Der Advent ist mal wieder in unsere Tage gepurzelt, wie ein längst angekündigter Besuch, auf den man sich lange im voraus gefreut hat und dann rennt man doch aufgescheucht von seinem Klingeln an die Tür und begrüßt ihn mit nassen Haaren, Staubsauger im Flur und Chaos in der Küche. Und in diesem Jahr läuft auch noch der Fernseher im Wohnzimmer! Ja, ich gestehe: Wir schauen die WM. Ich wollte sie wirklich, wirklich boykottieren, aber kam dann einfach nicht gegen die Übermacht von zwei fussballbegeisterten Mitbewohnern an. Nun bin ich die Erste, die am Frühstückstisch wissen will wer heute spielt und die Letzte, die abends noch chipsessend vor dem Fernseher sitzt. (ich habe mich sozusagen der Bürgerbewegung "Jetzt erst recht hinschauen" angeschlossen ;-)). Ach ja, wie philosophierte der kluge Kierkegaard so treffend:
Wehmütig grüßt der, der ich bin den, den ich sein möchte.
Wer könnte ich nur sein, wenn ich mal wirklich konsequent wäre! Wie schlank könnte ich sein, wenn ich nicht ständig weitergegessen hätte obwohl ich keinen Hunger mehr hatte (viele, viele Brezeln)! Wie sportlich könnte ich sein, wenn ich meine kleine Joggingrunde am Abend beibehalten hätte! Wie fließend könnte ich heute russisch sprechen, hätte ich nicht nach ein paar Stunden Unterricht aufgehört, weil ...ja, warum eigentlich? Wie in mir selbst ruhend könnte ich sein, wenn mein Mund voll Klarheit und mein Ja ein Ja und mein Nein ein Nein wäre. Und wie entspannt könnte ich die Adventszeit begrüßen wenn die WM im Sommer geblieben wäre - wo sie definitiv hingehört! - oder ich konsequent geblieben wäre (Schreibt man Konsequent überhaupt so? Sieht komisch aus. Ich kann dieses Wort nicht mal richtig schreiben - geschweige denn SEIN!) Ach ja, wehmütig grüße ich von weitem den Menschen, der ich sein könnte...
Aber - ihr ahnt das ABER - eins habe ich gelernt: Gott ist da zum Glück ganz anders! Schon so oft habe ich darüber geschrieben und muss mich doch immer wieder daran erinnern: Gott wartet nicht wehmütig in der besseren Version unseres Lebens auf uns! Er ist ein großer Künstler, der immer mit dem Material arbeitet, das vorhanden ist! Was er aus Scherben und Dingen machen kann, die andere auf den Müll schmeißen würden - der Hammer!!! (gebt mal in der Suchmaschine Kunst aus Müll ein und staunt über die Bilder; und Gott kann das noch viel, viel besser!).
Also versuche ich mich zu entspannen. Ich lasse den Advent eintreten, halte ihm eine Chipstüte hin und nach dem Schlusspfiff hängen wir gemeinsam den Herrnhuter Stern in die Wohnzimmerecke (der jedes Jahr ein bisschen zerknitterter aussieht - genau wie ich!). Dann zünden wir zusammen die Kerzen an und ich sage, etwas schuldbewusst: "Schön, dass du da bist! Ich hab mich wirklich auf dich gefreut!" Und er sagt lächelnd: "Genau dasselbe, wollte ich dir auch gerade sagen."
Und wer spontan noch Zeit und Lust hat . Herzliche Einladung: