Mittwoch, 3. Februar 2016

unerwartete Tränen

  Am Sonntag hat es mich wieder erwischt. Ich saß weinend in der großen charismatischen Gemeinde, die ihre Gottesdienste ganz in unserer Nähe feiert. Dort schaue ich ab und zu vorbei, wenn die Jesusfreaks ihren Gottesdienst in der Kneipe abhalten (dort gibt es -erstaunlicherweise- keinen Raum für Kinder und es ist dann mit Samu immer ein bisschen anstrengend). Und ich muß sagen: machmal tut es einfach gut mich in der Masse vom großen und lauten Teil der Familie zu verstecken und ein bisschen von ihrem Mut und ihrer Freude an Jesus mitzunehmen.
Außerdem schätze ich den Pastor dort sehr. Nicht weil er so erfolgreich eine große Gemeinde leitet (bei großen Zahlen bin ich eher skeptisch:-)). Auch nicht weil er so außergewöhnlich predigen würde und ich immer mit allem übereinstimme was er sagt. Sondern weil ich ein paar Mal gesehen habe wie er ist, wenn er nicht auf der Bühne steht. Wie freundlich und liebevoll er mit seinen Mitarbeitern umgeht. Wie er darauf bedacht ist, dass keiner übersehen wird. Wie er Pastoren aus anderen Gemeinde dient. Er hat uns Jesusfreaks in der Anfangsphase, in der uns die meisten Christen uns noch kritisch beäugt haben, zum Stuttgarter Pastorentreff eingeladen und uns voller Wärme empfangen. Das vergesse ich ihm nicht. (und einige der Pastoren werden sicher auch nicht den Anblick vergessen, wie ich mit meiner Mitleiterin, mit ihren knallrot gefärbten Haaren und Punkstiefeln, dort aufgetaucht bin)

Jetzt aber zu meinen Tränen: Eigentlich müsste ich es langsam wissen. Es geschieht nicht in der aufgeheizten Stimmung im Lobpreis. Auch nicht bei einer emotionalen Predigt. Sondern dann, wenn der Pastor mit ruhiger Stimme Menschen einlädt zu Jesus zu kommen. 
Man kann von solchen Bekehrungsaufrufen halten was man will. Das komische ist, dass ich eigentlich da auch eher kritisch bin. Und wenn dieser Teil des Gottesdienstes kommt, dann bin ich innerlich leicht genervt. Ich hoffe der "Programmpunkt" geht schnell vorbei. Ich denke: hier sind doch sowieso nur Christen. Das wird vielleicht peinlich. Und ich überlege ob ich schonmal leise verschwinden soll. 
Und jedes Mal trifft es mich völlig unerwartet von hinten. Ich sehe staunend wie Menschen aus allen Ecken der Halle aufstehen und nach vorne kommen. Manche davon Mitarbeiter. Klar. Sie haben auch meistens eine entsprechend große Bibel unterm Arm um nicht verwechselt zu werden. Aber ich sehe auch eine aufgeregte Teenager Tochter, die stolz und mit ungläubigem Staunen, ihren Papa nach vorne führt. Ich sehe eine kleine Familie, die sicher nicht aus Deutschland kommt (das Übersetzungskabel hängt ihnen noch am Ohr). Sie haben sich an den Händen gefasst und gehen mutig nach vorne. Zwei junge Frauen gehen nach vorne. Man kann nicht sagen wer hier wen begleitet, aber ich spüre: hier bringt eine die andere zu Jesus. Neben mir steht mit jugendlicher Entschlossenheit plötzlich ein junger Kerl auf (und man kann ihm ansehen, dass das kein leichter Schritt für ihn ist). Noch einmal brandet in der Halle Jubel auf, während er nach vorne geht um sich segnen zu lassen und, vielleicht das erste Mal in seinem Leben mit Jesus zu reden.
Jedes Mal verliere ich an diesem "Programmpunkt" völlig die Fassung und die Tränen strömen mir unaufhaltsam über`s Gesicht. Dann ärgere ich mich, dass ich wieder vergessen habe Tempos einzupacken und wische mir mit einem alten Briefumschlag aus meiner Tasche die Tränen und den Rotz aus dem Gesicht. Wenn ich mich dann einigermassen gefasst habe und die Leute neben mir wieder anschauen kann, merke ich erstaunt, dass es wahrscheinlich nur mir so geht. Und ich frage mich: was ist das in mir? Warum berührt das mein Herz so stark?

Der Schriftsteller Frederik Buechner hat über diese Tränen geschrieben, die überraschend in uns aufsteigen können- wenn wir ein Bild betrachten, eine Stelle in einem Buch lesen, ein Film anschauen, einen bestimmten Geruch wahrnehmen, das Meer sehen, ein fremdes Gesicht...es kann alles mögliche sein
Wann immer dir Tränen in die Augen steigen, besonders in unerwarteten Momenten, tust du gut daran sehr aufmerksam zu sein. Sie sagen dir nicht nur etwas über dein tiefstes Selbst,  sondern Gott kann dir darüber etwas von dem Geheimnis offenbaren wo du herkommst und er kann dich damit in eine Richtung rufen in die deine Seele gehen sollte, um heil zu werden.
(Whistling in the dark, F. Buechner)

Noch weiß ich nicht genau wem oder was meine Tränen gelten. Es ist als würde sich ein Ort ganz tief in mir öffnen, den ich sonst völlig ignoriere. Als würde ein See von Tränen darauf warten geweint zu werden (klingt bisschen theatralisch, ich weiß;-)... ist aber so). Es könnten einfach Freudentränen sein, aber ich spüre, dass da noch mehr ist. Als würden sie tatsächlich etwas wichtiges über meine Seele offenbaren, über eine tiefe Sehnsucht, über eine Richtung in die ich gehen sollte, über einen Ort der mich vielleicht tiefer heil machen könnte. Noch habe ich keine Ahnung, aber ich will aufmerksam bleiben und hinhören ob Gott mir vielleicht etwas sagen will.

Und wann sind dir zum letzten Mal unerwartet Tränen in die Augen gestiegen?
Wohin ruft dich deine Seele?   



7 Kommentare:

  1. was für ein geniales Zitat und ein guter bericht:)

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    1. Danke Steffi- ja, Frederik Buechner ist immer für ein gutes Zitat zu haben:-). LG!

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  2. Ich hatte das letzte Mal Tränen in den Augen, als ich im Kneipengottesdienst warst und du nicht. Nur frisches Laugengebäck konnte mich über diesen Verlust hinwegtrösten.

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    1. Aber diese Tränen waren ja zu erwarten;-)... dass dich eine Brezel so schnell über mich hinwegtröstet ist auch bitter. Grüße inS Sauerland

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    2. Lieber die Brezel in der Hand, als die Christina in der BGG.

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  3. Vielen Dank für den tollen Text! Er hat mich mitten ins Herz getroffen und ich kann nur sagen "genau, so ist es".

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    1. Danke Anna! Das freut mich sehr. Liebste Grüße und Segen zu Dir!!

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