Montag, 27. Juli 2020

Sommerfrische

Heute morgen wecke ich das raupenförmig in die Bettdecke gewickelte Kind mit den Worten:  "Nur noch dreimal aufstehen - dann sind Sommerferien!" Ein wohliger Seufzer ist die Antwort. Dieses Jahr fühlt sich das alles irgendwie merkwürdig an. Hatten wir das nicht eben erst? Das Kind wochenlang Zuhause? Aber jetzt müssen wir kein Homeschooling machen und deshalb sind es eben doch ersehnte Ferien!  Auch wenn man einen Termin fürs Schwimmbad ausmachen muß und der schönste und größte See in der Nähe wegen Überfüllung bereits dicht gemacht hat.  Aber Gott sei Dank gibt es hier noch mehr kleine Seen, die wir nun alle, nacheinander, kennenlernen dürfen. Unsere längst geplante Hollandwoche Ende August steht auf wackligen Füßen - wer weiß wie sich die Lage bis dahin entwickelt - und wenn uns die Pandemie eines lehrt dann das: Unsere Pläne sind eben einfach nur Pläne. Laut Duden: Dinge die man sich für einen späteren Zeitpunkt vornimmt. Wie das dann, zu diesem späteren Zeitpunkt möglich ist, wird man sehen.
Deshalb macht es Sinn das HIER und HEUTE ein bisschen mehr zu feiern; alles was uns jetzt, in diesem Moment, in die Hände gelegt wird. Eine Blogleserin hat mich gebeten doch einmal zu schreiben warum dieser Blog der Spatzinderhand heisst. Dazu könnte ich seitenlang philosophieren. Aber ehrlich gesagt war es einfach dieser Gedanke: Ich will das ehren und wahrnehmen, was mir heute in die Hände gelegt wird.
Gestern abend, auf unserem Balkon sitzend, habe ich in meinem wunderbaren Sabbath-Buch von Wayne Muller  folgendes gelesen (frei übersetzt):
In unserer gestressten Kultur nehmen wir so vieles als Selbstverständlich hin. Wir konsumieren Dinge, Menschen und Informationen. Wir haben weder Zeit das Leben zu kosten noch uns freundlich um uns selbst, unsere Liebsten und unsere Welt zu kümmern...
Sich an den Sabbat zu erinnern bedeutet: Erinnere dich daran, dass alles was du in Händen hälts ein Segen ist! Erinnere dich daran, dich deines Lebens zu freuen und die Früchte deiner Arbeit zu genießen! Erinnere dich daran, innezuhalten und für dieses Wunder zu danken!
In diesem Sinn will ich die Sommerzeit ganz bewusst als eine Einladung zu einem Sabbat nehmen. Leben schmecken. Mich freundlich um mich, meine Liebsten und die Welt kümmern . Was heute ganz praktisch heisst: Ich verschiebe das MRT für mein schmerzendes Knie nicht länger. Ich lege den Unmut über meinen Mann beiseite (wegen ein paar Klitzekleinigkeiten) und beginne den Tag mit weniger Nörgeln sondern schiebe ein Dankgebet ein, dass wir einander haben. Und ich schließe gleich noch eine Bitte für die verfolgten Christen und für den wunderbaren Denis Mukwege und sein Team mit ein (dessen aufrüttelndes Buch ich gerade gelesen habe). Ach wir alle, mitsamt unserer geschundene Welt, brauchen viel Freundlichkeit!
Und wir brauchen Zeit, um aufzutanken! Die letzten Monate sind nicht einfach wegzustecken! Die müden Blicke über den Mundschutzmasken zeigen mir: Wir mussten uns an neues anpassen und es hat uns einiges an Kraft gekostet. Seien wir freundlich zu uns selbst und miteinander! Gott ist freundlich zu uns! Das spüre ich immer wieder, wenn ich müde bei ihm ankomme. Ich meine ihn so oft sagen zu hören: "Ich weiß. Ich weiß wie es dir geht. Komm, ruh dich ein bisschen bei mir aus." Lasst uns ein wenig ausruhen und diesen Sommer ein bisschen Zeit verschwenden. Wir alle können doch eine kleine Sommerfrische gebrauchen! Lasst uns an Blumen riechen und ins Wasser springen - und uns nicht darum scheren, was für eine Figur wir dabei machen! Lasst uns über unsere Kinder lachen - mindestens so viel wie wir uns über sie ärgern-  und an Wassermelonen schlürfen, bis uns ihr süßer Saft übers Kinn tropft. Lasst uns Bücher verschlingen und Stockbrot übers Feuer halten und uns an den Segen erinnern, den wir in Händen halten. Dem Wunder leise die Hand hinhalten, wie es Hilde Domin so wunderbar geschrieben hat. Es braucht ein wenig Zeit und Aufmerksamkeit und Stillhalten, bis es zu dir kommt. Und dann kitzelt es und bringt dich zum Lachen, das kleine Wunder. Bis es fröhlich pfeiffend zum nächsten Ast fliegt. Man kann es nicht festhalten. Aber es kommt morgen wieder. Wenn wir ihm ruhig die Hände hinhalten.







