist. Aber die Ferien sind um. Jetzt auch in unserem Bundesland. Wir nehmen Anlauf für den nächsten Abschnitt des Jahres, aber wie das so ist, wenn man Anlauf nimmt: Da ist zuerst dieser kleine Schritt zurück. Den will ich heute hier machen. Ich will nochmal zurückschauen, auf diesen Sommer, den ich mit niedriger Erwartungshaltung begrüßt habe. Und dann hat er mich doch beschenkt. Vor allem mit den Momenten, die mir meistens gar nicht einfallen wenn ich mal eben so gefragt werde: "Wie war denn dein Sommer?"  Das Glück versteckt sich doch so oft in den kleinen Dingen! Und dann benimmt es sich wie ein verschreckter Hase unterm Sofa:  man muss es geduldig anlocken und  im richtigen Moment packen. Dann kann man es noch ein wenig halten, bevor es einem wieder vom Schoß hüpft. Heute habe ich nochmal nach dem Glück unseres Sommer gesucht und  hier ist mein Dank, den ich festhalten will:

Ich danke Dir, Gott, für das Softballspiel vor unserer Garage und den Regenbogen, den wir dabei entdeckt haben - einen doppelten sogar! 

Und danke für die Freudenwellen, die unser Kind im Wellenbad ergriffen hat - dieses pure Glück, das da über ihn hereinbrach! Danke für das Glück des Zuschauens und für die Mitfreude.

Danke für den Eiskaffee unterm Kirschbaum, für das Stockbrot und die versonnenen Blicke in die Glut. Und danke für Gespräche, die sich ausdehnen konnten wie die langen, warmen Abende. 

Ich danke dir für die frisch gemähten Felder und das Kitzeln der Grashalme auf den Fußsohlen. Und für den Duft vom frisch gemähtem Gras - dafür danke ich dir auch!

Und danke für die Sternschnuppe - die erste meines Lebens, die ich sehen konnte! - für das Wetterleuchten und für den Moment als wir im Dunkel saßen und den Regen langsam näherkommen hörten. Danke für den Regen, nach vielen heißen Tagen. Und für die Sonne, nach dem vielem Regen. Danke für die Ernte im Garten und für die Apfelbäume, die uns mit ihrem Schatten, und in diesem Jahr mit einer gnädigen Auszeit, beschenken.

Danke für das Buch, das mich zum Lachen brachte über Dinge, um die ich mir oft so  viele Sorgen mache. Und danke für den Jubel am Morgen und dafür, dass ich ab und zu merke,dass Gebete erhört werden. Und danke, dass es davon noch so viel mehr gibt als ich meine. 

Danke für die Fahrt zum Flohmarkt, mit wehenden Haaren und die Schätze die wir gefunden haben. Danke für das Baden im Fluss und für den neuen Badeanzug. Und besonders danke für  die Verkäuferin, die mich schöner sah, als ich mich sehen kann.

Danke für das Nichtstun. Für Pflaumeneis und Füße baumeln lassen. Für das Stillhalten können. Für die Kreativität, die durch die Tür der Langeweile spaziert. Fürs Daseins-Glück.

Und dann danke ich dir noch für kilometerlange Bewahrung und für unzählige Versöhnungsmomente und den Frieden, den Äußeren und den Inneren, der sich immer wieder in deiner Nähe einstellt. Und meinetwegen auch danke für die Pubertät und die Wechseljahre, für Lebens- und Jahreszeiten, die kommen und vorübergehen. Ein herzliches Danke für das Vorübergehen!

Danke für die vergänglichen Dinge, für die Blumen auf dem Feld, die dieses Jahr so besonders schön waren, für den vollen Kühlschrank und das Essen auf dem Tisch. Danke für die weiche Strickjacke und für die kühlen Abenden, an denen wir sie gebraucht haben.

Danke für die vielen Sonnenuntergänge -  jeder ein Kunstwerk für sich! -  und für die  Gnade, die maßlose Gnade, die jeden Morgen so geduldig auf uns wartet.

Für alles das danke ich Dir.