Montag, 14. November 2016

Überrascht

Heute morgen beim Aufstehen, mit schmerzendem Kopf, finde ich Samu an seinem kleinen Tisch - ganz konzentriert beim Malen. Er zeigt mir stolz sein Bild erklärt: "Das sind Fahrzeuge: Porsche, normales Auto, Traktor, Feuerwehr, Bus und Sonnenbrille."


Ich halte mein Kommentar: "Die Sonnenbrille passt aber nicht dazu!" zurück. Ich finde sie klasse - weil es das Muster durchbricht, weil es etwas Überraschendes ist in der Reihe der Fahrzeuge und es gerade deshalb das Bild zu etwas Besonderm macht und mich, in einem trüben Moment am Morgen, zum Lachen bringt.
So ähnlich ging`s mir gestern im Gottesdienst. Ich war bei meiner Schwester und in ihrer kleinen, etwas wilden, charismatischen Gemeinde. Bei den einleitenden Worten rechne ich mit allem nur nicht mit dem ruhig vorgetragenen Rilke-Gedicht. Vom Prediger, den ich von früher kenne, erwarte ich große und vollmundige Worte. Aber er steht, von Krankheit gezeichnet, am Mikrophon und spricht unglaublich ehrlich über seine Schattenseiten und Gottes Gnade.  

Ich glaube Gott liebt es unsere Vorstellungen zu sprengen und das Muster das wir erwarten zu verändern:  Er macht Frauen mit fragwürdiger Vergangenheit zu seinen Nachfolgern, packt liebevolle Samariter in seine Geschichten und  schenkt Offenbarungen aus dem Mund von Obdachlosen und kleinen Kindern. Er spricht durch merkwürdige Menschen und schlechte Filme. Er kann uns begegnen im Chaos der Jesusfreaks, in der 1000-jährigen Liturgie der römisch-katholischen Kirche, in einem evangelikalen und einem liberalen Christen, in einer wild-charismatischen Kirche, in der Kneipe, beim IKEA und an der Aldikasse. (Nina Hagen ist er auf einem LSD-Trip begegnet :-)) Man kann sich nie wirklich sicher sein. Er schmeisst unsere Vorstellungen über den Haufen, ändert die Reihenfolge, erklärt die Abgehängten zu den Gewinnern, macht aus Niederlagen die größten Siege, lässt Leben auf den Tod folgen. Ich liebe es mit Jesus unterwegs zu sein.

Er taucht liebend gern in Momenten auf in denen wir ihn nicht kommen sehen: 

durch die Ritzen der Worte eines suchenden Dichters  

durch die Brüche unseres Lebens

durch Gemälde von 5-jährigen Jungs

durch ein Lachen

Unerwartet fallen wir in die Umarmung der Gnade.


Die Blätter fallen, 
fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
 
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit. 
 
Wir alle fallen. 
Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, 
welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält. 
 
Rilke, Aus: Das Buch der Bilder 


6 Kommentare:

  1. Ich möchte das geniale Sonnenbrille-Bild. Biete für den Künstler einen McDonalds-Besuch mit Happy Meal.

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    1. schon für dich zur Siete gelegt! Ich erhöhe um einen Bio-Burger am Kelterplatz :-)

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    2. Okay, erst McDoof und zum Nachtisch Einkehr bei den Burger Brothers.

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  2. Der Porsche!
    Man sieht sofort, dass ein Porsche kein "normales" Auto ist.
    Sag Samu einen herzlichen Gruß von mir, unbekannterweise, ich bin da ganz bei ihm.
    Porsche baut die schönsten Autos der ganzen Welt.

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    1. Werd ich immer ausrichten - das wird ihn freuen! (und die schönen Porsche werden hier direkt um die Ecke gebaut- Glück muß man haben :-))

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    2. ich weiß, dass Zuffenhausen gleich bei euch um die Ecke ist. Ich war schon in diesem Prachtbau von Museum.

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