Dienstag, 7. Oktober 2014

die Schlampe und mein persönliches Navi

"Mama, wer zuerst eine Schlampe sieht!", mit diesen Worten wurde ich heute morgen aus dem Schlaf gerissen. "Ich! ERSTER!", ruft der kleine Sohn.
Ich versuche meine müden Augen zu öffen. Meint er etwas mich? Und überhaupt, woher hat er solche Wörter (In letzter Zeit sagt er immer ganz genüsslich: "Mama, f*** darf ich nicht sagen, oder?")!?  Mit Erleichterung stelle ich aber fest, dass er nicht auf mich zeigt, sondern auf die "Nachti-schlampe". 
"Darf ich die Schlampe anzünden Mama?". Auch wenn ich seine Wortschöpfungen liebe- ich glaube das sollte ich vielleicht besser korrigieren.

Nicht korrigieren werde ich sein neues Wort: "Apfelbesen". Das kommt vom "Apfelbutzen" (für alle Nichtschwaben: das Apfelgehäuse). Er hat sich wohl gemerkt, dass im Apfel irgendetwas mit putzen ist und deshalb ist nun die Mitte des Apfels bei ihm ein "Apfelbesen". Klasse, oder?

Und seit kurzem reißt er vor dem Essen die Arme in die Luft und ruft fröhlich: "Heiss, heiss, Gott!".
Nach der ersten Verwirrung darüber vermuten wir nun, dass in seiner Kita vor dem Essen "Preis sei Gott" gerufen wird (ein Hoch auf die charismatische Früherziehung!) . Unser Sohn versteht aber etwas anderes - kein Dankgebet, sondern ein Hilferuf.
Das erklärt auch warum er manchmal auf meine mahnenden Worte: "wir haben noch nicht gebetet!" antwortet: "Aber das Essen ist doch gar nicht heiss!".

So können gut gemeinte Sätze zur völligen Verwirrung führen, weil der eine etwas versteht was der andere überhaupt nicht gemeint hat.
Ich habe den Verdacht, dass das nicht nur bei Kindern vorkommt...

endlich haben wir den Rasen gemäht!

Vergangenens Wochenende war ich auf einem Kongress zum Thema:  
"Gesunde Grenzen setzen" mit dem Psychologen Henry Cloud. 
Fast hätte ich nicht fahren können, weil ich für einen kranken Kollegen die Schicht übernehmen sollte. Angesichts des Themas auf dem Kongress wäre das irgendwie lustig gewesen. Ich habe also eine gesunde Grenze gesetzt und das -für mich sooo schwierige - Wort: "NEIN" gesagt und bin losgefahren. 

Die Aussicht aus dem Seitenfenster war wunderschön ....ich war schnell unterwegs (wollte ja pünktlich ankommen!) und bin ich an der Ausfahrt vorbeigerauscht. Ok, genau genommen habe ich es erst vier Ausfahrten später bemerkt.  Also habe ich den geduldigsten Mann der Welt angerufen und ihm mitgeteilt, dass ich mich völlig verfahren habe. Ich war total sauer auf mich.  "Das ist doch ein Bild für mein ganzes Leben! Ich schieße mit Vollgas am Ziel vorbei", hab ich den Mann zugejammert. 

Er war nicht wirklich überrascht. Obwohl ich glaube, dass mein Orientierungssinn ganz gut ist, verfahre ich mich immer wieder. Ich kann den Mann also ernsthaft mit Fragen wie diesen aus der Fassung bringen (auf der Fahrt von Stuttgart nach Nürnberg!):
"Muss ich jetzt die Autobahn Richtung Hamburg oder Kiel nehmen?" Oder: "Soll ich wirklich auf die Fähre fahren?"

Gott sei Dank war die Telefonverbindung gut und Heio hat mich geduldig wieder zurück auf den richtigen Weg gelotst. Ziemlich fertig und viel zu spät kam ich also an`s Ziel.


