Donnerstag, 27. Oktober 2022

Nutzloser Tag

Gestern war ein nutzloser Tag. Ich hatte mir so vieles vorgenommen und NICHTS davon auf die Reihe bekommen. Nachdem ich dann mit dem Wäschekorb in der Hand über den Werkzeugkasten meines Mannes die Treppen nach unten gestürzt bin (Gott sei Dank außer blauen Flecken und ein paar Schrauben nichts mitgenommen!), habe ich mich spontan nochmal ins Bett gelegt. Gegen Mittag habe ich halbherzig versucht ein bisschen Laub zu rechen. Kaum angefangen habe ich auch schon wieder aufgehört - lohnt sich ja noch nicht (es ist die Phase im Garten in der ich mich frage wie es sein kann, dass auf dem Boden alles voller Laub liegt und auf dem Baum trotzdem noch so viele Blätter hängen?!?!). Dann bin ich dem ausgeglichen arbeitenden Lieblingsmann, der gerade unsere Küche renoviert, mit wenig hilfreichen Kommentaren zur Seite gestanden. Die Abfrage der Vokabeln endete mit der flehentlichen Bitte des Kindes, mit seinem Papa weiterlernen zu dürfen. Auch gut. Nachdem der Tag dann endlich rum war und ich mich in eine einigermassen schmerzfreie Position gebettet hatte, äußerte ich dem Mann gegenüber meinen Frust über diesen nutzlosen und völlig uneffektiven Tag. "So einen Tag hast du einfach gebraucht", meinte der angeheiratete Philosoph, drehte sich auf die Seite und schläft ein. Und ich denke nach. Darüber, dass man über Dinge lesen und schreiben kann und sie dann selbst immer wieder durchbuchstabieren muss. By heart  heisst es auf englisch, wenn man etwas auswendig lernen will. Mit dem Herzen lernen. Heute morgen schlage ich meine Vokabeln, die ich lernen möchte, noch einmal nach. Ich lese bei Tomas Sjödin wie herrlich er über  unnütze Tage schreibt. Über das Recht der Seele mal im Morgenmantel und Pantoffeln herumschlürfen zu dürfen. Und wie müde es uns Menschen machen kann wenn wir nur noch Nützliches tun wollen. Er schreibt sogar vom Segen im Unnützen; vom Segen der Tage an denen man nichts auf die Reihe bekommt:

Das Unnütze steht nämlich in Verbindung zur Menschenwürde. Wenn man nur zählt, solange man Dinge tut die zählen, ist man natürlich verloren sobald die Kräfte schwinden. 
(Sjödin in: Warum Ruhe unsere Rettung ist). 
 
Und er fügt hinzu, dass es vielleicht die große Gabe von den unnützen Tagen ist, dass sie uns helfen die richtigen Fragen zu stellen, nämlich danach was wir tun sollten und auch warum wir es tun sollten. 
 
Eine wunderbare Freundin hat mir davon erzählt wie sie sich vor Jahren ganz viel Stress im Leben gemacht hat - gerade auch mit ihrer Rolle in einem (sehr erwartungsvollen) geistlichen Umfeld. Dabei ging sie weit über die Grenzen ihrer Kraft. Und dann hatte sie diesen Traum in dem Jesus sie ganz liebevoll angeschaut hat und meinte: "Wegen mir hättest du das alles nicht machen müssen!" Nach dem Aufwachen war sie erstmal sauer darüber. (Die Pflichtbewussten unter uns verstehen das!). Aber mit den Jahren haben die Worte von Jesus eine große Befreiung in ihr Leben gebracht. Weil so vieles abfiel von dem sie dachte, dass sie das doch tun müsste. Für Jesus. Und für alle anderen.
Ich  muß nun immer wieder daran denken. Und ich frage mich leise: Was tue ich eigentlich, oft mit ganz schön viel Mühe, von dem Jesus sagt: Also wegen mir müsstest du das nicht tun!  Vielleicht lohnt es sich mal ein bisschen hinzuhören. Gerade für diejenigen unter uns, die in einer frommen Kultur aufgewachsen sind, in der die Treue und das Durchhalten großgeschrieben wurden. Und weil wir tief im Herzen oft dem Irrtum aufsitzen, dass wir nur dann zählen, wenn wir Dinge tut die wirklich zählen. 
Könnten wir uns (und in unseren Gemeinden) ab und zu mal ganz ehrlich fragen warum wir eigentlich machen was wir machen? Vielleicht muss vieles so gar nicht sein? Und einiges könnten wir getrost mal liegenlassen? Und maches könnten wir vielleicht sogar ganz weglassen?   Vielleicht wäre es für viele Gemeinschaften heilend - so wie das auch für unsere Freundschaften und Ehen heilend ist: nutzlos zusammen Zeit verbringen! Und by heart lernen, dass es nicht unsere Tun ist, das am Ende zählt. Sondern es ist die Liebe von diesem Gott, der uns am Abend der nutzlosen Tage in die Arme schließt und uns lächelnd versichert: Es ist gut. Auf meinem Zettel stand heute auch nicht viel mehr für dich als nur das: Stürze überstehen. Größeren Schaden vermeiden. Und ein bisschen Zeit, um dir die richtigen Fragen zu stellen.

