Dienstag, 2. Mai 2023

Mit Büchertasche auf dem Heimweg

Ich liebe Bücher! Wenn du uns besuchen kommst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich dir kurz vor dem Verabschieden noch schnell ein gutes Buch in die Tasche schiebe. Heio findet, dass ich das unseren Gästen aufdränge. Aber ich kann einfach nicht anders. Deshalb gefällt mir auch die Kindheitserinnerung des Dichters Dyles Thomas, in der er von einer Nachbarin erzählt, deren Hausbrand von tapferen Feuerwehrleuten gelöscht wurde und sie den rußgeschwärzen Männern erleichtert das anbietet, was für sie zum Schönsten gehört: "Möchten Sie vielleicht noch etwas zum Lesen mitnehmen?" Ich verstehe diese Frau so gut.  Was für eine Freude ist es doch, ein gutes Buch auf dem Nachttisch liegen zu haben!  Das hat auch mein Kind schon verstanden:
 
jeden Abend legt er sich einen Stapel Bücher bereit!

 
Geschichten erzählen und erzählt bekommen ist der Herzschlag von uns Menschen, schreibt Jefferson Bethke in to hell with the hustle. Gute Geschichten und Worte haben die Kraft zu trösten und etwas in uns zusammenzufügen und uns mutig zu machen fürs Leben. Und auch das:
 

 
Und manchmal lese ich etwas, von dem ich merke: Genau auf diese Worte habe ich gewartet! Das ist mir vor ein paar Tagen passiert, als ich ein altes Buch aus dem Regal zog: Eine Biographie über einen meiner Lieblingsschriftsteller Henri Nouwen. Wie oft haben mich die ehrlichen Worte dieses Priesters und Seelsorgers  schon getröstet! Vielleicht weil es so ist, wie ein Freund über ihn schrieb: Er hat immer über die Dinge geschrieben, die er selbst erfahren hat.
Was mich nun so getröstet hat, waren seine Worte über das Älterwerden. Und jetzt dränge ich sie euch einfach auf und gebe sie euch zum Lesen mit.  Vor allem denjenigen unter euch, die es gerade ähnlich erleben wie ich, dass mit den Jahren auch die Verzagtheit zunehmen kann. Wenn ich alte Menschen in meinem Umfeld betrachte dann denke ich, dass man fürs Alter doch sehr viel Tapferkeit braucht. Und ich bezweifle, dass ich besonders viel davon in mir habe. Als ich neulich ein Buch über die Wechseljahre gelesen habe, war ich danach total entmutigt und dachte, dass um die Ecke die schlimmsten Erkrankungen warten und das gute Leben nun endgültig vorbei ist. Das können Bücher leider auch: Angst machen und dunkle Schatten in deine Träume werfen! Dann sollte man sie schnellstmöglich aus der Hand legen. Und gute Worte dagegenhalten. Wie diese:
Man kann das Älterwerden erfahren als einen Weg in die Finsternis oder als einen Weg ins Licht. Bei viele alten Leuten können wir beobachten, dass sie ganz in der Vergangenheit eingeschlossen sind. "Ich bin der ich war." Sie haben die innersten Kammern ihres Heiligtums geöffnet und die bösen Mächte davon Besitz ergreifen lassen.
Man kann aber auch einen anderen Weg einschlagen, den Weg zum Licht hin. Dieser Weg nimmt bereits in der Mitte des Lebens Form an. Es ist ein Weg von einem Leben voller Wünsche hin zu einem Leben, das sich auf Hoffnung ausrichtet. Wünsche sind gekoppelt an konkrete Objekte. Hoffnung gibt Aussicht und baut auf das Vertrauen, dass ein anderer seine Versprechen wahr macht. 
aus: Henri Nouwen. Sein Leben - sein Glaube, von Jurjen Beumer
Von dieser Hoffnung handeln viele von Nouwens Texten. Sie ist ein Halt, den ich nicht in mir selbst suche und den ich auch nicht von anderen erwarten kann. Es sind die geöffneten Hände, die ich Jesus entgegenstrecke. Und diese Hoffnung kann tatsächlich mit den Jahren mehr Raum in uns einnehmen. Sie macht etwas in uns heller. Und reicher. Und freier. Und schöner. Nouwen, der fasziniert von den Gemälden Rembrandts war, schreibt über den Maler: 
Rembrandts schönste Portraits sind zum größten Teil Portraits von alten Menschen. Seine treffendsten Selbstportraits malte er in seinen letzten Lebensjahren... Je mehr er sich den Schatten des Alters näherte, sein Erfolg abnahm und der äußere Glanz seines Lebens verblich, um so mehr kam er in Berührung mit der unermesslichen Schönheit des inneren Lebens.
Ich muß dabei an meine Oma denken. Sie war nämlich genau so ein Mensch. Voll unermesslicher Schönheit des inneren Lebens. Ihr kennt sicher auch so jemand. Ich will mir solche Menschen vor Augen halten. Und solche Worte. Beides macht mir Mut, in meiner (schon etwas überschrittenen) Lebensmitte, innerlich diesen Weg ins Licht einzuschlagen. Ich will lernen einer Kultur zu widersprechen, die sich gegen das Älterwerden wehrt, wie gegen eine Krankheit, die man möglichst lange hinauszögern muss und die uns makellose, ewige Jugend als Ideal vor Augen hält. Als Kinder Gottes haben wir eine ganz andere Perspektive: Wir sind nicht die, die wir waren - wir sind die, die wir sein werden.  Mit wachsender Hoffnung - und  in meinem Fall: mit großer Büchertasche! -  sind wir auf unserem Heimweg.
 
 

5 Kommentare:

  1. Oh Christina,
    vielen Dank für die schönen und weisen Worte. Bücher sind auch hier hoch im Kurs und wenn ich könnte, wie ich wöllte hätten wir noch viel mehr Regale voll(so sind es nur vier). Auch vielen Dank für das schöne Päckchen.
    Liebe Grüße
    Anne

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  2. Vielen Dank für die ermutigenden Worte!💞

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  3. Danke für die wichtigen Gedanken zum Älterwerden ! Und ich hab auch noch eine „ weltliche „ Buchempfehlung !
    Der Buchspazierer !
    Ein tief berührendes Buch ,wer da mal reinlesen möchte!
    Doro

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  4. Alt werden möchte jeder, alt sein niemand;)

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  5. Danke Christina.Dein Text hat mich gerührt und ins nachdenken gebracht!
    Gottes Segen Dir!
    Anne

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