Freitag, 30. Oktober 2015

Vier Pakistani und ein Weltspartag

Wir waren  bei der Oma im Schwarzwald und haben zwei schöne Herbsttage mit ihr verbracht.






Aber wir sind auch mit einem Auftrag gekommen: Es ist Weltspartag und Samu trägt sein Sparschwein zur Bank. Über einem Tisch von Geschenken für die kleinen Sparer hängt eine Wimpelkette mit Nationalflaggen. Ich frage mich, ob wir uns ernsthaft vorstellen sollen, dass heute in allen Ländern dieser Erde die Kinder ihre Sparschweine schnappen und sich über Gebirgsketten, durch Dschungel und Wüste auf ihren Weg zur ihrer Bank machen?
Die Schwarzwälder sind jedenfalls am Start. 
Vor uns steht ein Junge, kaum älter als Samu, mit einem Schwein das dringend geschlachtet werden muß. Da sind sicher einige hundert Ero drin. Ich staune. Woher hat ein kleines Kind so viel Geld? (bin kurz versucht unsere Sparscheine auszutauschen, aber dann lasse ich es. Wäre kein gutes Vorbild für den Sohn). Der Junge legt sein Geld mit einem so erwachsenen Gesichtsausdruck auf die Theke, dass es mich  nicht wundern würde, wenn er gleich nachfragt, wie es mit seinem Bausparvertrag aussieht.  
Ein bisschen beschämt kippe ich unsere Dose daneben. Hey- es sind immerhin 17 Euro! Ganz schön viel gespart für ein Kind, dessen Mutter keine Ahnung hat was dieses Wort eigentlich bedeutet. Er ist schon unterwegs zum Geschenketisch. Erleichtert stelle ich fest, dass man nicht  erst ab 100 Euro ein kleines Auto aussuchen darf.
Natürlich kann er sich nicht entscheiden. Er hält den Mercedes und einen BMW ewig in seinen Händen. Mein Kommentar: "Jetzt komm, die sind doch eigentlich genau gleich!" wird vom den anwesenden Männern mit Entsetzen aufgenommen. "Das kann man nun wirklich nicht sagen!", wirft einer ein. Vielen Dank. Jetzt dauert es noch länger. Wir blockieren den geordneten Ablauf. Die Leute hinter uns werden langsam  ungeduldig. Eine Frau lächelt mich freundlich an. "Mein Sohn war genauso. Er konnte sich nie entscheiden!", sagt sie.  Ich lächle zurück. Danke.  Kurz darauf verlassen ich die Bank mit einem BMW und einem weinenden Sohn, der um einen zurückgelassenen Mercedes trauert. 
Eine Lektion vom Weltspartag: man man kann eben nicht alles haben.


Draußen hat meine Mutter auf uns gewartet. Sie ist im Gespräch mit vier jungen, dunkelhäutigen Männern. Strahlend verabschieden sich diese von ihr. "Ach, waren des nette Buben!", sagt meine Mutter.  Aus Pakistan kommen sie anscheinend. Nein, nicht zum Weltspartag, sie haben vor ein paar Tagen ihre Flüchtlingsunterkunft hier bezogen. Und meine Mutter, die kein Wort Englisch kann, hat sich angeregt mit ihnen unterhalten. 
"Jetzt müsst ihr aber Deutsch lernen", hat sie ihnen noch freundlich mit auf den Weg gegeben und zu  mir meint sie: "die haben sich so gefreut, dass wir miteinander geredet haben." Ich muß lächeln. So ist sie, meine Mutter.  Und ich freue mich für die jungen Flüchtlinge. Dass sie es geschafft haben- nach schlimmen Erlebnissen, einer schwierigen Flucht, einem weiten Weg -in mein Heimatdorf. Und hier treffen sie auf meine Mutter, die sie voller Wärme willkommen heisst (das geht auch ohne Englischkenntnisse).  
Meine Mutter ist in keinem Verein für Flüchtlingsfreunde, ich glaube dafür ist sie mit ihren 86 Jahren wirklich zu alt. Aber ich weiß, dass sie diesen vier Jungs ab jetzt immer schon von weitem zuwinken wird. Sie wird nach ihren Namen fragen und sie auf einen kleinen Zettel schreiben zum Auswendiglernen und bei der nächsten Begegnung werden sie dann mit Namen begrüßt. Das weiß ich einfach, weil meine Mutter das immer so macht, wenn fremde Leute in`s Dorf kommen.  Und wenn sie an der Kasse hinter ihnen steht, dann wird sie wahrscheinlich zur Verkäuferin sagen: "Des zahl ich!". 
Manchmal nervt es mich, dass sie fast jeden dem sie begegnet freundlich anspricht und dunkelhäutigen Menschen ihren Einkauf bezahlen will:-). Aber andererseits weiß ich: Ein bisschen Freundlichkeit kann so gut tun.  Ganz besonders dann, wenn man sich fremd und weit weg von Zuhause fühlt.

Freundlichkeit hat manchmal ein bisschen einen schlechten Ruf - man denkt an "nett sein müssen", an aufgesetzte und falschen Freundlichkeit. Aber echte Freundlichkeit ist anders. Sie nimmt den Anderen wahr und schaut ihm liebevoll in die Augen. (Ich laufe oft so in Gedanken versunken durch die Gegend - wenn ein Gesicht vor mir auftaucht weiß ich dann manchmal nicht ob ich es wirklich gesehen habe, oder ob es nur in meinen Gedanken war!). Freundlichkeit kann so tröstlich sein. Und manchmal sogar heilend.
 Es ist schön zu sehen, wenn Kinder freundlich mit ihren alten Eltern umgehen und wenn Eltern freundlich zu ihren Kindern sind. Es beeindruckt mich, wenn sich Ehepaare über die Jahre einen freundlichen Umgangston bewahren oder wenn die Verkäuferin sich Zeit nimmt ihren Kunden in die Augen zu schauen.
Freundliche Menschen erinnern mit einfach an Jesus. An einen freundlichen Gott. Der mich anschaut, gütig und liebevoll, der geduldig mit mir redet, der meine Schulden übernimmt, mir Mut macht wenn ich mich alleine und weit weg von Zuhause fühle und mich anlächelt, wann immer er mir entgegenkommt.

Meine Mutter hat mir gezeigt, dass es manchmal einfach nur ein freundliches Lächeln braucht. Einen Fremden grüßen. Ihm liebevoll in die Augen schauen. Und sich daran erinnern, dass wir alle von Gottes Freundlichkeit leben. 

1 Kommentar:

  1. Ach Christina,
    Deine Texte sind solch ein Balsam für meine Seele. Es trifft meine Sehnsucht nach Ehrlichkeit und Gottes Nähe und macht mir deutlich was mir manchmal fehlt, wenn ich mich so satt fühle. Habe heute Deinen Blog meiner Mutter empfohlen, wobei ich befürchte, dass sie sich erst noch mehr mit ihrem iPad auseinandersetzen muss... :)

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