Montag, 17. November 2014

Flohwalzer spielen

 Gestern habe ich mit Samu zusammen die ersten "Ausstecherle" gemacht. Eigentlich eine schöne Sache.  Auf den "Backen mit Kindern" Bildern sieht das alles immer toll aus: eine liebevoll, strahlende Mutter, ein Kind mit roten Backen das sorgsam den Teig ausrollt und ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. 
Bei uns läuft das irgendwie anders ab. Ich weiß, es ist pädagogisch verwerflich, aber jedes Mal wenn der kleine Mann fröhlich in die Küche marschiert und verkündet: "Ich helf dir, Mama!", zucke ich innerlich zusammen und denke: "Oh NEIN!!! " Manchmal biete ich ihm an, dass er weiterspielen darf, aber solche unsinnigen Vorschläge ignoriert er. ich brauche schließlich seine Hilfe.

Gestern dachte ich also, ich nehme mir Zeit und lasse ihn richtig mithelfen. Um es kurz zu machen: es war ziemlich anstrengend. Hier ein paar Einblicke:





Ich habe versucht zu retten was geht. Am Ende kam dann doch ein ganz leckeres Ergebnis zustande und wir haben den gemeinsamen Erfolg gefeiert.

selber gemacht!

Während wir so zusammen gebacken haben und ich versucht habe ein größeres Chaos zu verhindern, habe ich mich gefragt ob es Gott wohl manchmal ähnlich geht.
Vielleicht hat Jesus auch manchmal innerlich gedacht: "Oh NEIN", wenn seine Jünger ankamen um zu helfen. Vielleicht ist es der größte Beweis für seine Liebe und eine unglaubliche Selbsbeherrschung Gottes, dass er in der langen Menschheitsgeschichte nicht irgendwann gesagt hat: Jetzt mach ich es lieber allein. Ihr habt genug "geholfen". Vielen Dank.

Wie oft habe ich, durch meine gutgemeinte Hilfe, wohl ein Chaos angerichtet?
So wie bei dem Einsatz in St. Petersburg, wo ich einem obdachlosen Mann, der am Straßenrand lag, geholfen habe wieder auf die Beine zu kommen. Er war ziemlich schwer und störrisch und es kostete mich einige Mühe ihn aufzurichten. Die russischen Jungs aus unserem Team standen auch nur da und schauten lachend zu. Unverschämt und völlig unverständlich. Bis sie mir sagten, dass der Mann mich auf russisch angefleht hatte: "Bitte, bitte, lass mich doch hier liegen! Bitte, ich will nicht aufstehen!" Was für eine großartige Hilfe. Mutter Theresa von St. Petersburg.
Fast so gut wie gestern im Gottesdienst, in dem ich einfach ein Gebet beendet hatte bevor der Gottesdienstleiter den Segen sprechen konnte. Ich wollte helfen und musste mich danach entschuldigen. 
Ob Gott wohl oft dasteht und denkt: "Oh NEIN!!! Jetzt versucht sie wieder mir zu helfen!"   

Aber vielleicht freut er sich trotz allem wenn wir mithelfen, weil er uns lieb hat, weil er einfach gerne mit uns zusammen ist und weil er die Erfolge zusammen mit uns feiern will?


In dem wunderbaren Buch "der ungezähmte Glaube" (müsste eingtlich auch dringend in meine Top 10 Bücher) schreibt Mike Yaconelli folgende Geschichte, die sich auf einem Konzert des polnischen Pianisten Paderewski in New York ereignete: 

Eine Mutter hat ihren kleinen Sohn mitgebracht, in der Hoffnung, dass er wieder Lust zum Klavier üben bekommt, wenn er den Meister spielen hört. Das Konzert hatte noch nicht begonnen, der Junge war unruhig und lief hin und her. Zum Entsetzen der Mutter rannte er Richtung Bühne und fing an auf dem Flügel den Flohwalzer zu spielen. Großer Ärger im Publikum. Die Saaldiener wollen ihn schon entfernen, da betrat Paderewski die Bühne. Gespannte Stille. Was würde er tun?
Der große Pianist setzte sich neben den Jungen und flüsterte ihm zu: "Hör nicht auf zu spielen, mach weiter. Du spielst toll!" und dann improvisierte er ein Konzertstück zur Melodie des Flohwalzers.
Mike Yaconelli schreibt dazu: 
Eines Tages werden wir in dem großen Konzertsaal Gottes sitzen und das herrliche, wunderbare Konzert hören,  das Gott erklingen ließ, während du und ich, kindlich und stümperhaft, unsere Version des Flohwalzers spielten.

Diese Geschichte macht mir Mut: 
Am Ende ist Gottes Fähigkeit größer, etwas Gutes aus meinem Leben zu machen, als meine Fähigkeit, ein Chaos anzurichten. 

In unseren Ohren klingt unser Alltag oft wie schräg gespielter Flohwalzer. Wir hören hier nur einen Teil der Musik und meistens klingt es sehr unspektakulär:

Windel wechseln

Rotznasen abputzen

Geduldig bleiben

Arbeiten gehen

Obdachlosen aufhelfen

müde Gebete sprechen

versuchen auf Gott zu hören

jemand ein bisschen Mut machen

monatlich etwas Geld spenden

Flohwalzer spielen.

 Und Gott flüstert uns zu:   "Hör nicht auf. Spiel einfach weiter. 
 Du machst es toll! Wir machen es zusammen, ok? 
 Und am Ende wird daraus es etwas wunderbares zu meiner  Ehre. Vertrau mir. "



2 Kommentare:

  1. mir geht es genauso! Zumindest im ersten Teil deines Posts.

    Mama, ich will mithelfen – OH NEEEEIN, innerlich fange ich an zu schwitzen und denke mir gleichzeitig, wie unmöglich ich bin. Pah!
    Es gibt si ebestimmt, die TOLLEN Mütter, die ihre Kinder geduldig anschauen und sich an der Hilfe erfreuen ... ABER: ich bin das eben nicht.
    Nur manchmal, aber meistens eben nicht.

    LG nach Zuffn!

    N

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