Neulich
waren wir für zwei Tage bei Freunden zu Besuch.
Ihr
Haus war wunderbar sauber und aufgeräumt. Ich hielt den wilden Sohn
an meiner Hand, schaute auf die schön angeordnete Deko in den
Regalen und auf den kleinen Tischchen und mir brach innerlich der
Schweiß aus.
Hier
kommen die Zerstörer!
Mal
schauen wie lange es dauert und wir mit unserem Chaos etwas
kaputtmachen, umschmeissen oder irgendeine Flüssigkeit auf dem
polierten Boden landet (nur für`s Protokoll: es dauerte nicht sehr
lange!).
Nun
sind meine Freunde überhaupt keine Leute bei denen man sich nicht
wohlfühlt und beim gemeinsamen Essen, reden, lachen und spielen
entspannte ich mich innerlich.
Trotzdem
– wie ich abends in ihrem blank geputzten Badezimmer stand und an
unser Chaosbad Zuhause dachte, wurde ich doch etwas deprimiert.
Warum
schaffen wir es nicht besser Ordnung zu halten? Wir haben viel zu
viel Zeug das wir dringend loswerden müssten, andere Leute haben
alles besser auf den Reihe..mit diesen trüben Gedanken ging ich in`s Bett.
Am
nächsten Morgen wachte der kleine Sohn früh auf und wollte einen
Stock höher, zum Schlafzimmer der Freunde, um nachzuschauen warum sie zu dieser frühen Stunde noch nicht wach waren. Ich hechtete hinterher, doch wir hatten sie natürlich schon längst geweckt und unsere
Gastgeber kamen uns im Treppenhaus entgegen. Trotzdem steuerte
der Sohn zielstrebig das obere Stockwerk an.
Leicht
panisch rief die Freundin: „NEIN! Da könnt ihr nicht hoch.“
Erschrocken blieb Samuel stehen.
Ich
schaute auch etwas fragend wegen ihrer heftigen Reaktion. Vielleicht
empfand sie ihr Schlafzimmer als zu privat - was ja auch völlig ok
ist - oder sie hatte die (berechtigte!) Befürchtung, dass Samu ihr Bett als
Trampolin benutzen könnte.
Aber
sie meinte erklärend zu uns: „In`s Schlafzimmer haben wir alle
Sachen reingeworfen die vor eurem Besuch im Haus rumlagen. Es sieht
chaotisch aus, das solltet ihr besser nicht sehen!“
„Oh!
Und ich dachte bei euch ist es immer so sauber“, sagte ich
erleichtert. „Oh nein, wenn du wüsstest...“, meinte die Freundin
lachend.
Meine
Freunde haben also auch ein "Wurfzimmer“!
"Wurfzimmer“
- so nennen wir unser Zimmer in dem es meistens chaotisch aussieht
und in das wir alles reinwerfen können, bevor der Besuch kommt.
Aber
es ist auch voll mit Dingen, die wir aussortieren sollten:
altes
Zeug, das der Mann noch aufheben will (weil wir es vielleicht ja mal
noch brauchen können!?), alte Akten und Bücher, die nicht mal mehr für einen
Flohmarkt taugen, kaputte Gegenstände die wir irgendwann mal
reparieren wollten, Spielzeug für Kleinkinder, das ist dringend
verschenken will und hinter der Tür der Berg Glasabfall, der nie
kleiner wird (obwohl wir ständig leere Flaschen abliefern).
Dumm
ist, dass wir eine kleine Drei-Zimmer-Wohnung haben und eigentlich
kein Platz für ein ganzes "Wurfzimmer"!
Heio
arbeitet in seinem neuen Job oft von Zuhause aus, und braucht
dringend eine schöne Büroecke.
Samu
erzählt uns jeden Tag, dass es größer wird und er sollte
irgendwann in naher Zukunft mal ein Zimmer (oder wenigstens einen
abgeteilten Raum) für sich haben.
Und
ich hätte so gerne eine kleine Ecke in der meine kreativen Dinge
ausbreiten und in Ruhe schreiben könnte.
Also
genügend Bedarf um unser "Wurfzimmer“ aufzulösen. Aber es ist
ein großes Stück Arbeit das wir da in Angriff nehmen müsste um
dem Neuen, das gewachsen ist, entsprechend Raum zu geben.
Und ich müsste dann auch den Mut haben, in der gesamten Wohnung ein
wenig mehr Chaos zu ertragen - ohne eine Raum zu haben, in dem man einfach
kurz alles Durcheinander verstecken kann, wenn Besuch da ist.
Wenn
ich so darüber schreibe, dann merke ich, dass es mir innerlich oft
genauso geht.
Ich
habe irgendwo in einer Ecke meines Herzens einen Ort, an dem ich mein Chaos, meine „schlechten Gefühle“ und meine
Erschöpfung verstecken kann. Aber es sind auch alte Lügen und
Gedankenmuster, die schon lange rausgeschmissen gehören, an denen
ich noch festhalte. Da sind Kisten unter der Rubrik Freundschaften,
Mama sein, Ehefrau, Kollegin...mit der Aufschrift: „Ich bin nicht gut genug“
angefüllt mit vielen Beweismitteln.
Ich
würde sie so gerne mal aussortieren.
Ich könnte Platz machen, damit neues wachsen kann, aber es
ist nicht einfach die Dinge in Angriff zu nehmen.
Neulich
war ich auf einem Seelsorge-Wochenende und dabei habe ich ein wenig
aufräumen und ausmisten können. Seither ist spürbar mehr Platz
zum Leben in mir. Dafür bin ich so dankbar.
Und ich denke an den erleichterten Moment beim Entdecken, dass meine Freundin auch irgendwo ihr Chaos hat. Ich hoffe, dass ich lerne, mutiger zu sein - dass ich keinen Extra-Platz für mein Chaos und meine Schwächen brauche, sondern dass es da sein darf, mitten in meinem Leben und in meinen Begegnungen.
Vielleicht
kann ich langsam vertrauen, dass ich geliebt bin, so wie ich bin.
Jesus
sagt mir das immer wieder.
Und
dann hilft er mir beim Aufräumen.
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