Der Abschiedbrief für Ferdinand, die Babymaus (die leider bei uns nicht überlebt hat)

Ein Anblick der mich heute morgen zum Lachen brachte






Erinnere dich daran, dass alles was du in Händen hältst ein Segen ist!

Mittwoch, 22. Juli 2020

Heimatgedanken

In diesen Tagen denke ich viel über das Thema Heimat nach. Einmal weil ich nächste Woche zu diesem Thema interviewt werde, aber auch weil ich in meinem Umfeld gerade immer wieder mit der Endlichkeit unseres Lebens konfrontiert werde. Da liegt, neben allem was uns auf dieser wunderbaren Erde Heimat ist, die Frage nahe, wo wir am Ende ankommen werden, gepaart mit der großen Hoffnung von uns Jesusnachfolgern, dass wir mir offenen Armen erwartet werden.
Gestern war der Todestag von meinem Vater.  Vor acht Jahren ist er in seiner himmlischen Heimat angekommen. (Ich musste nochmal nachrechen: Wirklich, es sind erst acht Jahre! Ich vermisse ihn schon eine gefühlte Ewigkeit). Es gibt Tage, da kommt mir dieses ferne Zuhause wie eine Fata-Morgana in der Wüste vor. Eine flackernde Vision am Horizont, die sich am Ende vielleicht im Nichts auflösen wird. Dann hilft es mir, wenn ich an die letzten Stunden meines Vaters denke. Wie wir an seinem Bett standen und gespürt haben: Jetzt heisst es Abschied nehmen. Wie meine Mutter, sein geliebtes Klärle, seine Hand fest drückte und ihm sagte, dass er jetzt gehen darf. Und wie in seinem letzten Atemzug sein Gesicht aufgeleuchtet hat als wäre sein Blick auf so etwas wunderbares gefallen, was wir, als Hinterherwinkende, nur erahnen konnten. In den dunklesten Stunden greift man unwillkürlich zu der Hand, die vertrauenswürdig ist. Man spürt, dass das, was im Leben getragen hat, einen auch durchs Sterben tragen kann. Das habe ich bei meinen Eltern so erlebt. Das war weit weg von Fata-Morgana. Es war wie ein Auftauchen aus dem Nebel. Ein Augenblick großer Klarheit. Die Demenz hatte den Verstand meines klugen Vaters in seinen letzten Jahren immer mehr getrübt. Als ich ihm Samuel, seinen neugeborenen Enkel, voller Freude aufs Bett legte, hat er ihm nur abwesend das Köpfchen gestreichelt. Es war einer der Momente in denen ich aus dem Zimmer musste, um zu weinen. Um alles was hätte sein können. Und niemals auf dieser Erde sein würde. Aber es gab die Momente in denen sich der Nebel gelichtet hat. Da war dieses Strahlen auf seinem Gesicht, wann immer der Name seiner Frau fiel, die er so sehr geliebt hat. "Dein Klärle ist da, Papa." Trostwort. Und da war der Name seines Gottes. Wie ein Licht, hat ihn dieser Name durchs Dunkel begleitet.  Beten konnte er noch als er schon lange keine Sätze mehr für ein Gespräch mehr formulieren konnte. Klar und deutlich. Und als dann das Beten nicht mehr ging, waren es Gesangbuchlieder und Bibelverse, zu denen er mit Tränen in den Augen seine Lippen bewegt und sein Amen geflüstert hat. Und am Ende dieser Blick, der mehr sagte als alle Worte.
Daran will ich mich erinnern, wenn mich heute die Zweifel überfallen, ob es wirklich so eine Heimat gibt. Wenn mir das Dunkel, das andere gerade durchschreiten müssen, so undurchdringlich vorkommt. Wie gut wenn wir Trostworte füreinander haben. Wenn da Namen von Menschen sind, die uns zum Strahlen bringen. Menschen die uns hier, auf dieser wunderbaren und verwundeten Welt, Heimat waren. Und wie gut, wenn wir den einen Namen gesagt bekommen der  heilt und rettet und der lebendig macht und alles Dunkel und alle Not überstrahlt. Jesus. Unser Jesus. Offene Arme, die uns jeden Tag unseres Lebens halten und trösten können. Auch an unserem letzten Abend.

