Mittwoch, 13. Juni 2018

Nach dem Sturm

So. Nun war die Vesperpause doch ein bisschen länger als gedacht. Und wie so oft, fällt es mir schwer die letzten Wochen und Monate in Worte zu fassen. Vieleicht zeigt es dieses Bild von letzter Woche ganz gut:


Am Abend vorher hatten wir ein richtig heftiges Gewitter. Unser Keller stand unter Wasser. Ich stand mit einem Fuß in der Toilette (aus der eine Wasserfontäne kam) und der Rest der Hausbewohner hat im Akkord Wasser nach draußen geschöpft. Zuerst bei uns, dann auch noch in der Nachbarschaft. Es war ein ziemliches Abenteuer. Am Morgen danach haben wir die Schäden betrachtet. Heio hat die  durchweichten Kisten aus dem Keller geholt und meine Tagebücher -die ich einfach weggeschmissen hätte - zum Trocknen in die Sonne gelegt  Dann hat er schweren Herzens auch ein paar Dinge entsorgt.(YESSS!!!)
Im Garten waren seine liebevoll hochgezogenen Pflanzen abgeknickt oder sogar aus dem Beet geschwemmt. Unser neuer Pavillion, unter dem wir die WM-Spiele mit den Nachbarn verfolgen wollten, war völllig in sich zusammengebrochen. Woraufhin unser Nachbar mit Samu sofort losgefahren ist um es durch ein neues Gartenzelt zu ersetzen. Was sein muß, muß sein. Heio widmete sich wieder geduldig der Gartenarbeit und pflanzte manches nochmal neu ein. Und ich war einfach nur müde von der vorausgegangenen Nacht.
Die letzte Zeit hat sich ein wenig so angefühlt wie dieser Morgen nach dem Sturm. Ich sortiere durch die Dinge. Ziemlich müde. Immer wieder fahre ich mit meiner Schwester in den Schwarzwald um unser  Zuhause auszuräumen. Das meiste kann weg (meine Schwester ist Weltmeister im Ausräumen!) Manches fällt mir schwer loszulassen. Und doch weiß ich, dass es besser ist. Es wird einfach nicht mehr gebraucht. Ein paar Dinge bewahre ich auch auf. Kleine Erinnerungen. In den Augen anderer einfach nur Gegenstände. Für mich erzählen sie wunderbare Geschichten.


Und neben dem praktischen Aufräumen sind da auch die Dinge in mir. Trauerarbeit nennt man das wohl. Mit so viel Arbeit habe ich ehrlich gesagt gar nicht gerechnet. Meine Mutter wurde ja nicht urplötzlich aus dem Leben gerissen. Und man kann durchaus sagen: Sie starb alt und lebenssatt. Sollte man sich da nicht einfach freuen und dankbar sein, dass man sie so lange hatte? Ja. Und trotzdem. Sie fehlt. Und da war diese nahe Begegnung mit dem Tod. Und da werden plötzlich alte Geschichten wieder ganz lebendig. Es hat mehr erschüttert als ich dachte. Manche Wahrheiten sind nur deshalb nicht weggeschwemmt, weil ich die dunklen Gedanken zurückgedrängt habe, als würde ich mit einem Fuß in der Toilette stehen. Aber manches wurde beschädigt. Einiges davon ist plötzlich nicht mehr so wichtig und kann beruhigt aussortiert werden. Manche alte Last kann ich endlich loswerden. Anderes lege ich nochmal in die Sonne und warte ein wenig ab. Manche Überzeugungen haben Schaden genommen, angeknackst, wie die Stangen unseres Pavillions. Wie praktisch wäre es, wenn man einfach im himmlischen Ersatzteillager alles neu besorgen könnte! Stattdessen geht es ans mühsame Reparieren. Stück für Stück. Sorgfältig wird nachgeschaut wo der Schaden liegt. Ich lese nochmal durch die "Gebrauchsanweisung". Manche Worte muss ich wieder direkt von dem Jesus der Evangelien hören. Das mit dem ewigen Leben, das hast du doch gesagt, oder? Das meinst du doch auch genauso, oder? Das Herz wird mit Gnade "geklebt" und liebevoll gehalten bis es wieder fest wird. Das kann dauern. So wie Pflanzen wieder Zeit brauchen um sich erneut in den Boden zu graben. Noch ein wenig tiefer als vorher.

