Mittwoch, 10. Februar 2021

Kleine Winterpause

 

 

Wieder ist draußen Schnee gefallen. Langsam lässt die Begeisterung ein wenig nach mit der wir ans Fenster rennen und das Kind ist auch nicht mehr so leicht nach draußen zu bewegen mit dem Hinweis: "Das ist vielleicht der letzte Tag an dem wir Schlittenfahren können!" Wir hatten schon viele "letzte Schneetage". Und jetzt liegt wieder wunderbarer Pulverschnee vor der Tür. Er erinnert mich daran: Der Winter ist noch nicht vorbei. Der Lockdown auch noch nicht. Das Leben, das von hinten schon wieder drückt und schiebt und mich in Unruhe versetzen will, soll sich noch gedulden und eine Runde rodeln gehen. 
Es ist immer noch die Zeit in der wir uns am frühen Abend mit einem spannenden Buch ins Bett verkriechen (die Ausgangssperre macht`s möglich: Besuch kommt nach 8 Uhr eh keiner mehr!), in der wir morgens gaaanz langsam in die Gänge kommen (Schule beginnt erst um 9 Uhr vor dem Computer und kein Mensch sieht`s wenn man noch die Schlafanzughose anhat!), in der die Cafeeröffnung der Freundin noch einmal nach hinten verschoben wird (JA- ich werde in einem Cafe mithelfen! Irgendwann. Wenn das Leben uns wieder nach vorne schubsen darf!) und in der wir die Mittagsruhe so lange ausdehnen können wie diesen Satz, der sich zieht und nun endlich zu einem Punkt kommt. Einen Punkt will ich auch hier machen. Nächste Woche sind Faschingsferien. So ganz ohne Fasching. Was uns nicht wirklich fehlen wird (entschuldigt liebe Narren und feierfreudige Rheinländer!). Wir nutzen die Woche noch einmal für eine kleine Winterpause. Denn:
Die Erde ist auch zum Ausruhen da! Ein JA zum Liegen-Lassen und zum Lieben-Lassen! Ein JA zu unseren Begrenzungen! Ein JA zu Vormittagen in Jogginghosen! Halten wir mit unserem Ausruhen eine Welt fest, die kaum mehr in der Lage ist stillzuhalten, und flüstern ihr zu: "Es ist gut! Wir müsen einander nichts beweisen. Wir sind unendlich geliebt." Auf die Ruhe! Auf die günstige Zeit des Nichtstun! Auf auf all das, was so ganz ohne unser Zutun geschehen wird.
(aus: Heimat suchen und Himmel finden) 
Diese Tage können uns so müde machen. Und das dürfen wir auch sein. Müde. Was für eine günstige Zeit für eine kleine Pause! Um eine Tasse Tee zu machen, uns ans Fenster zu setzen und den Schneeflocken beim Fallen zuzuschauen. Und die Erinnerung ins Herz sinken lassen, dass wir nicht allein sind. Und dass sich unter der Schneedecke das neue Leben bereit macht. Und aufwachsen wird. Zu seiner Zeit... 
 


 
 

Mittwoch, 3. Februar 2021

Gnade für einen Menschen mehr.

Heute morgen bekam ich eine liebe mail von einer Leserin aus der Schweiz. Sie schrieb den wunderbaren Satz: "Das Leben besteht aus vielen Gnadenmomenten!" Wie wahr! Das nehme ich heute als meinen Satz des Tages. Ein Tag der mit Migräne angefangen hat (nach einer sehr unruhigen Nacht) und damit, dass das Kind nach ein paar Minuten Unterricht mal wieder aus der Videokonferenz seiner Klasse rausgeflogen ist. Das vorletzte Mal bekam er deswegen einen ziemlichen Wutanfall. Letztes Mal ist dann zur Abwechslung die Mutter ausgerastet und hätte am liebsten den Laptop gegen die Wand geschmissen (und das Kind saß ganz  entspannt daneben!) und heute haben Mutter und Kind nur resigniert mit den Schultern gezuckt. Müde macht sie uns, diese Zeit. So müde.

