Nach ein paar weiteren wunderbar nutzlosen Tagen (Gott sei Dank für Herbstferien!) bin ich wieder zurück am Schreibtisch. Aber der gewohnte Alltag ist noch nicht eingekehrt. Das Kind ist seit Montag im Schullandheim. Ich zähle die Tage und Nächte bis er wiederkommt. Ich hoffe mein Sohn vermisst mich nicht so sehr wie ich ihn vermisse. Als er am Montag ganz tapfer in den Bus eingestiegen ist, mit den vielen coolen - und auch viel größeren! - Jungs, habe ich noch kurz überlegt seine Lehrerin zu fragen ob ich mitfahren darf. Heio hat mich zurückgehalten. Wir haben drei Finger in die Höhe gehalten - ein Zeichen für die drei volle Tage, die er nun weg ist. Drei Tage. Und vier Nächte. Das ist der überschaubare Zeitraum, den wir ihm vor Augen gemalt haben (leider habe ich ihm das Heimweh-Gen unserer Famile großzügig weitervererbt). Bis in drei Tagen! - so steht es auf dem großen Zettel, den er mit einem Herz ausgeschmückt, an unsere Wohnungstür gehängt hat. In Klammer: Ihr seid ja da. Ja. Wir sind da. Ach, ich liebe ihn so sehr. Ganz besonders merke ich das wenn er schläft oder grade nicht da ist. Was er wohl gerade macht? (denke ich diese Woche so ungefähr 100 Mal am Tag).
Ich versuche mich abzulenken. Nutze einen der freien Abende und folge der Einladung einer Freundin. Zusammen mit drei anderen Mamas sitze ich in ihrem Wohnzimmer und wir hören uns einen Podcast an - über Erziehungsfragen! (keine wirklich gute Ablenkung:-)) Viele gute Gedanken waren dabei, die ich fleissig mitgeschrieben habe. Was habe ich alles falsch gemacht! Seit über 11 Jahren! Wir sollten dringend für einen guten Therapeuten für das Kind sparen. Ehrlich. Ich war kurz davor die Lehrerin im Schullandheim anzurufen und sie zu bitten, meinen Sohn zu wecken und ans Telefon zu holen, dass ich mich bei ihm zu entschuldigen kann. So sehr ich auch dagegen ankämpfe: In Sachen Erziehung schwimmen bei mir die Schuldgefühle oben drauf wie das Fett in der Suppe. Aber unterm Fett sind meist die nahrhafte Gedanken. Zum Beispiel, dass Gott uns immer, immer zugewandt bleibt! ER ist ja da. Denkt so viel mehr als hundert Mal am Tag an uns! Und zu ihm dürfen wir immer wieder heimkommen. Gnade und Barmherzigkeit empfangen. Ein Leben lang. Und auch ganz am Ende der Strecke (noch drei Tage und vier Nächte!).
Ach, wie sehr wünsche ich mir, dass mein Kind diese Liebe Gottes in seinem Leben ganz echt und anfassbar erfährt! Und vielleicht sind es gerade die Situationen, wenn ich ihm nicht nah sein kann oder wenn ich ihm im Alltag mal wieder nicht gerecht werde, in denen er sein lebenslanges Gespräch mit Jesus beginnen wird. Vielleicht an einem Abend im Schullandheim, in dem er mit heimwehkrankem Herzen zwischen den "coolen Jungs" liegt. Oder wenn ich mal wieder die Geduld verliere und ihn nicht angemessen durch seine Not begleite. Auch wenn ich mir heute vornehme, dass das ab jetzt anders wird und mein Kind morgen einer ausgeglichenen und immer liebenden Mutter in die Arme springen wird. Ich weiß, die Realität sieht (leider) anders aus. Meine Weggefährtin Anne drückt das in ihrem Buch so wunderbar aus:
So sehr ich auch an mir arbeite und alles dafür tue, wieder und wieder werde ich denen, die ich liebe, weh tun... Während mich meine Schuld fast erdrückt, schreie ich zu Gott, dass er mir zeigt, was ich tun soll. Dass er mir zuspricht, dass es ausreicht. Doch das tut er nicht.
Er bleibt still.
Bis ich in einem Buch folgende lese: "Du bist nicht genug."
Und da wird es nach Monaten das erste Mal ruhig in mir. Weil ich weiß, dass das stimmt. Und weil es mir keine Angst mehr macht.
Denn da steht auch: "Deshalb wird dein Kind einen Retter brauchen."
(aus: Wir feiern uns durchs Jahr, Anne Gorges, Neukirchener Verlag)
Dieser tröstlichen Wahrheit kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Ich bin nicht genug. Ich brauche einen Retter. Und mein Kind auch. Wie gut, dass wir seine Ankunft bei uns Menschenkindern jedes Jahr wieder aufs Neue feiern dürfen. Es ist November. Wir kämpfen uns noch ein paar Wochen durch den Nebel. Aber die Tage bis Weihnachten kann man schon zählen....
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen