Freitag, 2. Mai 2014

kleine Geste - große Wirkung!

Gestern habe ich bei einer meiner Lieblingsbloggerinen Chrissy aus Californien gelesen. Manche von euch haben sie vielleicht auch schon entdeckt - sie schreibt so herrlich ehrlich über ihr Leben mit ihren zwei kleinen autistischen Jungs. Für mich ist sie eine wahre Heldin! Sie hat folgendes geschrieben: 

" I`m easy with God, but have a hard time with church."Ich versuche zu übersetzen:
"Mit Gott fällt es mir leicht, aber ich tue mich schwer mit der Kirche. Es ist dort so leise und wir sind so laut, alles - meine Jungs und auch meine Gedanken. Ich versuche so sehr zuzuhören, zu singen, im richtigen Moment aufzustehen, mich zu setzen  und hinzuknien. Und dann sehe ich schöne, leuchtend rote Schuhe und ich schaue die schönen leuchtend roten Schuhe an. Und ich sehe ein kleines Mädchen und bewundere sie wie süß sie ist und wie gut sie sich benimmt. Dann werde ich sauer, dass sie sich so gut benimmt und ich möchte zu der Mutter gehen und sagen: wissen sie eigentlich, wie glücklich sie sein können dass sich ihre Tochter so gut benimmt? Aber ich tue es nicht weil ich ja nicht durchgeknallt bin. Stattdessen erinnere ich mich daran, dass ich eigentlich zuhören sollte und ich werde sauer auf mich und versuche mich zu konzentrieren und dann mache ich doch wieder alles falsch."

Deshalb , so schreibt sie, geht sie lieber mit ihren Jungs unter der Woche zur Kirche, wenn sonst niemand da ist und sie nichts falsch machen kann und ihre Kinder niemand auf die Nerven gehen. Einfach weil sie spontan bei Gott vorbeischauen will. Ich finde sie macht das ganz richtig. Aber ich finde es auch ein wenig traurig, dass sie sich im Gottesdienst so fühlt, als würden sie dort nicht hinpassen.

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Bild von Chrissy - ihr kleiner Sohn in der Kirche

Mir fiel beim Lesen von Chrissys Gedanken eine meiner Lieblingsgeschichten ein. 
Ich weiß nicht mehr wo ich davon gehört oder gelesen habe, aber sie ist irgendwo in Amerika in einer bürgerlichen, traditionellen Kirche passiert:
Der Gottesdienst war kurz davor zu beginnen, da öffnete sich die schwere Eingangstür und ein Hippie kam mit seinem Gepäck herein. Er sah sich kurz um - die Kirchenbänke waren gut gefüllt, also ging er kurzerhand auf den freien Platz vor dem Altar und setzte sich dort auf den Boden. Einer der Ältesten stand sofort auf um auch nach vorne zu gehen. Die Leute hielten den Atem an, weil sie befürchteten, dass er den jungen Kerl zurechtweisen würde oder sogar rausschmeissen könnte.
Aber der alte Mann ging neben dem jungen Hippie auf die Knie und setzte sich zu ihm. Sie lobten Gott an diesem Sonntag gemeinsam, nebeneinander auf dem Boden sitzend.

Ich liebe diese Geschichte!!!

Und ich wünschte Chrissy hätte in ihrer Kirche so einen Ältesten, der sich neben ihren autistischen Sohn knien würde, wenn dieser aus der Bank schlüpft und nach vorne rennt, um mit wedelnden Fingern den Lichtstrahl der Kirchenfenster aufzufangen. 
Manchmal braucht es so einen Moment der Gnade, in dem jemand bereit ist, etwas ungewöhnliches zu tun, damit sich jemand willkommen fühlt, der nicht sicher ist ob er wirklich dazugehört.  

Es  muss auch nichts großes sein- sondern es kann eine kleine, ehrliche Geste sein:
Ein herzliches Lächeln zur Begrüßung, ein Stuhl der zurechtgerückt wird, eine Tasse Kaffee, ein verständnisvolles Nicken, ein hingehaltenes Taschentuch das plötzlich im verschwommenem Gesichtsfeld auftaucht. Oder ein freundlicher Blick auf mein quengelndes Kind wenn ich, innerlich aufgelöst, überlege ob er alle stört und ich sofort rausgehen soll, oder ob er sich wohl gleich beruhigt. Jemand der mir zeigt: ich bin willkommen, mit dem ganzen Chaos das ich mitbringe. 
Diese kleinen freundlichen Gesten, so unscheinbar sie für uns auch sein mögen, können manchmal viel entscheidender sein, als die Worte, die von vorne gesprochen werden. 

Ich bin total dankbar für meine Gemeinde. Ich glaube bei uns kann man nicht ganz so viel falsch machen, weil oft sowieso schon vieles schräg läuft. Ein Obdachloser sagte mal zu mir:
"Bei euch fühle ich mich wohl, ihr seid genauso fertig wie ich!" Zuerst musste ich etwas schlucken, aber dann fand ich es irgendwie auch ein Kompliment :-).
Wir haben uns mit ihm "auf den Boden gesetzt " und Gott gemeinsam angebetet,  so unfertig und chaotisch wie wir sind.
Das tun wir längst nicht bei allen, ich weiß dass manche auch traurig wieder gehen, mit dem Gefühl nicht willkommen zu sein.

 Ich kann gerade nicht so viel tun und beitragen zu unserem Gemeindeleben. 
Oft bin ich so erschöpft wenn ich Sonntags dort ankomme, dass ich mich von allem überfordert fühle.
Aber "eine kleine freundliche Geste" - das könnte ich vielleicht schaffen wenn ich merke: da ist jemand der nicht sicher ist ob er hierher gehört. 
Vielleicht kann ich mich einfach neben ihn auf den Boden setzen, mit meinem wilden Sohn und dem Chaos in mir und wir können gemeinsam von dort Gott anbeten.  
In zwei Tagen ist Gottesdienst - ich will versuchen meine müden Augen offen zu halten...

1 Kommentar:

  1. Vor vielen Jahren... eine mehrtägige Radtour mit 2 Freunden... es gibt noch keine Handys. Ich falle zurück, die andern beiden warten nicht auf mich. Ich bin total geladen, auch beleidigt und beschließe nicht zur nächsten Jugendherberge zu fahren um sie dort zu treffen, sondern direkt heimzufahren. Es ist ein ziemlich langes Stück zu fahren, es beginnt zu dunkeln und ich hole alles aus mir raus. In mir ganz viel Frust, Wut, Selbstmitleid und Trotz... nicht mehr viel in mir: Wasser, denn meine Vorräte sind aufgebraucht.
    So hechle ich durch das nächste Dorf den Berg hinauf, als mich plötzlich ein Junge mit vielleicht 10 Jahren fragt, ob ich was zum Trinken haben möchte (wie fertig muß ich ausgesehen haben!). Er holt mir eine grüne Flasche Göppinger Sprudel und gibt sie mir mit einem Lächeln.
    Ich habe diese Flasche noch viele Jahre aufgehoben, so viel hat mir diese kleine Geste damals bedeutet.

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