Mittwoch, 30. November 2022

Besuch im echten Leben

Der Advent ist mal wieder in unsere Tage gepurzelt, wie ein längst angekündigter Besuch, auf den man sich lange im voraus gefreut hat und dann rennt man doch aufgescheucht von seinem Klingeln an die Tür und begrüßt ihn mit nassen Haaren, Staubsauger im Flur und Chaos in der Küche. Und in diesem Jahr läuft auch noch der Fernseher im Wohnzimmer! Ja, ich gestehe: Wir schauen die WM. Ich wollte sie wirklich, wirklich boykottieren, aber kam dann einfach nicht gegen die Übermacht von zwei fussballbegeisterten Mitbewohnern an. Nun bin ich die Erste, die am Frühstückstisch wissen will wer heute spielt und die Letzte, die abends noch chipsessend vor dem Fernseher sitzt. (ich habe mich sozusagen der Bürgerbewegung "Jetzt erst recht hinschauen" angeschlossen ;-)).  Ach ja, wie philosophierte der kluge Kierkegaard so treffend: 

Wehmütig grüßt der, der ich bin den, den ich sein möchte

Wer könnte ich nur sein, wenn ich mal wirklich konsequent wäre! Wie schlank könnte ich sein, wenn ich nicht ständig weitergegessen hätte obwohl ich keinen Hunger mehr hatte (viele, viele Brezeln)! Wie sportlich könnte ich sein, wenn ich meine kleine Joggingrunde am Abend beibehalten hätte! Wie fließend könnte ich heute russisch sprechen, hätte ich nicht nach ein paar Stunden Unterricht aufgehört, weil ...ja, warum eigentlich? Wie in mir selbst ruhend könnte ich sein, wenn mein Mund voll Klarheit und mein Ja ein Ja und mein Nein ein Nein wäre. Und wie entspannt könnte ich die Adventszeit begrüßen wenn die WM im Sommer geblieben wäre - wo sie definitiv hingehört! - oder ich konsequent geblieben wäre (Schreibt man Konsequent überhaupt so? Sieht komisch aus. Ich kann dieses Wort nicht mal richtig schreiben - geschweige denn SEIN!) Ach ja, wehmütig grüße ich von weitem den Menschen, der ich sein könnte... 

Aber - ihr ahnt das ABER - eins habe ich gelernt: Gott ist da zum Glück ganz anders! Schon so oft habe ich darüber geschrieben und muss mich doch immer wieder daran erinnern:  Gott wartet nicht wehmütig in der besseren Version unseres Lebens auf uns! Er ist ein großer Künstler, der immer mit dem Material arbeitet, das vorhanden ist! Was er aus Scherben und Dingen machen kann, die andere auf den Müll schmeißen würden - der Hammer!!! (gebt mal in der Suchmaschine Kunst aus Müll ein und staunt über die Bilder; und Gott kann das noch viel, viel besser!). 

Also versuche ich mich zu entspannen. Ich lasse den Advent eintreten, halte ihm eine Chipstüte hin und nach dem Schlusspfiff hängen wir gemeinsam den Herrnhuter Stern in die Wohnzimmerecke (der jedes Jahr ein bisschen zerknitterter aussieht - genau wie ich!). Dann zünden wir zusammen die Kerzen an und ich sage, etwas schuldbewusst: "Schön, dass du da bist! Ich hab mich wirklich auf dich gefreut!" Und er sagt lächelnd: "Genau dasselbe, wollte ich dir auch gerade sagen." 

 






Und vielleicht kann ich euch ja ein klein wenig dabei helfen, dass ihr die Adventszeit ein bisschen entspannter genießen könnt: Ich könnte mich um ein Geschenk kümmern; für einen lieben Menschen in eurer Nähe, der sich über mein neues Buch freuen würde. Mit einer Weihnachtskarte und einem Gruß (in eurem Auftrag) bekommt er dann ein Päckchen von mir. Ihr müsst nur das Geld dafür überweisen (inkl. Porto 22 Euro) ,den Rest erledige ich.
Und als zweite spezielle Weihnachtsaktion: Wenn ihr drei  meiner Büchern zusammen bestellt (egal welche) bekommt ihr noch mein erstes Buch "vom Stolpern und Tanzen" oder ein Postkartenset gratis dazu (Porto 4,79 Euro)  Meldet euch bei Interesse: chris.f@freenet.de


 

Und wer spontan noch Zeit und Lust hat . Herzliche Einladung:

 



