Dienstag, 27. April 2021

Herz in die Sonne halten

                                                                       Achtung: Dieser Blogpost enthält unbezahlte aber völlig beabsichtigte Werbung!

Gestern habe ich meinen Geburtstag gefeiert. Ich habe die Nacht davor kaum geschlafen und war entsprechend müde. (dachte eigentlich ich bin aus dem Alter raus an dem man vor Aufregung über den Geburtstag nicht schlafen kann!). Und  weil es auch mein zweiter Lockdown-Geburtstag war, blieb es ein richtig ruhiger Tag - die wilden Partypläne mit einer weiteren erwachsenen Person auf Abstand haben wir dann doch nicht umgesetzt. Wir saßen zu dritt auf der Holzbank auf unserem Stückle und haben der Sonne auf ihrem Weg Richtung Westen zugeschaut.


Geburtstagskarte von Samu

 
Und hier kommt das Geschenk (also eigentlich 2 Geschenke:-))

 


Als der Rasen gemäht war und es langsam Dunkel wurde, habe ich noch ein Geburtstagsgeschenk eingeweiht: Ein Sonnenglas! (Danke!!!)

Laut Gebrauchsanweisung muß man tagsüber Sonne sammeln und dann wird es abends hell. (eine Stunde Tageslicht gibt zwei Stunden Licht in der Nacht!). Ich erfahre auch, dass dieses Sonnenglas in den Townships von Johannesburg entwickelt wurde und die Herstellung über 65 zuvor arbeitslosen Menschen aus Soweto eine Arbeitsstelle schenkt. Mein Licht wurde von Rose hergestellt. Sie hat zumindest auf der Gebrauchanweisung unterschrieben. Vielleicht werde ich mein Glas, ihr zu Ehren, mit einer Rose dekorieren. ..


Ach, am liebsten würde ich euch allen so ein tolles Sonnenglas schenken! Weil ich glaube, dass wir es in diesen Tagen so dringend gebrauchen können - das Sonnenstrahlen einsammeln! Wenn sich, trotz beginnendem Frühling, unsere Herzen manchmal so schwer und unendlich müde anfühlen, dann halten wir unser Herz doch ein bisschen an die Sonne.

Setzen wir uns mit einer Tasse Kaffee auf den Balkon oder vors Haus

Betrachten wir unsere schönsten Urlaubsfotos

Lesen wir ein Gedicht oder ein paar Seiten in unserem Lieblingsbuch 

Verschnüren wir unsere Sorgen zu einem Gebet, mit einem dankbaren Gruß an den Empfänger

Denken wir einen Moment daran wie geliebt wir sind. Genau so. Mit der ganzen dunklen Oberfläche die wir Richtung Sonne strecken

Auf dass uns die Hoffnung in den Nächten nicht ausgeht! (wenn meine Berechnungen stimmen, dann schafft ein Sonnentag zwei Nächte ). 

Für Rose in Soweto. Für die Menschen in Indien und für alle anderen die gerade nach Luft ringen. Für die Schwachen und für diejenigen die heute ein wenig Halt geben können. Für die Einsamen und für diejenigen die so gerne mal ein bisschen Zeit für sich alleine hätten. Für die Sorgenvollen und die Viel-zu-Sorglosen. Für gestresste Kinder und ihre mindestens so gestressten Eltern. Für uns alle: 

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns.

Er erfülle uns mit seinem Schalom.



Mittwoch, 21. April 2021

Winkende Wolke

Ich bin vergesslich. Schreibe mir Einkaufszettel und lasse sie IMMER Zuhause auf dem Tisch liegen. Vergesse die Wäsche in der Waschmaschine (stand vorher erstaunt vor der vollen Maschine und hab vergeblich überlegt, wann ich sie befüllt habe!). Vergesse die Zeit und welchen Tag wir heute haben und beteilige mich regelmässig am derzeitig beliebtesten Volkssport: Zurück zum Startpunkt rennen, weil Maske vergessen.
Und ich vergesse das Gute! Vergesse Gottes Nähe und seine Fürsorge. Deshalb schreibe ich weiter meine Dankesliste. Ein Merkzettel auf meinem Nachttisch. Und immer wenn ich mich müde und deprimiert fühle, dann blättere ich durch die Seiten und erinnere mich:
 
