Dienstag, 4. August 2020

Von gerissenen Fäden und Girlanden

Wir sind ziemlich holprig in unsere Ferien gestartet. Der Geduldsfaden ist schon unzählige Male gerissen und ich musste ihn mit zusammengebissenen Zähnen wieder verknoten. Die Migräne, die sonst im Sommer immer in Urlaub gefahren ist und mich erst im Herbst wieder belästigt hat, ist in diesem Jahr Zuhause geblieben. Wahrscheinlich Coronabedingt. Also hämmert sie seit Woche immer wieder tagelang in meiner Oberstube und ich bin genervt. Von so ziemlich allem. Anstatt, wie so zuversichtlich im letzten Blogpost beschrieben, die Sommerfrische zu genießen finde ich mich wieder im Alltag mit einem anstrengend unzufriedenem Kind (Was machen wir denn heute? Und wieso habe ich keine Geschwister???) und so ganz wenig Barmherzigkeit und kleinen Wundern zwischen uns. Und ich frage mich verzweifelt wie wir die nächsten Wochen überleben werden.
Aber dann kommen sie - die anderen Tage. Die mir beruhigend über den Kopf streicheln und mir sagen, dass alles gut wird. So wie gestern. Eine Garteneinladung. Zwei bereitgestellte Nähmaschinen und Stoffreste. Zimtschnecken riesig große Kaffeetassen mit Milchschaum, überreicht von eine Frau mit mindestens so großem Herz, die sich bereit erklärt hat, einer müden 51-jährigen und einem wilden Neunjährigen das Nähen beizbringen. Und JA: ICH HABE GENÄHT! Nachdem ich mir seit der 5.Klasse und vielen missratenen Nähprojekten eingeredet habe, dass das mit dem Nähen und mit mir wohl niemals was wird. Und plötzlich halte ich eine fertige wunderschöne Girlande in der Hand (also wenn man krumme Linien mag, ist sie besonders schön!).  Und während ich konzentriert daran gearbeitet habe - mit ganz viel geduldiger Unterstützung! - hat der kleine Sohn ein Kissenbezug, ein Brotbeutel, ein Spielzeugbeutel und ein Herz fertiggestellt. Und dabei immer wieder fröhlich ausgerufen: "Nähen ist toll, Mama! Und gar nicht schwer!" Ja, wenn man direkt daneben so wunderbar kompetente Hilfe hat, dann ist es wirklich kinderleicht! (DANKE, liebe Chrisi!!!!💗)





Heute morgen, in Gedanken noch voller Dankbarkeit beim gestrigen Tag, erinnere ich mich an einen wunderbaren Text von der Theologin Birgit Mattausch. Sie schreibt darin von ihrem gerissenen Geduldsfaden und dem Gott, der kommt um seine Herde zu weiden, um die Lämmer in seinem Arm zu sammeln  und die Mutterschafe zu führen (Jesaja 40,11):
Und der Gott der Geduld nimmt den Faden auf und fädelt ihn durchs Nadelöhr.
Es ist nicht mein Faden, sondern seiner. Zum Glück.
Der reißt nicht. Der Gott der Geduld macht einen Knoten rein.
Und dann beginnt er zu nähen...Und ich denke: Es müsste doch schneller gehen. Weil es so viel Kaputtes gibt. So vieles zum Zusammennähen. Aber der Gott der Geduld näht und näht. Er näht die zerissene Welt zusammen. Stich für Stich. Näht hin und her zwischen all den Leuten, die es schwer miteinander haben.    Näht mein Herz zusammen. Meine Liebe und mein ramponiertes Vertrauen. Und deins auch. Das dauert. Er macht Shhhhhhh-shhhhh. Sagt:"Jetzt ist jetzt. Schau." Der Gott der Geduld hat das Unfertige lieb, das Müde, die anstrengenden Leute und unser aller Nicht-Genug. Ich schau nur zu. Und fast ist es so: Je weniger ich tue, je weniger ich kann, desto mehr tut Gott.
Ich mag diesen Text so sehr. Er macht mir Mut, meine ganze Zerissenheit in Gottes Hände zu legen. Die verhedderten Fäden, die Knoten und die losen Enden, von denen ich immer ein paar zuviel in der Hand halte. Und ab und zu macht er es wie die Freundin im Garten: Er zeigt auf den freien Platz neben sich und sagt: "Setz dich her. Probier doch mal." Und er hält seine Hände über meine und führt den Faden und trennt auch wieder ein paar Stellen auf, wenn die Richtung völlig falsch war, und das Kind ruft fröhlich, dass alles doch gar nicht so schwer ist und wir hängen Girlande in die Bäume und trinken  zusammen aus riesigen Kaffeetassen und schauen weiter zu, wie der Gott der Geduld, der das Unfertige und das Müde lieb hat, seine Welt zusammennäht.
Und die Tage, die wir am Abend am liebsten ganz schnell zur Seite legen möchten,  wie kleine  nutzlose Stofffetzen, nimmt er besonders gern in seine Hand und zwinkert uns fröhlich zu: "Daraus kann man auch noch was Schönes machen! Vertrau mir."



4 Kommentare:

  1. ....ja aufseufz liebe christina, so ist es, genauso.....
    drücke dich
    annette

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  2. Liebe Christina, ich wollte dir mal sagen, dass ich ungefähr seit Anfang des Jahres auch so eine Danke-Liste führe, wie du sie mal gezeigt hattest. Bin jetzt bei Nummer 543. :) Und, ist es übertrieben, zu sagen, dass das mein Leben verändert hat? Nein, denn das ist tatsächlich so. Ich SEHE die guten Dinge nun (die ja vorher auch schon da waren) und muss immer mal schmunzeln, wenn ich zurück lese. Danke dafür!

    Dein Text hat mich getroffen. Als müde, frisch gebackene Vierfach-Mama und ich möchte mir die Zeilen wieder und wieder durchlesen und es nicht vergessen. "Der Gott der Geduld hat das Unfertige lieb, das Müde, die anstrengenden Leute und unser aller Nicht-Genug" Danke. Und viel Kraft dir!

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    1. Ach WIE COOL!!! DAs freut mich total, dass wir nun beide an der Dankesliste schreiben! (habe letzte Woche mein zwietes Notizbuch angefangen). Genau so: Man SIEHT plötzlich besser und das zurück lesen macht nochmal so richtig froh und dankbar. Schick Dir liebste Grüße und wünsche Dir auch viel Kraft für den Allag, Helden-Mama!!!!

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