Ich war schon ewig nicht mehr auf einem christlichen Kongress. Das Thema wurde gut ausgeführt und auch die praktischen Beispiele waren völlig einleuchtend. Klar, ich bin für MEIN Leben verantwortlich (und nicht für das, der anderen), ich habe meine Grenzen, ich will aus FREIEN Stücken andere lieben und dabei in Kontrolle über mein Leben bleiben.

Allerdings geht es mir in der Praxis genauso wie beim Autofahren: Ich schieße meistens völlig über das Ziel hinaus. Ich nehme meine Grenzen so schlecht wahr, ich wage so selten ein klares "NEIN" (und damit ein klares "JA" zu dem was mir wirklich wichtig ist!) und ärgere mich dann über mich, dass ich wieder das Ziel aus den Augen verloren habe.

Man hört oft Ratschläge wie: 
" Hör einfach auf dein Herz!", "Mach das was dein Herz dir sagt."
Das Problem ist nur, dass mein Herz Orientierungsprobleme hat und mich an Orte schickt, die weit über meine Grenzen hinausgehen.  Und solange das nicht heil wird, bin ich auf ein ganz persönliches Navi angewiesen.

Es muss mir  Dinge sagen wie:
 "Langsamer fahren, sonst verpassen Sie die Ausfahrt."
Oder: "Benzin ist gleich leer! Fahren Sie zur nächsten Tankstelle." 
Oder. "Fahren Sie nicht dem Mercedes hinterher. Er fährt zu schnell für Sie (und auch in die falsche Richtung). 
Oder: "Versuchen Sie nicht diesen Laster abzuschleppen. Rufen sie Hilfe."
Oder: "Jetzt auf energiesparen umschalten, geben Sie kein Gas."
Oder: "Sie haben die Landesgrenze überschritten. Ihr Ziel werden Sie so nicht erreichen."
(und verlassen Sie sofort diese Fähre!)

So ein Navi brauche ich in meinem Alltag. Manchmal ist es die Stimme von meinem Mann, meiner Seelsorgerin, meiner Freunde, ein völlig Fremder... oder das liebevolle Flüstern am anderen Ende der Leitung, von dem ich hoffe, dass es Gott ist.

Sie helfen mir den Weg zu finden und ganz langsam lernt mein Herz dabei sich zu orientieren. Ich erkenne bestimmte Abbiegungen wieder und weiß, wie ich abbiegen muss.  
Ich lerne langsam im richtigen Tempo zu fahren, die Tankuhr im Auge zu behalten, Pannenhilfe zu leisten, wo es möglich ist oder einfach nur den ADAC anrufen und weiterfahren. Und ganz nebenbei fange ich an die Fahrt zu geniessen. 
Und dann sagt mir mein Navi diese wunderbaren Worte:

"Sie haben ihr Ziel erreicht!" 

Mist, jetzt sitze ich schon wieder zu lange vor dem Computer. Ich muss schon die Schlampe anzünden.
"Tempo drosseln und nächste Ausfahrt raus."

Gute Fahrt euch allen!!! Wir sehen uns am Ziel. Hoffentlich.

2 Kommentare:

  1. Herrlich witziger UND tiefsinniger Beitrag! Ach ja, wie oft versuche ich selbst, einen "LKW" abzuschleppen, oder gebe nochmal richtig Gas, obwohl die Tankanzeige tiefrot ist. Ich schätze, angemessen und Kraftstoff sparend zu fahren bleibt ein Lernprozess bis zum Ziel.
    Übrigens hat bei uns nur mein Mann eine Schlampe ;-)
    LG Angela

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  2. Hallo Angela! Danke für deine Worte. Ja, da hast du sicher recht- ich glaube auch, dass es eine Aufgabe für mein ganzes Leben bleibt:-). Liebe Grüße (und schade, dass nur dein Mann eine Schlampe hat, haha).

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