"Die Schule ist aus, die Ferien haben begonnen. Der Traum ist zu Ende, der Morgen ist da." Als er so sprach, sah Aslan für sie nicht mehr wie ein Löwe aus. Und was sich danach ereignete, war so großartig und schön, dass man es nicht beschreiben kann.
(aus Die Chroniken von Narnia, C.S. Lewis)

 

Mittwoch, 15. Juli 2020

Hello again!

Da bin ich wieder. Und wie immer, nach längerer Pause, fällt mir das Blogschreiben schwer.  Ich möchte so gerne tiefe und kluge Wahrheiten mitbringen, die ich in der Zeit vom Still-sein und Nichts-tun gewonnen habe. Nur leider war die Stille nicht ganz so still. Und irgendwie gab es immer was zu tun. Aber ein paar Dinge habe ich in den letzten Wochen entdeckt, die ich euch einfach, völlig unsortiert, aufschreiben will:

  • Loslassen ist am Anfang schwierig. Und dann ist es erleichternd.

Es ist interessant was alles in mir hochkommt wenn ich loslasse: Ängste, Neid, Selbstzweifel bis hin zur Verdammnis (und dem Wunsch alles hinzuschmeißen, weil ja sowieso nicht gut genug...). Wenn diese stürmischen Gäste sich ausgetobt haben und wieder abgezogen sind, setzt sich still und leise der Friede  neben mich aufs Sofa. Und wir lächeln uns an.

Ein Tagebucheintrag:
Die Welt sagt mir: Du musst sichbar bleiben, um wichtig zu sein.
Jesus sagt mir: Du musst dich anschauen lassen, um zu erkennen wir wichtig ich Dir bin.




  • Es gibt viele Wege das zu tun, was wir lieben

Das ist wie beim Staudamm bauen: Wenn man eine Stelle dicht macht, findet der Strom einen anderen Weg. Man kann ein Cafe eröffnen oder - wenn sich der Traum etwas verzögert -  für Freunde Kuchen backen. In meinem Fall: Wenn ich nicht mehr öffentlich schreibe, schreibe  ich mal wieder echte Briefe, entwerfe Postkarten oder laufe  mit Samuel über die Felder und erzähle ihm Geschichten. Ich kritzle mein Tagebuch voll. Korrigiere mich nicht. Scheiß auf Satzzeichen, Ausdrucksweisen, Grammatik und Außenwirkung. Ich lerne, die Dinge wieder mehr direkt vom Herzen fließen zu lassen. Manchmal braucht es dazu Stift und Papier, statt klackernde Computertasten.



  • So groß bist du gar nicht!

Das sagte mir eine kluge Freundin: Die korrekte Antwort auf den Satz "Ich will mich nicht so groß machen!"  ist: "So groß bist du doch gar nicht!" Klingt erstmal hart, aber ist so wahr. Es  macht Mut, sich aufzurichten zu der Größe die Gott geschenkt hat. Mutig den Platz einzunehmen, den man ausfüllen kann. Und gleichzeitig ist es die Erinnerung: Ich bin nur eine kleine Blume in Gottes großem, wunderbaren Garten. Mein Einfluß ist begrenzt. Die Welt kann auch ganz gut ohne mich. Ich muß mich nicht zu allem äußern und erst recht nicht bei jedem Trend mitmachen. Karl Lagerfeld hat irgendwann in einem Interview mal erwähnt, dass er davon ausgeht, dass die Welt aufhört, wenn sein Leben hier aufhört. Nun, so kann man sich täuschen. Es geht auch ohne uns. Aber wie schön, dass wir heute dabei sein dürfen!