Dienstag, 22. November 2022

Unsere Kinder

In meinem Postfach landet eine Nachfrage zu einer kommenden Lesung. Die Veranstalterin möchte wissen welche Themen ich für so einen Abend habe. Sie schreibt: Ganz oft sehe ich auf deinen Büchern „Jesus und ich“ – ist das dein großes Thema?  Ich muss erstmal lachen und bin dann auch ein wenig betroffen. Weil sie mit der Frage den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen hat. Weil es einerseits zeigt, dass ich wirklich fast alle Aspekte meines Lebens in Verbindung zu Jesus setze. Meine Schwester nannte das in meiner Kindheit augenverdrehend: „Dina, du bist wieder so übergeistlich!“  Damals habe ich mich dafür geschämt, heute sehe ich es als eine Gabe. Andererseits zeigt es leider auch das: Mein Glaube ist oft sehr auf mich konzentriert. Auf meine kleine Welt. Jesus und ich.  Wie eine Freundin das immer lachend zu mir sagt: „Ach, du und dein Kuscheljesus!“ (Grüße nach Hamburg :-)).

Nun fällt mir heute Morgen das neue Heft von Open Doors in die Hände - eine Organisation die verfolgte Christen unterstützt. Sie berichten darüber, wie sehr in vielen Ländern Kinder für Jesus leiden. In 47 Ländern dieser Welt werden sie von ihren Eltern getrennt, wenn diese sich öffentlich dem christlichen Glauben zuwenden! In 49 Ländern werden sie in den Schulen diskriminiert – bekommen Schläge von Lehrern oder einfach ständig schlechte Noten – egal wie gut sie sind! – und damit oft auch keinen Bildungsabschuss. Und ich lese noch so vieles mehr, was diese Kinder an Leid erleben.
Mir sind diese Kinder nicht erst seit heute auf dem Herzen. Ein paar ihrer Namen stehen in meinem kleinen Gebetsheft, das ich jeden Morgen aufschlage. Ganz ehrlich:  Ich bin wirklich kein Gebetsheld! An manchen Tagen bete ich ein bisschen intensiver, mit Tränen in den Augen, und an vielen anderen Tagen halte ich Gott einfach nur müde die Namen auf diesen Seiten entgegen. Aber es ist mir SO, SO WICHTIG! Einerseits weil ich glaube, dass Gott unsere Gebete so begeistert aufnimmt wie ein Papa die Mithilfe seiner Kinder (auch wenn er genau weiß: So geht es langsamer und es braucht viel Geduld, aber wir machen etwas zusammen!). Er hat uns so gerne dabei! Bei seinen Umarmungen auf einem Schulhof in Nigeria. Wenn er in einem Kinderheim in Myanmar eins seiner Kinder im Schlaf tröstet. Oder wenn er in einem Gefängnis in Nordkorea seine ganze Liebe und Hoffnung in ein erschöpftes Herz gießt. Mit meinen kleinen Gebeten darf ich dabei sein! Gott macht etwas ganz anfassbares damit. Das glaube ich. Und auch das: Die Gebete machen etwas mit mir!  Sie machen mein Herz und mein Leben ein bisschen weiter. Weiter als: Meine neue Küche, Jesus und ich. Weiter als: Meine Bücher, Jesus und ich. Weiter als: Meine Gemeinde, Jesus und ich. Weiter als: Mein Kind, Jesus und ich.

Markus Rode, der Leiter von Open doors, schreibt in der Einleitung des neuen Hefts:

Vielleicht werden Sie durch die Zeugnisse angesprochen, zukünftig für „ihre Kinder“ im Gebet einzustehen.

 Genau das ist es.  Es sind in gewisser Weise eben auch „unsere Kinder“. Versteht mich nicht falsch: Das Leid der Welt kann nur Jesus tragen! Aber ich merke: In meinem Herz ist tatsächlich Platz für ein paar Kinder mehr! Für ein Kind aus meiner Nachbarschaft und noch eins aus Nigeria. Und das Mädchen aus Laos passt definitiv auch noch rein. Viel tun kann ich nicht. Zum praktischen Helfen bin ich entweder zu weit weg oder es fehlt mir an ganz vielen Tagen schlicht die Kraft. Aber ich kann ihre Namen in mein kleines Gebetsheft schreiben. Und jeden Morgen an sie denken. Wie eine Mutter, deren Gedanken liebevoll ein bisschen bei ihren Kindern verweilen. Ach segne sie doch heute, Jesus. Mach ihre Herzen mutig und stark. Schenk ihnen Freude. Eine warme Mahlzeit. Und eine dicke Umarmung, wie nur du sie geben kannst…

Und ganz langsam, Morgen für Morgen und Jahr für Jahr, wachse ich ein bisschen mehr hinein in dieses weite und wunderbare Thema:   

Die Welt, unsere Kinder, Jesus und ich. 

 


Montag, 14. November 2022

Ach, die Jugend von heute!