Der wunderbare Floyd McCLung sagte einmal: If you can`t grieve well, you can`t grow well. Trauern und Wachstum hängt zusammen. Das sind heftige Worte in unserer Kultur, in der wir Leid und Schmerz wo es nur geht umgehen, abkürzen oder wenigstens betäuben wollen. Im jüdischen Glauben nimmt man sich Zeit zum Trauern. Es ist wie eine Disziplin auf die man sich ganz bewusst einlassen soll. Da gib es so etwas wie eine geistliche Choreographie für ein ganzes Trauerjahr. Und dann jährliche Gedenkfeste. Das fehlt uns in der christliche Kultur. Wir geben uns ein paar Wochen nach dem Sturm und dann sollte man aber auch drüber weg sein. Sonst stimmt was nicht. Aber das ist nicht wahr. Unsere Seele braucht Zeit. Manchmal länger als uns lieb ist. Wir dürfen das  "in die Sonne legen" nicht abkürzen. Unsere müde Seele nicht einfach ingorieren. Wir sollten das Aussortieren nicht umgehen. Und auch nicht das repariert werden (oder das "Papariert" werden wie Samu das immer nannte, wenn er seinem Papa etwas zum reparieren hinhielt). Heil werden. Am schwersten ist es vielleicht das Stillhalten zu lernen, bis wir wieder liebevoll neu eingepflanzt werden.

Take courage my heart,

learn to grieve well. 

And  you will grow well.

8 Kommentare:

  1. Liebe Christina,

    wie schön, wieder was von dir zu lesen.
    Habe öfters an dich gedacht und überlegt, wie es dir so geht mit dem Heimgehen deiner Mutter und überhaupt...
    Liebe Grüße
    Claudia

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    1. Danke Claudi für Dein drandenken....und wie schön, dass Du immer wieder vorbeischaust! Liebste Grüße zu Dir!!!

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  2. Schön dich wieder zu lesen! Ich hab auch oft an dich gedacht.
    Fühl dich gedrückt!
    Liebe Grüsse
    Sarah

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    1. DANKE Sarah!!! So gut zu wissen, dass wir nicht alleine sind. Ich drücke dich zurück und wünsche Dir viel Segen und spürbare Nähe von Jesus!

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  3. Mein Mann und ich waren kürzlich bei einem Lobpreisseminar mit Brian Doerksen. Eines der zentralen Themen war dabei auch die mangelhafte Trauerkultur, die fehlenden Klagelieder auch im Lobpreis, obwohl die meisten der Psalmen diesen Bereich gerade nicht ausklammern. Das führte ihn u.a. dazu, das wunderbare Lied "my king has got scars on his hands" zu schreiben. Jesus hat keine Abkürzung genommen und bleibt auch in unseren dunklen Tälern an unserer Seite. Wenn wir sie Schritt für Schritt durchschreiten können wir letztlich auch zu einer noch tieferen Freude gelangen. Nimm Dir also ohne Schuldgefühle weiterhin diese Zeit, liebe Christina und lass Dich "paparieren". Gottes Gnade leuchtet gerade durch Deine Risse!

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    1. Danke Vera! Interesanterweise habe ich genau darüber gestern mit einer Freundin gerede. Die oft fehlenden Klagelieder in den evangelikalen Gottesdiensten. Da ist manchmal so wenig Platz für die Fragen und Klagen und das Geheimnis....was für ein toller Liedtext von Brian Doerksen! Danke dafür!!! Liebste Grüße und Segen zu Dir an den Bodensee!

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  4. Oh wie schön, wieder von dir zu lesen! Ich hab dich hier vermisst.

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    1. Und ich LIEBE es bei dir zu lesen, liebe Vroni! Hoffe wir sehen uns bald!!! (Heio will jetzt auch Hühner. Vielleicht könnt ihr euch mal darüber austauschen:-))

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