Mittwoch, 19. Oktober 2016

Schaden an der Seele

Die letzten Tage war Samu krank und natürlich sind die Bakterien auch fröhlich bei mir gelandet. Und ich wollte doch so viel erledigen und habe gefühlt NICHTS hinbekommen! Außer Autos gespielt, Teekannen befüllt und Büchle vorgelesen. Heute morgen schicke ich das Kind trotz Husten und Schnupfnase in die Kita. Drei Stunden für mich alleine! Jetzt würde ich am liebsten losspurten wie bei einem 100m Lauf und alles gleichzeitig anpacken was liegengeblieben ist.

An solchen Tagen fällt die Zeit, die ich morgens auf dem Sofa verbringe, um zu beten eher kurz aus. Du bist doch nicht sauer Gott, oder? Es gibt halt viel zu tun. Und ich versuche ihn zu vertrösten, wie einen aufdringlichen Liebhaber: Vielleicht klappt ja mal ein Abend diese Woche an dem ich wieder ausgiebig Zeit habe.  Und dann renne ich in den Tag und merke: Ich bin dabei mich zu verlieren. Ich spüre meine Grenzen nicht, ich werde genervt, bin dünnhäutig und empfindlich, mache mir Sorgen um Dinge die nicht so wichtig sind und ich nehme mich selbst viel zu wichtig. 
Ich vergesse so leicht, dass die Zeit mit Gott kein großzügiges Geschenk meinerseits an ihn ist, sondern es ist sein großes Geschenk an mich!
 Und er zieht sich nicht beleidigt zurück, wenn ich mir die Zeit nicht nehme (das macht er niemals - Gott sei Dank!) aber es tut ihm leid - vor allem um meinetwillen! Weil er weiß, was meine Seele braucht und was meiner Seele schadet.

Ich muß immer wieder an ein Radiointerview mit Christian Streich denken, dem Trainer des SC Freiburg, das mich sehr beeindruckt hat. Er erzählt darin eine kleine Geschichte von einem spanischen Fußballer: Die Spieler durften sich von einem Sponsor ein Auto aussuchen und es war für diesen Fußballer einfach naheliegend das größte und teuerste Auto zu nehmen. Da zog ihn sein Teamkollege Xavi zur Seite und meinte: "Überleg es dir gut, ob du das wirklich willst. Es könnte deiner Seele schaden!" Das war nicht überheblich gemeint. Es war eine freundliche Warnung eines erfahrenen Profispielers der erkannt hat, dass manche Entscheidungen uns in die falsche Richung ziehen können. Und manche Dinge können unserer Seele schaden. Christian Streich hat mit der Geschichte erklärt, warum er es sich länger überlegt hat, ob er tatsächlich den Trainerjob einer Mannschaft der ersten Bundesliga annehmen soll. "Weil es etwas mit dir macht, mit deiner Seele, und ich habe überlegt, ob das gut für mich ist."
Das hat mich sehr beeindruckt. Wer redet heute schon von Dingen die unserer Seele schaden?

Heute morgen, auf dem Sofa, lese ich diese Worte von Jesus. Eigentlich will ich sie schnell überfliegen, aber sie wirken wie eine Vollbremsung:
Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und nimmt dabei Schaden an seiner Seele. (Oder wie es in der Message steht: er verliert sich selbst dabei) Matthäus16,26

Ich glaube was unserer Seele schadet kann bei jedem etwas ganz anderes sein.
Für mich heisst es:

Was hilft es, wenn die Wohnung sauber ist, alle Dinge auf meiner Liste erledigt sind, aber ich mich selbst dabei kaputt gemacht habe?

Was hilft es, wenn ich erfolgreich bin, aber mich dabei selbst verloren habe?

Was hilft es, wenn ich sämtliche Erwartungen erfüllt habe aber die Beziehungen zu den Menschen, die mir am nächsten sind, nehmen Schaden, weil ich so gestresst bin? 

Was hilft es, wenn ich am Ende des Tages alle Mails beantwortet habe, aber es fehlt die Zeit, auf Gottes Liebe zu antworten?

Was hilft es, wenn ich tolle Gedanken habe und sich meine Blogleser verdoppeln und am Ende ist meine Beziehung zu Jesus nur noch eine Zweckbeziehung?

Was hilft es, wenn ich das tollste Lob einfahre und darüber vergesse, wen ich mit meinem Leben loben will?

Heute morgen habe ich versucht die lauten und stressigen Gedanken und die alten Antreiber auf ihre Plätze zu verweisen. (hinterste Reihe. Höchstens. Besser: Stehplatz im Gang!) Ich hab Heios Gitarre geholt und mit kratziger Stimme den alten Jesus-freak-Schlager gesungen: "Glory, glory to the highest, Glory, glory to your name!" Immer wieder. Bis ich das Gefühl hatte: jetzt ist es irgendwie angekommen. Innendrin. Ich habe meiner Seele die Richtung gezeigt wofür ich eigentlich leben will.

Ich will mich heute nicht verlieren. Ich will nicht, dass meine Seele schaden nimmt.

Und die schrillen Stimmen vom Gang sind plötzlich ganz kleinlaut. Sie müssen eine Nummer ziehen und brav an der Tür warten bis sie reindürfen. Einer nach dem anderen. Und wer heute nicht dran kommt - morgen ist auch noch ein Tag!

4 Kommentare:

  1. So wahr, wenn ich denke ich habe keine Zeit mehr für Gott weiss ich, dass es 5 vor 12 ist. Denn ich beginne die Entscheidungen aus dem Verstand herbeizuführen und nicht aus seinem Geist heraus. Dabei verletze ich meist nicht nur mich sondern gleich mein Umfeld mit. Not good! Danke!

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  2. Wundervoll.müsste man jeden Tag lesen, man vergisst es wieder viel zu schnell im Alltag. Liebe Grüße Claudia

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  3. Volltreffer. Immer wieder. Danke!

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