Was für ein erfolgreicher Tag.
 
 




 

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Helden sein

Habe ich schon geschrieben wie sehr ich den Herbst mag? Ich glaube schon:-). Aber ich kann  es einfach nicht oft genug bemerken! Diese Jahreszeit ist für mich wie ein aufgedrehter Dreijähriger, der mich ständig am Ärmel nach draußen zieht, um mir seine Schätze zu zeigen. Ich kann ihm nicht widerstehen - auch wenn er meistens das Lieblingswetter meiner Migräne mitbringt  -  ich mache mich täglich auf Entdeckertour!  Was mich daran erinnert, dass Samuel lange Zeit laut singend mit diesem Lied von der Jungschar nach Hause kam: "Ich bin ein Bienenentdecker! Ja, das das will ich sein. Ein Bienenentdecker...." Ich habe mich darüber etwas gewundert, vor allem weil es mitten im Winter war. Auch das Kind war leicht verwirrt darüber - bisher hatten sie noch in keiner Stunde über Bienen geredet! Irgendwann löste sich das Rätsel und er wurde zum "Bibelentdecker!" - was natürlich mehr Sinn gemacht hat. Wobei ich finde, dass Beides zusammen gehört! Bibel und Bienen. Abraham und das All. Laubhütte und Lagerfeuer... Egal ob zwischen Buchblättern oder Herbstblättern - die ganze Welt ist eine Aufforderung Gottes, seine Schätze zu finden, die er für uns versteckt hat! 

Ob er sich gefreut hat, als wir zum ersten Mal bemerkt haben, was man aus Kakaobohnen machen kann? Oder als der schottische Missionar David Livingstone, als erster Europäer, staunend vor den Victoriafällen stand? Oder als Einstein die Relativitätstheorie gefunden hat? Oder als Alexander Flemming in einer nicht sauber gespülten Laborschale nach seinem Urlaub einen Schimmelpilz fand, der alle andere Erreger zunichtegemacht hat - und damit das Penicillin entdeckte (ein Experiment das so ähnlich seither in vielen WG`s wiederholt wird). Wie oft hat Gott wohl lächelnd gedacht: Na endlich habt ihr`s gefunden! 

Es gibt ein ganz fantastisches Buch (das ich im Bücherregal einer Freundin entdeckt habe!) über George W. Carver, mit dem Titel: Der Mann, der überlebte. Als Sklavenjunge in Amerika aufgewachsen steckte er so voller Neugier, dass ihn kein noch so menschenfeindlich rassistisches System davon abhalten konnte die wunderbarsten Entdeckungen zu machen. Er zerrieb Erde zu Farben und malte damit herrliche Bilder. Er beobachtete Pflanzen und Tiere und fragte Gott oft ganz einfach: "Was hast du dir dabei gedacht?" Die bekannteste seiner vielen Entdeckungen ist wohl das, was man alles aus der Erdnuss machen kann (die damals ein Schattendasein geführt hat). Es reichte von Suppe über Papier, Pestizid, Gesichtscreme, Tierfutter, Kekse und  Öl bis zur Seife. Durch den Anbau bekamen die von der Baumwolle  ausgemergelten Böden im Süden Amerikas neue Lebenskraft zurück und die Menschen eine völlig neue Zukunftsperspektive. Und ganz Amerika bekam seinen heißgeliebten Peanutbutter zum Frühstück!

