Montag, 13. November 2017

Thin places und das ganz große Kino

Wir sitzen bei Kaffee und Kuchen und die Freundin erzählt mir begeistert von ihrem Urlaub in Israel. Ich schaue die Fotos an und würde am liebsten sofort den Koffer packen und hinfahren. Vor Jahren war ich schon mal dort. Es war...ach, so schwer in Worte zu fassen. Man betritt ein fremdes Land und es weckt an jeder Ecke eine Sehnsucht, die meine Seele weit macht. Dieses Land erinnert mich daran, dass ich Teil eine ganz großen Geschichte sein darf. Aus den Worten der Freundin höre ich es ganz ähnlich. 
Wir kommen in unserem Gespräch auch auf thin places. So bezeichneten die Kelten (und dann auch die keltische Christen) die  Orte an denen die Grenze zwischen der sichtbaren und unsichtbare Welt durchlässiger sind; Orte an denen die Wirklichkeit des Himmels näher scheint.  Wir sind uns einige: Das ganze Land Israel hat etwas von einem thin place. Ja, es ist auch ein umkämpftes Land. Leidenden Menschen. Terror. Und ich bin weit entfernt von einem naiven Blick auf dieses Volk. Aber es ist der Boden auf den Gott ganz viele seiner Verheissungen gelegt hat. Hier wurzelt eine Geschichte die mein Leben so unendlich reich macht.


 Abends liege ich im Bett und blättere in einem meiner Lieblingsbücher, Bittersweet von Shauna Niequist, darin ein Kapitel über thin places. Shauna schreibt, dass es nicht nur bestimmte Orte sondern auch bestimmte Zeiten sein können. Zeiten in denen wir empfänglicher dafür sind, dass es mehr geben muss als die Sichtbare Welt, Zeiten in denen unsere Herzen weicher sind und bereit weiter zu werden. Als Beispiel nennt sie die Vorweihnachtszeit. Vielleicht sind deshalb so viele Spendenaufrufe und soziale Aktionen in diese Zeit gelegt? 
Ich fühle mich davon immer ein bisschen überfordert. Es gibt ja so vieles Gutes was man tun könnte! Da hilft es mir, wenn andere die Dinge in die Hand nehmen: Wir packen in unserer Gemeinde Päckchen für Weihnachten im Schuhkarton. Eine schöne Aktion. Ok, es ist ein bisschen konsumorientiert und vielleicht mache ich auch deshalb mit, damit ich die Weihnachtseinkäufe mit einem besseren Gewissen machen kann: wenn der Sohn das 50. Auto bekommt soll ein Kind in Osteupopa wenigstens auch mal eins haben. Aber ich war ganz stolz, dass Samu dieses Jahr nicht, wie sonst immer, gejammert hat, sondern im Laden freudig Autos, die er selbst gerne hätte, für das Päckchen ausgesucht hat. Gut, bei dem süßen Teddybär gab es ein paar Tränen - aber im großen und ganzen ist die Aktion ein Erfolg im Hause Schöffler. Das Kind lernt abzugeben. Herz weiten lassen.

Danke Lissy und Sarah, dass ihr das organisiert habt!!!
Im Briefkasten finde ich, neben Spendenaufrufen, einen Brief, sorgfältig von Kinderhand geschrieben. Unser Patenkind Amon aus Uganda erzählt uns davon, dass er dieses Jahr mit seiner Familie viel Mais und Bohnen geerntet hat, dass er in der Schule auf Platz 30 von 50 Schülern ist (völlig ausreichend, wie ich finde), dass er gerne Fußball spielt und so dankbar ist, dass wir seine Paten sind. Er versichert uns, dass er und seine Familie täglich für uns beten. Was für ein Segen!


Die Vorweihnachtszeit rückt schon mit großen Schritten näher und der Blick in den Kalender versetzt mich in leichte Panik: Viele Termine, Lesungen, Weihnachtsfeiern und - wie jedes Jahr - noch kein einziges Geschenk gekauft. Aber ich will wirklich versuchen mich nicht so hetzen zu lassen! Ich will mir das Geschenk dieser besonderen Zeit nicht entgehen lassen: Mein Herz weiten lassen und mich daran erinnern, dass wir geschaffen sind um Teil einer größeren Geschichte zu werden.

