Mittwoch, 14. Mai 2014

raus aus der "comfort -zone"

Gestern war ich mit Samu im Hallenbad.
Es war früher Nachmittag, der Sohn verweigert den (für die Mama so nötigen!) Mittagschlaf und die Zeit bis zum in`s-Bett-gehen ist noch in unendlich weiter Ferne. Da kommt mir die wunderbare Idee: wir könnten doch mal wieder schwimmen gehen.
Samu findet es klasse, bis das Hallenbad  in sichtweit kommt. "Ich will nicht!!!", ruft er. 
"Doch du willst", ist meine pädagogisch wertvolle Antwort und ich zerre ihn zur Kasse. Das Geschrei wird stärker. Enschuldigend sage ich zu der freundlichen Mitarbeiterin: "Er will eigentlich schon, aber er weiß es gerade nicht mehr." 
Sie lacht mich entspannt an und meint: "Ja, so Tage gibt es halt. Wir sind ja auch nicht immer gut drauf."
Danke Gott für freundliche Menschen
In den Umkleidekabinen bricht mir der Schweiß aus. Der kleine Sohn weint und weigert sich die Badehose anzuziehen. Ich versuche ihn festzhalten, mich gleichzeitig umzuziehen und ihn zu beschwichtigen.
"ICH WILL NICHT!" hallt es durch seinen persönlichen Vorraum zur Hölle. Ich spüre die Anwesenheit der anderen Badegäste die sich hinter den dünnen Wänden umziehen und wahrscheinlich den Kopf über diese Mutter schütteln, die ihr Kind zwingt in`s Wasser zu gehen. 
"Samu, dir wird es Spaß machen, ich weiß es!", versuche ich ihn, und mich, zu beruhigen. 
"Du wolltest doch hierher!", das war für die besorgten Mithörer hinter den Wänden. Nicht dass noch jemand das Jugendamt anruft.

Ich betrete den Badebereich (ohne vorher zu duschen!) und ziehe den widerstrebenden, wimmernden Sohn hinter mir her. Alle Augen sind, gefühlt, auf uns gerichtet (und das, wo ich mich eh schon unwohl fühle im Badeanzug!).
"Es gibt kein kleines Bädle!", ruft der verzweifelte Nichtschwimmer an meiner Hand. Mist. tatsächlich gibt es nur zwei Schwimmbecken, allerdings eins davon in dem ich stehen kann und das breite Stufen in`s Wasser hat.
Ich stelle seinen kleinen Eimer auf die oberste Stufe und setze mich daneben. 
Der Versuch ihn sanft in`s Wasser zu ziehen, scheitert erstmal kläglich. Er will einfach nicht. Jesus, hilf uns!
"Willst du erstmal einfach zuschauen?"; frage ich ihn. Samu nickt. Wir sitzen also auf den Stufen, das Wasser bedeckt gerade mal unsere Zehen und ich lasse ihm Zeit sich umzuschauen. Zur Not schauen wir einfach nur zu und gehen dann mit trockenen Badesachen wieder nach Hause, denke ich frustriert.
Aber, siehe da, ganz langsam fängt der Sohn an ein wenig mit dem Wasser zu spritzen. Er sieht einen kleinen Jungen und lacht ihn an. Er kommt eine Stufe tiefer in`s Wasser. Es macht ihm Spaß. Innerlich atme ich auf. Er lässt sich sogar vorsichtig ganz in`s Wasser ziehen. Auch wenn er sich an meinem Hals und dem Badeanzug festkrallt, dass ich fürchte zu ersticken oder mit zerissenen Stoffetzen am Leib aus dem Wasser zu kommen - es gefällt ihm.

Eine Stunde später plätschert ein fröhlich kreischender Junge mit seinen Schwimmfügeln (vor denen er sich bisher immer gefürchtet hat!) im Wasser neben mir.  
"Guck mal Mama, ganz alleine!", ruft er stolz.
Und ich bin auch stolz auf ihn.  Wir marschieren müde aber erfüllt wieder nach Hause (die Schreiattacke unter der Dusche will ich mal weglassen, das gehört halt einfach dazu). 
Am Abend schaffen wir es kaum noch das "Zugbüchle" anzuschauen. Beim Inter-Regio auf Seite 8 fallen ihm die Augen zu. Ich blicke auf den friedlich schlafenden Sohn und sehe noch einmal das Bild vor mir wie er fröhlich neben mir im Wasser rudert. 
Er hat seine Angst überwunden, Schritt für Schritt. Im englischen nennt man das die 
"comfort -zone" verlassen - die Zone wo wir uns wohlfühlen, die uns vertraut ist.  Und am Ende hat er etwas neues, tolles erlebt. Etwas was er vorher noch nicht konnte. Etwas was er morgen früh begeistert seinem Papa erzählen wird.

Ich frage mich, wann ich das letzte Mal meine "comfort -zone" verlassen habe? 
Wann habe ich meine Angst und meine Befürchtungen überwunden und habe dadurch neue Erfahrungen gemacht?  
Leider fällt mir spontan nicht so viel ein. ich muss etwas weiter zurückgehen: die Reise zu einem Reunion nach Kopenhagen etwa. Oder das ehrliche Gespräch mit einer Freundin, um etwas zu klären, was zwischen uns stand. Oder der Nachmittag im Garten, an dem ich herzklopfend meinem Mann etwas anvertraut habe was ich noch nie jemand erzählt habe, das aber jahrelang wie ein dunkler Schatten auf meiner Seele lag. Oder den Besuch bei einer Freundin die ich über ihren wunderbaren Blog kennenlernen konnte (sie berichtet hier darüber)
Ich bin tatsächlich ein paar Mal aus meiner "comfort zone" herausgetreten und in`s Wasser gehüpft. Und ich wurde jedes Mal reich beschenkt:
Ich habe wunderbare "alte Freunde" getroffen, eine Freundschaft wurde vertieft, eine lang getragene Last fiel von meiner Seele, eine neue Freundschaft wächst und mit ihr, viel unerwarteter Segen. 

Ich glaube ich bin nicht kein sehr mutiger Mensch. Ich möchte schon gerne neues erleben aber eigentlich will ich lieber da bleiben wo ich mich wohlfühle.
Aber ab und zu will ich meine sicheren Kreise verlassen, wenn ich merke: Hier fordert mich das Leben auf zu wachsen, weiter zu gehen wie ich bisher gekommen bin. Jetzt kann ich etwas neues erleben, etwas mutiges sagen oder etwas ausprobieren, was ich schon immer mal gerne tun wollte. 

Man kann und muss diese Momente nicht erzwingen, aber wenn sie da sind, dann will ich nicht davonlaufen.  Ich ahne: es gibt noch viele unbegangene Wege, unentdeckte Gaben, unbekannte, wunderbare Menschen - da draußen warten noch eine Menge Geschichten auf uns, die gelebt werden wollen.


Wachstum liegt außerhalb der "comfort zone". Es muss ja nicht die "Panik-zone sein:-)


Ich weiß es: er liebt das Wasser!


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