Nun bin ich wirklich weit davon entfernt irgendeine wichtige Sache für die Nachwelt zu entdecken. Ich traue mich nicht in den tiefen Dschungel (Stichwort Schlangen!), beim Anblick von Laborschalen schaltet mein Hirn direkt auf Standby und wenn nicht irgendjemand entdeckt hätte, was man aus der Kaffeebohne machen kann, würde ich selbst die großartigsten Kunstwerke vor meinem Fenster verpassen. 
Aber ich will mich immer wieder an der Hand nehmen lassen, die Fotokamera einpacken (danke auch für diese wunderbare Entdeckung!) und: Staunen! Über die Schönheit, dieser verwundeten und doch so wunderbaren Welt. Ich will vor kleinen Kunstwerken auf die Knie gehen, den Abendhimmel bewundern und das kleine Insekt, das mir dabei ins Hosenbein krabbelt und Gott lachend fragen: Was hast du dir nur dabei gedacht? 
Ich glaube es ist so, wie John Green in dem genialen Roman das Schicksal ist ein mieser Verräter schreibt (das ich letzte Woche zu meiner großen Freude im Bücherregal im Nachbarort entdeckt habe!):

Jedenfalls sind die wahren Helden nicht die Leute, die Sachen tun; die wahren Helden sind die, die Dinge BEMERKEN, die AUFMERKSAM sind!

 In diesem Sinne: Lasst uns Helden sein! 

 






 







 Und für welche Entdeckung seid ihr denn besonders dankbar?

Dienstag, 11. Oktober 2022

Erntesegen und die Gnade danach

Meine Hände schmerzen. Wir haben unsere Apfelbäume abgeerntet und es waren unfassbar viele Äpfel an den Bäumen! Für mich hätten es auch ein bisschen weniger getan. In diesem Jahr waren es über 500 kg die auf den Anhänger geladen und von völlig erschöpften Mosterei-Mitarbeitern zu Saft verabeitet wurden. Freude und Nachbarn werden nun mit Apfelsaft beschenkt - ob sie wollen oder nicht! Es ist einfach genauso wie der Vater meiner Freundin, ein kluger alter Bauer, sagte: "Eine gute Ernte ist Segen. Eine schlechte Ernte ist Gnade." Dieses Jahr also Segen. Und weil unsere Helfer kurz vorher krank wurden schmerzen jetzt meine Hände. Letzte Nacht habe ich zu Heio gesagt: "Beim nächsten Erntesegen brauchen wir auf jeden Fall Hilfe! Oder wir machen gleich ein gelbes Band an die Bäume - als Zeichen, dass jeder Spaziergänger gerne miternten darf."

 

 

Dann habe ich gestern auch gleich noch unsere Kleiderschränke aussortiert. Und mich nun endgültig von einigen Klamotten verabschiedet, die ich nur deshalb aufbewahrt habe, weil ich dachte, dass ich irgendwann vielleicht mal wieder reinpasse (haha!) oder weil sie mich an schöne Momente meines Lebens erinnern. Das Kleid das ich vor 14 Jahren bei unserer standesamtlichen Hochzeit getragen haben.  Den Rock den ich mir vor Jahren im Hollandurlaub gekauft habe. Passt nicht mehr. Rausgewachsen. In mehrfacher Hinsicht. Vielleicht ist es die Herbstzeit, die mich dazu bringt mich wieder ein Schritt ehrlicher meiner Vergänglichkeit zu stellen. Die Jugendzeit ist rum. Wirklich. Da gibt`s nichts mehr zu rütteln dran. Und auch die prallen Jahre in der Lebensmitte neigen sich so ganz langsam dem Ende entgegen. Die meisten Träume sind ausgeträumt. Entscheidungen gefallen.  Und es ist gut so.  Ich werde älter. Manchmal macht mir das Angst. Dann erinnnere ich mich daran, was Ruth Graham in  einem Interview einmal sagte (mit weit über 80 Jahren): 

Growing old is a little bit like growing up. It`s not easy, but you can do it.