Als gestern Abend Frau Merkel in der Tagesschau wieder einmal zu Geduld aufrief, dass der Lockdown noch länger andauern wird, bin ich ins Nebenzimmer und habe mit meiner Freundin Chrissie telefoniert, der wunderbaren Grundschullehrerin, die sich heldenhaft durch diese Zeit kämpft (wie auch Samuels Klassenlehrerin und viele andere! DANKE EUCH!!!). Wir haben über die Nebenwirkungen des Lockdowns geredet, darüber wie alte Menschen vereinsamen,  wie Kinder - die eh schon benachteiligt sind - vollends abgehängt werden und schwierige häuslichen Situationen allein ertragen müssen, wie Eltern am Rande ihrer Kräfte sind, wie Singles sich durchkämpfen müssen und sich nur mit schlechtem Gewissen in den Arm nehmen lassen, wie Selbstständige um ihre Existens kämpfen und vor Sorgen kaum noch schlafen können.... ach, es ist schon deprimierend das alles aufzuzählen. Aber ich denke es ist wichtig, dass wir uns das ebenso vor Augen halten wie den aktuellen Inzidenzwert!  Und glaubt mir: Ich bin weit davon entfernt Corona auf eine harmlose Grippe herunterzureden. Aber es gibt gerade so viel Not - neben Corona!

Und ich  möchte so gerne helfen! Aber ich merke: ICH brauche Gottes Hilfe, jeden einzelnen Moment in diesem Tagen! Ich flehe ihn an: Bitte hilf mir, dass ich mein Kind jetzt nicht vor lauter Wut schüttle, weil es einfach nicht so funktioniert wie es SOLLTE, und dass ich mich nicht verachte, weil ICH nicht funktioniere wie ich SOLLTE. Ach, ich brauche so unzählige Gnadenmomente für mich und mein Kind....Und wie dankbar bin ich, dass das jemand in meinem Umfeld sieht! Dass da eine Mama ist, die mir am Abend eine WhatsApp schickt: "Übrigens, morgen nachmittag kann Samuel gerne zu uns kommen." Ich kann es kaum in Worte fassen was das mir (und Samuel!) bedeutet! Es ist meine Rettungsinsel, wenn ich verzweifelt nach Luft schnappe und kein Land mehr sehe. Die Freundin, die mit ihren drei Kindern im wildesten Alter alle Hände voll zu tun hat, denkt an uns und öffnet ihre Tür für noch ein Kind mehr. Vor ein paar Tagen hab ich Samuel bei ihnen abgegeben und die drei Jungs sprangen uns entgegen und umarmten Samuel freudig strahlend mit den Worten: "Bruder!"  Das hat mich so tief berührt. Jeder von euch der schon hier eine zeitlang mitliest weiß, dass es Samuels größter Wunsch ist, Brüder zu haben. Nun kann ich den leider nicht mehr erfüllen (Gott steh uns bei!:-)). Aber ich habe unzählige Gebete gesprochen, dass Samuel in seinem Leben gute Freunde an die Seite gestellt bekommt. Und da sind in dieser schwierigen Zeit für mein Einzelkind drei Jungs, die ihn begrüßen wie einen Bruder!

Vielleicht ist das die Schönheit, die wir in dieser Zeit entdecken können: Dass wir einander zu Brüdern und Schwestern werden. Dass wir Herzen und Türen öffnen, für noch einen Menschen mehr in unserem Umfeld. Oder wir lernen durch eine offene Tür zu gehen, die uns aufgehalten wird. Mit leeren Händen und bedürftigem Herzen. Gnade geben. Gnade empfangen. Auch wenn ich gerne bei den Gebenden bin und es mir unglaublich schwerfällt auf der Seite der Bedürftigen zu sein: Ich gehöre in diesen Tagen definitiv zu den Empfangenden. Ich kann nur still "Danke" flüstern, die Tränen aus den Augenwinkeln wischen und meine Schwester und Freundin umarmen. 

Danke.

Danke an alle die ihre Tür öffnen, für noch einen Menschen mehr.

Danke an alle die ihr Zuhause zu kleinen Rettungsinseln für andere machen.

Das ist es was wir brauchen - mindestens so dringend wie einen Impfstoff.