Am Sonntagnachmittag war ich zu Besuch in der Gemeinde meiner Schwester (eine kleine liebenswerte, charismatische Gemeinde). Ein junges Team der Schule der Erweckung war vor Ort und bevor der ebenfalls recht junge Prediger nach vorne kam, wurden die Körbe fürs Opfer durchgegeben. Als der Korb vor uns weiter gereicht wurde staunte ich nicht schlecht. Er war voll! Nicht mit Geldscheinen, sondern mit einem Holzfellerhemd!  Ein junges Mädchen aus dem Team hatte sozusagen ihr "letztes Hemd" reingelegt. Lachend versuchten wir unser Geld daneben zu plazieren. Am Ende des Abends standen die Veranstalter etwas ratlos mit dem Hemd da und drückten es schließlich mir in die Hand. "Nimm du es, wenn`s dir passt." XS! Haha. Passt mir nicht. Brauche ich auch nicht. Ist auch nicht so mein Stil. Ich zog es an. Es passte wie angegossen! Ein Wunder! (was sich damit erklären lässt, dass diese Hemden modisch so geschnitten sind, dass sie überweit ausfallen. Bei mir ist es die Passform:-)). Zufrieden zogen die Veranstalter ab und ich blieb etwas überrumpelt zurück. Ob das im Sinne der Geberin war? Dass nun eine ältere Frau darin rumläuft die genug Klamotten im Schrank hat? Ich war versucht das Hemd weiter zu verschenken. Aber etwas hielt mich zurück. Ein  leises Flüstern: Behalte es. Und trage es. Als Erinnerung. Manchmal brauche ist so etwas: Eine sichtbare (und fühlbare) Erinnerung, damit ich die Dinge, die mich innerlich berührt haben, nicht gleich wieder vergesse. Und an diesem  Sonntag hat mich das so sehr berührt: Dass da gerade eine Generation heranwächst, die bereit ist ihr letztes Hemd für Jesus zu geben! Natürlich nicht alle. Und vielleicht auch nicht alle im gesunden Rahmen. Aber mit so überschwänglichem und sorglosen Herzen, wie man das nur in jungen Jahre tun kann. Wie ich das, vor vielen Jahren, auch getan  habe. Und heute? Sitze ich in der letzten Reihe und höre wie der junge Prediger uns bittet: "Seid ihr bereit an uns zu glauben? Und nochmal neu mit uns zu hoffen und zu vertrauen auf alles was Gott  in unserer Welt und unserem Land noch tun will?" Und dann fügt er ganz schlicht hinzu:  "Wir brauchen euch. Wir brauchen es, dass ihr uns zum Kaffee oder zum Essen einladet und uns fragt wie es uns geht und  dass ihr dann, wenn wir uns satt gegessen und alles erzählt haben, die Hände auf uns legt, um uns zu segnen." 
Ich spüre wie seine Worte etwas ganz neu bei mir wach machen (kleine Erweckung in meinem Herzen!). Denn das möchte ich so gerne: Eine Ermutigerin sein! Ich  möchte so gerne die jungen Leute anschauen und nicht denken: Ach, da war ich auch mal, kommt nur in mein Alter, dann reden wir weiter! Und ich will auch nicht denken: Was für eine verdorbene Jugend! Könnt ihr nicht mal eure Handys zur Seite legen und ein bisschen mehr durch den Wald laufen! Ich will wahrnehmen wie leidenschaftlich diese jungen Leute sein können! Wie mutig sie sich den Herausforderung unserer globalen Welt stellen! Wie sie sich kümmern. Um das Klima und den Wald, der vielleicht bald nicht mehr so sein wird, wie er mal war. Und wie sie sich vernetzen können! Wie schnell sie klicken und denken können, wie sie aus einer Flut von Informationen das rausziehen was ihnen wichtig ist, und wie sie bereit sind ihr letzte Hemd dafür zu geben!  
Da sind junge Leute die darauf warten, dass man sie zum Essen einlädt und einfach mal nachfragt was sie bewegt. Und die es brauchen, dass wir an sie glauben und sie segnen. 
Ich will das nicht vergessen. Deshalb trage ich nun ein Hozfällerhemd. Lacht nicht, wenn ihr mich darin seht. Ich versuche keinem Trend nachzulaufen. Ich fälle auch keine Bäume in Kanada. Aber ich will mit diesen jungen Leuten hoffen und glauben, dass Gott seine große Geschichte mit ihnen weiterschreibt. 

Ihr seid toll!

Gebt nicht auf! 

Ich glaube an euch!

Und Jesus  erst recht.

 

zur Not holzen wir den Weg für euch frei :-)

 



Donnerstag, 10. November 2022

Nicht genug.