Altwerden mit der Zeit des Großwerdens zu vergleichen - das gefällt mir. Weil wir das alle schon hinter uns haben. Und weil wir sagen können: Ok, es war nicht immer einfach. Als pubertierender Teenager im Badeanzug. Aber hey: Wir haben es geschafft! Wir sind wirklich und wahrhaftig erwachsen geworden! Ich besitze ein eigenes Konto. Und eine Waschmaschine. Und ich bin in einem Alter angekommen, das ich damals nicht mal denken konnte! Dreissig war in meinem Kopf die Grenze zu RICHTIG ALT! Was danach kam - davon hatte ich einfach keine Vorstellung! Und dann kam noch so viel Gutes! (Eigentlich hat es bei mir ab Vierzig erst so richtig angefangen mit dem guten Leben)
Und nun? Wie löse ich in einem kleinen Blogeintrag ein so großes Thema auf, bei dem ich grade erst ganz am Anfang bin? Ich kann es nicht. Kann nur das tun und darüber schreiben, was mich das Leben hier und jetzt und mittendrin gerade lehrt:
 
Manche Dinge funktionieren nicht mehr so wie bisher. Ich will Neues einüben. Zum Beispiel das, was mir so gar nicht gefällt: Um Hilfe bitten. Und glauben und erleben, dass man Freunde - neben dem Apfelsaft!  - auch damit beschenken kann.
 
Gelbe Bänder! Ein Stück Land loslassen. Anderen die Ernte überlassen. Und mich freuen, wenn sie mit vollen Taschen an uns vorbeiziehen.

Dinge, die wir zu lange mitgeschleppt haben -  in der Hoffnung, dass sie vielleicht irgendwann noch einmal passen - loslassen! Alles was vergangen ist und was nicht mehr sein wird auf einen Haufen schmeissen, ein Herbstfeuer daraus machen und sich mit Würstchen, Bier und bequemer Kleidung davorsetzen.
 
Erkennen, dass schöne Erinnerungen keine Dinge sind, die wir unbedingt aufbewahren müssen. Auch wenn es sich kitschig anhört: Wir tragen sie in uns. Sie müssen nicht unsere Schubladen füllen und nicht mal  die Wände unserer Wohnzimmer schmücken. Es ist unserer innerer Reichtum!
 
Mir eingestehen: Älterwerden ist nicht leicht. Es braucht Seelenarbeit. Und Identitätssuche. Aber hey: Wir haben die Pubertät geschafft! Und am Ende unserer Vorstellung könnte tatsächlich noch das eine oder andere Gute auf uns warten...

Und vielleicht ist es im Leben wie bei der Apfelernte: Da ist der Eine, der wachsen lässt. Der zur Reife bringt. Der gibt, was wir brauchen. In vollen Jahren: Eimerweise Kraft. Tag für Tag. Und Segen, der überläuft.  Und danach? Ein Meer von Gnade, das uns tragen wird.
 





Und wer noch mehr "Altersweisheit" hören will und im Streuobstwiesengebiet Remstal wohnt: Herzliche Einladung am kommenden Freitag, 19:30h zum Frauenabend in Schorndorf in der Versöhnungskirche.

Mittwoch, 5. Oktober 2022

Die Wut, der Handwerker und Gott.