3535. Bewahrung auf der Heimfahrt
 
3536.Bügeleisen von Mama
 
3537. Gottes (und Samuels) Vergebung über mein gestresstes Mama-sein
 
3538. Frühlingsluft und keine Kopfschmerzen
 
3539. Tulpen aus dem Garten
 
3540. tolle Lehrerinnen
 
3541. ein lustiges Buch aus dem Backnanger Bücherregal
 
3542. Erstes Eis des Jahres
 
3543.  Eine Umarmung 
 
3544.  Ein dankbar strahlendes Geburtstagskind

3545.  Ein winkende Wolke am Abendhimmel
 
Diese Wolke von gestern Abend bringt mich immer noch zum Lächeln. Sie erinnert mich daran, wie Gott sein Volk durch die Wüste geführt hat: Wolkensäule am Tag, Feuersäule in der Nacht. Und ich stelle mir vor, wann immer einer aus dem Volk sorgenvoll oder traurig war  - oder einfach nur nach einem schlechten Traum aufgewacht ist - hat er aus dem Zelt gespäht und die Feuersäule betrachtet. Oder die Wolke. Ein Erinnerungszeichen:  Gott ist mit uns! Wir sind nicht allein auf dieser Wanderschaft. 
Die Seiten in meinem Dankebuch sind für mich wie eine winkende Wolke: Ich bin bei euch. Ich führe euch. Tag für Tag. Den ganzen Weg, bis zum Ziel.
Das will ich nicht vergessen.
 
 



 

Montag, 12. April 2021

Ein Schatz hinterm Klavier

Nach einer Woche Osterferien, die wie im Flug vergangen sind, schalten wir heute wieder ins   Homeschooling-Programm. Ehrlich gesagt graut es mir davor. Ich fürchte, dass die Nerven innerhalb kürzester Zeit wieder blank liegen beim Versuch meine Pläne für die Woche und das Kind irgendwie passend machen - wie zwei Puzzleteile, die man leider nur mit großem Druck irgendwie passend machen kann. Ich bin stark versucht zu sehr am Leben zu ziehen, um die Wogen zu glätten - wie Jennifer Zimmermann das in ihrem Vorwort in meinem neuen Buch so gut ausgedrückt hat. Sie schreibt über diese Sehnsucht, dass das Leben doch wie ein fertiges Puzzle wäre. Dass wir einfach die richtigen Teile zusammensetzen müssen und dann läuft das schon. Mit dem Alltag. Und den Menschen, die uns oft genug die fein sortierten Puzzleteile wieder durcheinanderbringen. Aber es ist wie bei einem verhedderten Wollknäuel: Umso mehr wir ziehen, umso enger werden die Knoten. Aber, so formuliert Jenny es so wunderbar, das Beste was wir tun können, ist die Hände zu öffnen und lieben zu lassen. Sich und das ganze unsortierte Leben. Ach, genau das will ich lernen. Lieb haben lassen und lieben was ist...
Apropos unsortiert: Letzte Woche haben wir die Ausräum-Aktion in meinem Elternhaus fortgesetzt. Ganz schön viel wurde aussortiert und ist - völlig unsortiert - im Container gelandet! Heio, der Sammler, konnte kaum hinschauen. Samuel fand es klasse die Dinge mit einem gehörigen Knall aus dem ersten Stock zu werfen.
 

 
Spät abends kamen noch zwei muskelbepackte Männer aus Berlin, die gekonnt unser Klavier durchs Treppenhaus manövriert haben, um es in sein neues Zuhause ins Cafe Wundervoll zu bringen. Hinterm Klavier fand sich Staub und Dreck der letzten 50 Jahre (wie der wohl dahin kommt?) und ein vergilbtes Stück Papier. Ein Notenblatt mit der Überschrift: Wohl mir, dass ich Jesum habe! Stundenlang habe ich als Jugendliche diese Bachkantate geübt. Es war eins der Lieblingsstücke meiner Eltern und ich wollte ihnen damit eine Freude machen  Sagen wir mal so: Das Ergebnis meiner Mühe war eher mittelmässig, wurde aber wohlwollend aufgenommen.
Dieses Notenblatt zu finden, im fast leergeräumten Haus, war für mich wie ein letzter Gruß meiner Eltern. Es ist wie die Summe ihres Lebens, die unterm Strich geblieben ist. Wenn der irdische Besitz aus dem Fenster geworfen: Eins bleibt. Ein unvergängliches Erbe: Wohl mir, dass ich Jesum habe!
 
Mein Weggefährte Achim sagte es gestern so treffend in seiner Predigt:
Als Jesusnachfolger werden wir uns nicht immer glücklich fühlen, aber wir können uns immer glücklich schätzen! 

Daran will ich mich erinnern. Mitten in diesem unsortierten Leben. Wenn ich in diesen Tagen zu sehr an den Knoten ziehe (was zu befürchten ist!) will ich immer wieder aufs neue meine Hände öffnen. Durchatmen. Mich lieb haben lassen.  
 

Wohl mir, dass ich dich habe, Jesus!
 