  • Corona macht dick

Eine Erkenntnis die vielleicht der eine oder andere von euch auch gewonnen hat. Was tut man wenn man Zuhause ist und die Neven oft blank liegen? Richtig: Kuchen backen. Kaffee trinken. Oder den Grill anwerfen. Die Waage blickt verstaubt und vorwurfsvoll aus ihrer Ecke. Ich versuche sie zu igorieren und mir beim Blick in den Spiegel zu sagen: Es gibt wichtigere Probleme im Leben. Die Kilos tanzen wir uns wieder von den Rippen, wenn die Krise vorbei ist!




  • Eine kleine Gemeinde ist etwas wunderbares!

In diesen Zeiten feiere ich, dass wir eine kleine Gemeinde sind. Ach, wie oft hätte ich uns gerne größer und eindrucksvoller gehabt! Stattdessen blieben wir immer eine überschaubare Gruppe von Menschen, die irgendwie versuchen Jesus hinterherzustolpern.  Und nun ist es so herrlich unkompliziert: Wir treffen uns mal in einer Tiefgarage, mal im Garten von Freunden. Immer schön auf Abstand. Aber innerlich stehen wir zusammen.  In den gottesdienstfreien Zeiten lag das süße Nichts-tun, Ausschlafen und Sonntage vertrödeln. Das war ehrlich schön. Eigentlich hat mir nichts gefehlt. Jetzt aber, wenn ich diese vertrauten Menschen sehe, dann weiß ich wieder was gefehlt hat. Und ich bin von Herzen dankbar, dass wir durch dieses stürmische Leben nicht alleine gehen müssen.




  •  Bücher sind gut für die Seele

Wir lesen . Fast alles was uns unter die Finger kommt! Samuel hat in seinen Rekordzeiten fünf Bücher die Woche gelesen (von wem er das wohl hat? :-)).


Hier sind unsere derzeitigen Favoriten:
Ein kleines Skizzen-Buch von dem Künstler Charlie Mackenzie
(gibt es inzwischen auch auf deutsch!):



Eine wunderbare Liebesgeschichte, in unserer Bücherei entdeckt:


Und ein Bilderbuch, das Kinder und Erwachsene gleichermassen zum Staunen bringt:



  •  Zeit haben wir alle.  Zeit nehmen ist die Kunst des Lebens!

So viele Termine sind in den letzten Wochen ausgefallen sind. Ach, was könnte man nicht alles machen! Die Baumärkte waren voller Menschen die endlich ihre Hausverschönerungsprojekte umsetzten wollten. Die Wertstoffhöfe waren überfordert und mussten zeitweise sogar schließen. Schön, wenn man sich´s schön macht! Aber mindestens so schön: Wenn man sich die Zeit nimmt um es schön zu haben! Ich bin dankbar für die Extra-Luxuszeit die ich (manchmal mit sehr angeschlagenen Nerven) mit den Menschen verbringen konnnte, die ich lieb habe. Fürs Ausschlafen anstatt das Kind zur Schue anzutreiben. Für tausend Entschuldigungen und gepflückte Blumensträuße und Spaziergänge zum Einkaufen und neue Schleichwege entdecken und Stockbrot übers Feuer halten und lange Kapitel vor dem Einschlafen vorlesen und um 9 Uhr ins Bett fallen oder staunend beobachten wie über den Nachbarhäusern der Mond aufgeht. Zeit nehmen. Jetzt und hier sein. In diesen Stunden und Tagen, die in ihrer Summe mein Leben sein werden. Wie es Tomas Sjödin so wunderbar schreibt:
Heute sind wir noch hier. Morgen vielleicht nicht mehr. Wie soll man mit dieser Einsicht umgehen? Vielleicht einfach dadurch, dass wir das Leben wählen. Immer und immer wieder. Auf das setzen, was bleibt. Uns weigern mit Liebe und Barmherzigkeit zu geizen. Großzügig sein in er Begegnung mit anderen, aber auch uns selbst gegenüber. Achtsam werden. Das tun was man liebt und wofür man brennt.
Und deshalb schreibe ich wieder. Ein bisschen zaghaft, so kurz vor den Sommerferien. Vielleicht werden es in den nächsten Wochen nur kurze Urlaubsgrüße. Oder kleine Geschichten. ...achtsam werden. Tun was man liebt und wofür man brennt.

Ich schicke euch liebe Grüße, in den Urlaub oder mitten in den Alltag. Egal wo ihr seid. Ich hoffe ihr nehmt euch Zeit zum Leben! 💓