Ich hätte es kommen sehen sollen! Ich habe Französisch in der Schule gehasst. Bei Samuel hat es ungefähr zwei Unterrichtsstunden gedauert bis seine große (und für mich völlig unerklärliche!) Vorfreude auf dieses Fach in starke Abneigung umgeschlagen ist. 
Nun sitzen wir zusammen an den Hausaufgaben. Ich kann nicht sagen wer die größere Verzweiflung mitbringt. Innerhalb kürzester Zeit eskaliert die Situation. Wutanfälle. Schreien. Schütteln. Schämen. Den Rest des Nachmittags ziehe ich mich ins Schweigen zurück. So wie das meine Mutter immer getan hat. So wie ich das NIEMALS tun wollte! Am Ende betreten wir eben doch ganz oft die bekannten Wege. Auch wenn wir wissen, dass sie in Sackgassen führen und der Rückweg umso länger wird. Ich schweige verbissen. Und sorge mich gleichzeitig, dass diese hässlichen kleinen Falten um meinen Mund sich nun noch mehr vertiefen werden. Das Kind spielt inzwischen wieder recht fröhlich im Zimmer. Für meine Begriffe viel zu fröhlich! In mir schwelt noch die Wut und wird langsam kalt. Kalt verabschiede ich den erklärten zukünftigen Profifussballer zum Fussbaltraining (wer braucht da schon Französisch!). Die Freundin, bei der ich mein Herz ausschütten will ist nicht da - ich bin froh für sie! - und ich werfe mich auf Samuels Bett, meine Bibel umklammert. Scham kriecht durch meine Kehle nach oben und ergiesst sich in  einer Misschung aus Tränen, Selbstverachtung und hilflosem Gebet. Und Gott schweigt. Würde ich auch. Erst später denke ich darüber nach, dass sein Schweigen anders sein könnte als meins. Kein beleidigter Rückzug. Vielleicht eher so wie das meine kluge Freundin, die Grundschullehrerin, mir einmal von den Konflikten im Schulalltag erklärt hat: Nach der Wut kommt die Scham. Und erst wenn die sich gelegt hat kann man reden. So lange muss man abwarten. Zeit geben. Sich zurückhalten. Gott hält sich also zurück. Liebevolles Schweigen. Nicht kalt. Ganz anwesend bei seinen Kindern. Gestern, mit verkrampfter Hand um meine Bibel, konnte ich das noch nicht wirklich glauben.
Um das Ganze hier etwas abzukürzen: am Abend werde ich mit der Fertigpizza ein Versöhnungsangebot auf den Tisch stellen. Später werden wir uns auf dem Sofa zusammenkuscheln, weil es uns lange genug kalt war. Wir werden Entschuldigungen und Erklärungen flüstern. Und noch etwas später werde ich mit Heio nach neuen Wegen suchen bevor ich in einen unruhigen Schlaf falle bis mich meine Migräne wecken wird und ich im Dunkel nach den Schmerzmitteln tasten werde. Und dann wird ein neuer Morgen da sein. Mein Spiegelbild wird eine stark angeschlagene 53-jährige Mama zeigen - la miserable! - der es lange genug kalt war und die nun langsam bereit ist, sich von dem Gott umarmen zu lassen, der aus Liebe keine Abkürzungen nimmt.
So in etwa läuft das immer wieder mal bei uns ab. (Und Ja! - mein neues Buch heisst wirklich und tatsächlich: Aus der Ruhe leben. Daran habe ich mich in der gestrigen Schamphase auch ständig erinnert!).  Und mittendrin, in unserer ganzen Unruhe, frage ich  mich verzweifelt wie das alle anderen wohl hinbekommen.  Mit Französisch. Mit der Wut. Mit der liebevollen Erziehung. Mit ihrem Vertrauen auf Gottes Güte. 
 
Gestern morgen - noch lange vor den Hausaufgaben - klingelte der Handwerker. Der Rolladen hinterm Wohnzimmersofa lässt sich schon länger nicht mehr nach oben ziehen. Im Sommer hat es uns nicht gestört. Aber mit der dunkler werdenden Jahreszeit versuchen wir alles Licht reinzulassen was möglich ist. Der geschätzte Fachmann kam also und gemeinsam zogen wir das schwere Sofa nach vorne. "Oh je!", sagte ich nur, beim Blick dahinter. Der Handwerker beruhigte mich. "So sieht es hinter jedem Sofa aus", meinte er lächelnd und machte sich unerschütterlich an die Arbeit. Und sorgt dafür, dass es wieder heller bei uns wird. 
 
Maria hat den auferstandenen Jesus in ihrer Verzweiflung mit einem Gärtner verwechselt. Gestern sah er bei uns ein bisschen so aus wie der Handwerker. Ich erkenne ihn immer erst nach der Wut und nach der Scham. Nach schmerzlichen Nächten. Wenn er im Frühnebel aus dem Schatten tritt, in dem er die ganze Zeit auf mich gewartet hat, und liebevoll meinen Namen sagt. (Und heute klingt das fast so, als hätte er dabei diesen wunderbaren französischen Akzent!)