 




Donnerstag, 1. April 2021

Der anfassbare Jesus

Nun leben wir schon ein ganzes Jahr in dieser verrückten Coronazeit. Letztes Ostern war alles noch ganz neu und irgendwie auch aufregend. Anstatt wie gewohnt mit Weggefährten am Karfreitag auf den Birkenkopf zu wandern und dort am Kreuz zusammen an Jesus zu denken, haben wir die Passionsgeschichte aufgeschrieben und an die Bäume gehängt. Wir haben einen kleinen Ostergarten im Wald zusammengestellt, am Sonntag voller Elan "Jesus ist auferstanden" auf die Straßen gemalt, den Stein vom Grab weggerollt, um dann gespannt vor unserem ersten Zoom-Gottesdienst zu sitzen. Und dieses Jahr? Fehlt mir ehrlich gesagt der Elan Ostern so ganz anders und trotzdem besonders zu gestalten. Zum Glück geht das nicht allen so. Die Kirchen an unserem Ort haben einen wunderbaren kleinen Ostergarten aufgebaut. Gestern abend bin ich noch spontan dort vorbeigegangen. Von weitem glitzerten die Weingläser auf dem Abendmahlstisch. 13 Gläser, die darauf warten gefüllt zu werden. Pessach. Erinnerung an die Befreiung aus Unterdrückung und Sklaverei. Unbekümmerte Tischgemeinschaft. Lachen und Gespräche die munter hin und her gehen. Aber auch: plötzlich ernste Fragen. Bedrückte Stille. Vorahnung einer dunklen Nacht.


Bei der nächsten Station: Herrliche Kindergedanken die mich zum Schmunzeln bringen und Gottes Vaterherz ganz  bestimmt mit Liebe erfüllen...



 

Und dann denke ich auch an die verzweifelten Gebete Jesus. Die große Angst. Ein schweigender Vater. Schlafende Jünger. Durch die dunklen Stunden kämpfte sich Jesus allein.

Ich komme an den Stationen vorbei die an Verrat, Verleugnung und Folter erinnern. Denke an meine Glaubensgeschwister für die diese Worte bittere Relität sind. Denke an Myanmar, Weißrussland und Hongkong. So viel Mut und Leid auf den Straßen dieser Welt. So groß die Sehnsucht nach Befreiung von Unterdrückung...

 

In der Abenddämmerung gehe ich weiter. Vorbei am Kreuz. Bis zum leeren Grab. Ich sehe die zusammengelegten Tücher und frage mich, wie Maria: Wo ist Jesus? Da ist so viel Unfassbares in diesen Tagen. Und so viel Sehnsucht .


Meine liebste Lieblingsstelle kommt an der letzten Station. Es ist das Lagerfeuer am See Genezareth, an dem Jesus seinen Jüngern Essen vorbereitet. Müde kommen sie an. Mit ihrem Versagen im Herzen. Ihrem Frust. Der ganzen Verzweiflung. Und da steht plötzlich Jesus am Ufer. Mit der Einladung zum Frühstück. Vielleicht weil er wusste, dass seine Jungs nach den wilden Tagen, dem Mystischen und dem Unfassbaren, etwas ganz Handfestes benötigten. Etwas Vertrautes. Wellenrauschen. Ein knisterndes Feuer. Herrlich gebratener Fisch und frisches Brot. Liebevolle Neckereien. Vertraute Gesten. Mit vollem Magen wieder voller Zuversicht, dass am Ende doch noch alles gut werden könnte. Dass die Geschichte weitergeht. Größer. Wilder. Beängstigender und besser als gedacht. 


 Es ist die Sehnsucht nach diesem "anfassbaren" Gott, die mich dieses Jahr erfüllt. Nach dem Jesus mit dem ich gemeinsam Frühstücken kann, der mit mir über Kindersprüche lacht, der uns die Tränen von den Augen wischt, der sanft die wichtigen Fragen stellt und uns übers Lagerfeuer hinweg seine Liebe versichert. Gemeinde ist für mich der Ort an dem ich das immer wieder erlebe. Jesus, mitten unter uns. Ihr fehlt mir, meine Weggefährten.
 
Am Samstag will ich zusammen mit Heio in unserem Garten ein Osterfeuer machen - so hell und groß wie in keinem Jahr zuvor (es liegen genügend dürre Äste neben der Grillstelle!).  Und dann stelle ich mir vor wie das sein wird, wenn wir uns alle wieder zusammen um eine Frühstückstafel oder ums Feuer versammeln können. Liebevolle Neckereien. Vertraute Gesten. Und wenn dann Jesus zwischen uns Platz nimmt...
 
In will in diesen Zeiten die Sehnsucht nach diesem "anfassbaren Glauben" wachhalten, wie die Glut am Lagerfeuer. Ich will darauf vertrauen, dass unsere Geschichte weitergeht. Größer. Wilder.  Beängstigender und vielleicht sogar besser als wir uns das vorstellen können.