Heute hat der kleine Sohn weinend die KiTa betreten.
Eigentlich dachte ich, dass wir diese Hürde geschafft haben und er gerne dorthin geht. Vor zwei Wochen hat er sich noch strahlend von mir verabschiedet und ist in den Gruppenraum gehüpft.
Seit einigen Tagen aber hängt er wieder schluchzend an mir und will nicht dort bleiben.
Die Erzieher versichern mir, dass es normal ist und es immer wieder Phasen gibt, die schwierig sind. Also lasse ich das weinende Kind schweren Herzens in ihrer Obhut und hoffe, dass diese Phase bald vorbei ist.
Und dann schaue ich mein Leben an und merke: bei mir ist das ja auch so!
Immer wieder gibt es DInge mit denen ich kämpfe von denen ich dachte ich hab sie geschafft, ich hab es verstanden, ich hab mich verändert...und dann falle ich in alte Verhaltensmuster zurück und es scheint mir, als hätte ich alles wieder verloren.
An meinem Geburtstag habe ich einen Brief gefunden, den ich vor zwei Jahren aus meiner Kur an mich abgeschickt habe. Das war eine Aufgabe, die man uns dort zum Schluss gegeben hat. Wir sollten das was uns wichtig wurde und was wir in den drei Wochen gelernt haben aufschreiben und als Brief an uns schicken.
Beim Lesen des Briefes, zwei Jahre später, habe ich bei vielem gemerkt: Mensch, das habe ich ja wieder vergessen und daran halte ich mich auch nicht mehr... und da sind die guten Erkenntnise
die ich eine zeitlang in die Tat umgesetzt habe und dann irgendwo auf
der Strecke wieder verloren habe. Und ich merke wieder wie wichtig es ist, dass ich an den Dingen dran bleibe die mir wichtig sind und die ich lernen will.
Am Sonntag habe ich bei uns in der Gemeinde im Kinderdienst Wasser in Wein verwandelt.
Das heisst, ich habe versucht die Kinder ein wenig auszutricksen. Ich habe die Geschichte von der Hochzeit in Kanaa erzählt, in der Jesus das Wasser zu Wein gemacht hat, damit die Party weitergehen konnte. Vorher habe ich ein Kind eingeweiht und es hat mir geholfen, die Wasserflasche in einem unbeobachteten Moment auszutauschen mit einer identisch aussehenden Saftflasche. Vor den staunenden Kinderaugen kam dann Traubensaft aus der vermeintlichen Wasserflasche. Ein kleines Mädchen flüsterte ehrfürchtig vor sich hin: "Das ist ja Magie!" :-).
großes Staunen - auch bei Samu |
Ich habe einen Moment lang ihre Bewunderung genossen, aber irgendwie wollte ich sie nicht in dem Glauben lassen, dass ich sowas kann und habe dann gesagt: "Es war natürlich nur ein Trick. Ich bin ja nicht Jesus!" .
"Ich bin nicht Jesus!", der Satz hallt in mir nach. Es ist mein altes Problem, dass ich denke ich muss die Welt retten. Ich fühle mich für alles und jeden verantwortlich, sogar für das Wetter! Ich ignoriere meine Grenzen und will da sein, wenn man mich braucht. Ich will ja schließlich wie Jesus sein (und die Bewunderung die man dafür bekommt ist auch ganz schön:-)).
Aber ich bin nicht Jesus- ich bin Christina, die Jesus nachfolgt und Menschen enttäuscht und nicht immer das geben kann was sie brauchen.
Ich will lernen für mich zu sorgen, zu spüren wo meine Kraft aufhört und dass eine Not der ich begegne, nicht gleichzeitig ein persönlicher Auftrag an mich ist. Das ist für mich ein langer Prozeß. Manchmal glaube ich, dass ich schon einiges gelernt habe und dann falle ich wieder in alte Verhaltensmuster zurück und denke völlig frustriert: das lerne ich nie! Ich dachte ich bin schon viel weiter...
Aber ich will nicht aufgeben. Und es gibt auch kleine Fortschritte: Manchmal spüre ich schon vorher wenn ich mich überfordere (und nicht erst hinterher) und ab und zu kann in einigen Situationen schon viel besser "Nein" sagen. Und ganz langsam verstehe ich das Leben nicht als einen endlosen Auftrag an mich sondern als das Geschenk, das es ist.
Ich denke an den weinenden Sohn und an das, was mir immer wieder so schwer fällt und vielleicht müssen wir alle ab und zu daran erinnert werden:
Manches im Leben ist überhaupt nicht einfach.
Manchmal denkt man, man hat es gepackt und dann fällt es einem wieder richtig schwer.
Manchmal muss man einfach eine zeitlang weiter das Richtige tun um zu merken: das ist es, was ich eigentlich wirklich will. Auch wenn es mir heute schwerfällt, morgen wird es vielleicht schon viel leichter sein. Auch wenn ich immer wieder hinfalle - langsam komme ich doch vorwärts. Und wenn ich etwas verloren haben, dann will ich es mir wiederholen!
Gerade kommt Samu von der KiTa zurück. "Und, war es schön?", frage ich.
"Ja", sagt er und strahlt.
Wir können es schaffen. Das weiß ich.
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