Nach ein paar weiteren wunderbar nutzlosen Tagen (Gott sei Dank für Herbstferien!) bin ich wieder zurück am Schreibtisch. Aber der gewohnte Alltag ist noch nicht eingekehrt.  Das Kind ist seit Montag im Schullandheim. Ich zähle die Tage und Nächte bis er wiederkommt. Ich hoffe mein Sohn vermisst mich nicht so sehr wie ich ihn vermisse. Als er am Montag ganz tapfer in den Bus eingestiegen ist, mit den vielen coolen - und auch viel größeren! - Jungs, habe ich noch kurz überlegt seine Lehrerin zu fragen ob ich mitfahren darf. Heio hat mich zurückgehalten. Wir haben drei Finger in die Höhe gehalten - ein Zeichen für die drei volle Tage, die er nun weg ist. Drei Tage. Und vier Nächte. Das ist der überschaubare Zeitraum, den wir ihm vor Augen gemalt haben (leider habe ich ihm das Heimweh-Gen unserer Famile großzügig weitervererbt). Bis in drei Tagen! - so steht es auf dem großen Zettel, den er mit einem Herz ausgeschmückt, an unsere Wohnungstür gehängt hat. In Klammer: Ihr seid ja da. Ja. Wir sind da. Ach, ich liebe ihn so sehr. Ganz besonders merke ich das wenn er schläft oder grade nicht da ist. Was er wohl gerade macht? (denke ich diese Woche so ungefähr 100 Mal am Tag).

Ich versuche mich abzulenken. Nutze einen der freien Abende und folge der Einladung einer Freundin. Zusammen mit drei anderen Mamas sitze ich in ihrem Wohnzimmer und wir hören uns einen Podcast an - über Erziehungsfragen! (keine wirklich gute Ablenkung:-)) Viele gute Gedanken waren dabei, die ich fleissig mitgeschrieben habe. Was habe ich alles falsch gemacht! Seit über 11 Jahren! Wir sollten dringend für einen guten Therapeuten für das Kind sparen. Ehrlich. Ich war kurz davor die Lehrerin im Schullandheim anzurufen und sie zu bitten, meinen Sohn zu wecken und ans Telefon zu holen, dass ich mich bei ihm zu entschuldigen kann. So sehr ich auch dagegen ankämpfe: In Sachen Erziehung schwimmen bei mir die  Schuldgefühle oben drauf  wie das Fett in der Suppe. Aber unterm Fett sind meist die nahrhafte  Gedanken. Zum Beispiel, dass Gott uns immer, immer zugewandt bleibt! ER ist ja da. Denkt so viel mehr als hundert Mal am Tag an uns! Und zu ihm dürfen wir immer wieder heimkommen. Gnade und Barmherzigkeit empfangen. Ein Leben lang. Und auch  ganz am Ende der Strecke  (noch drei Tage und vier Nächte!).
Ach, wie sehr wünsche ich mir, dass mein Kind  diese Liebe Gottes in seinem Leben ganz echt und anfassbar erfährt! Und vielleicht sind es gerade die Situationen, wenn ich ihm nicht nah sein kann oder wenn ich ihm im Alltag mal wieder nicht gerecht werde, in denen er sein lebenslanges Gespräch mit Jesus beginnen wird. Vielleicht an einem Abend im Schullandheim, in dem er mit heimwehkrankem Herzen zwischen den "coolen Jungs" liegt. Oder wenn ich mal wieder die Geduld verliere und ihn nicht angemessen durch seine Not begleite. Auch wenn ich mir heute vornehme, dass das ab jetzt anders wird und mein Kind morgen einer ausgeglichenen und immer liebenden Mutter in die Arme springen wird. Ich weiß, die Realität sieht (leider) anders aus. Meine Weggefährtin Anne drückt das in ihrem Buch so wunderbar aus:
So sehr ich auch an mir arbeite und alles dafür tue, wieder und wieder werde ich denen, die ich liebe, weh tun...  Während mich meine Schuld fast erdrückt, schreie ich zu Gott, dass er mir zeigt, was ich tun soll. Dass er mir zuspricht, dass es ausreicht. Doch das tut er nicht.
Er bleibt still.
Bis ich in einem Buch folgende lese: "Du bist nicht genug."
Und da wird es nach Monaten das erste Mal ruhig in mir. Weil ich weiß, dass das stimmt. Und weil es mir keine Angst mehr macht.
Denn da steht auch: "Deshalb wird dein Kind einen Retter brauchen."
(aus: Wir feiern uns durchs Jahr, Anne Gorges, Neukirchener Verlag)
Dieser tröstlichen Wahrheit kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Ich bin nicht genug. Ich brauche einen Retter. Und mein Kind auch. Wie gut, dass wir seine Ankunft bei uns Menschenkindern jedes Jahr wieder aufs Neue feiern dürfen. Es ist November. Wir kämpfen uns noch ein paar Wochen durch den Nebel. Aber die Tage bis Weihnachten kann man schon zählen....