Meine Geschichte reicht bis nach Israel. Von Bethlehem über Nazareth bis zu einem Berg in Jerusalem. Und sie reicht dieses Jahr auch bis in ein Kinderheim (oder ein Wohnzimmer) nach Osteuropa. Zu einem kleinen Junge der ungeduldig seinen Schukarton öffnet und dessen Augen beim Anblick der kleinen Autos aufleuchten.  Und ein Teil meiner Geschichte findet auch in Uganda statt. Bei Amon und seiner Familie. Obwohl ich noch nie dort war. Einfach weil wir das Glück haben im Monat 30 Euro übrig zu haben und Gebete und Briefe hin und her gehen.

Nichts gegen Weihnachtseinkäufe, geliebte Menschen beschenken, Adventsbasteleien und besinnliche Stunden unterm Weihnachtsbaum. Aber wir sind zu mehr geschaffen! Unsere Leben sind dazu gerufen Teil vom ganz großen Kino werden: Ein großer Regisseur. Ein gewaltiger Epos. Internationale Besetzung. Eine unfassbare Geschichte von Schuld, Heldentod, Erlösung, Vergebung, Tränen, Lachen, Umarmungen, Wunder, Demut, fremde Welten, Hoffnung und Sehnsucht - und mit einem fulminanten Finale bei dem alle staunend auf die Knie fallen. Die Hauptrolle habe nicht ich, sondern Jesus. Aber ich will kein Statist sein, der in seiner kleinen Welt stecken bleibt, sondern mir imme wieder meinen Platz in der großen Geschichte zeigen lassen. Kleine Szenen, die mich nicht überfordern.  Ok, manches ist auch echt herausfordernd (und die Vorweihnachtszeit hat durchaus einige dieser Szenen für mich!) - ich glaube das macht der Regisseur, damit ich mein Talent entwickeln kann:-). Aber alles passiert einfach Schritt für Schritt, unter seinen liebevollen Regieanweisungen. 

5 Kommentare:

  1. Vielen Dank für deine Gedanken und das Schenken. Wie schön, wir haben auch einen Schuhkarton gepackt! Und ich hab mal genauer nachgefragt - Ich finde, die Aktion ist nachhaltiger, als man zunächst so denkt... Ich habe eine Sammelstelle besucht und darüber geschrieben. (Wenn du auf meinen Namen klickst, müsstest du hoffentlich zum richtigen Artikel kommen). Liebe Grüße, Martha

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    1. Danke Dir für den tollen link! Das klingt tatsächlich gut. Und ich finde allein schon einem Kind eine Freude zu machen kann sich ja definitiv nachhaltig aufs Leben auswirken! (also nehme ich das aus dem Text).Ich glaube ich bin nur ein bisschen skeptisch geworden, seit ich bei der Flüchtlingsarbeit vor Ort erlebt habe, dass Dinge oft im Überfluß abgegeben werden und wir im Westen glaub schon dem Irrtum unterliegen, dass es DINGE sind die uns glücklich machen. In dieser Hinsicht können wir von anderen Kulturen wohl einiges leren...

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    2. ich bin in der ambulanten Pflege tätig. Ich bin oft sehr traurig zu sehen, wie arm Menschen sein können, ohne dass es an Geld oder materiellen Dingen mangelt. Die Not die mir in den Häusern begegnet ist sehr groß: Vereinsamung, Trostlosigkeit, Verrohung, Lieblosigkeit und Kälte, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit.E.L.

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    3. Oh ja, das kenne ich auch gut aus meiner Zeit in der Pflege.
      Das ist wirklich traurig...und du hast recht: es zeigt wie arm wir sein können, auch wenn wir materiell verorgt sind. WIe gut wenn dann Menschen da sind, die mal zuhören, oder mal in den Arm nehmen...
      Wünsche Dir ganz viel Kraft und Segen für diese wichtige Arbeit!!!

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  2. Danke für den Film. Eine sehr sinnvolle "Werbung". Womit haben wir es verdient, dass es uns in D materiell so gut geht? Mich bestürzt es, dass die Güter dieser Welt so ungleichmäßig verteilt sind. ich bin äußerst froh über Weihnachten im Schuhkarton und dass viele Kinder sich freuen können. E.L.

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