Mittwoch, 4. November 2020

Mr. Trump und meine Tante Inge

Zusammen mit vielen anderen, und in Gedanken bei meinen amerikanischen Freunden, warte  ich gespannt auf das Ergebnis der US-Wahl. Samuel fragt schon seit Tagen wer denn nun gewonnen hat und verhakt sich bei der Frage ob  Donald Trump nun Christ ist oder nicht. Und wenn nicht, warum die Christen ihn dann wählen. Schwierig wie viel Komplexität man einem Neunjährigen zumuten kann...
Heute morgen frühstücken wir ausnahmsweise - ganz amerikanisch - mit laufendem Fernseher im Hintergrund. Immer noch gib es keine klare Antwort auf Samuels drängende Frage "Wer ist denn nun 1.Platz, Mama? (ganz wichtige Jungsfrage!). Nachdem ich ihn in die Schule verabschiedet habe versuche ich mir einen Rat der wunderbaren Lissy zu Herzen zu nehmen und die Dinge nicht weiter auf nüchterne Seele zu verfolgen. Ich setze mich auf unseren Balkon und lese noch einmal die Stelle, die ich gestern Abend Samuel aus seiner Kinderbibel vorgelesen habe: Die Geschichte in der Jesus seine Jünger losschickt, um in seinem Auftrag Heil, Befreiung und die Botschaft der Versöhnung zu verkünden. Und er gibt ihnen die Anweisung bei denen einzukehren, die ihren Friedenssgruß erwidern  (Lukas 10,6). Theologen sprechen hier von Menschen des Friedens. Menschen die bereit sind sich von Gottes Liebe berühren zu lassen, der sanftesten und stärksten Kraft dieser Welt. Diese Liebe führt uns immer Richtung Schalom: zur Vollständigkeit und Versöhnung, in allen Bereichen des Lebens: Schalom wenn ich mein Spiegelbild betrachte, ebenso wie Schalom wenn ich mein Kind, meinen Mann und meinen Nachbarn betrachte. Versöhnend leben. Solchen Menschen des Friedens bestimmt Jesus als "Homebase" für alle die in seinem Auftrag unterwegs sind.

MIttenrein, in diese aufgeregten und vollen Tage, kam gestern still und leise eine Nachricht auf mein Handy. Ich erfahre, dass meine Tante Inge ihren Kampf mit dem Krebs beendet hat. Sie ist im Frieden von uns gegangen, in die himmlische Heimat auf die sie sich am Ende so gefreut hat, so schreibt mir wörtlich ihre Tochter. Meine Tante Inge (wir sind nicht wirklich verwandt, sie war einfach die wunderbare Freundin meiner Mama). Um sie euch ein bisschen vorzustellen bräuchte es ein langes Gespräch bei einer Tasse Kaffee. Mindestens. Ich kann ganz verkürzt hier nur so viel sagen: Sie war ein Stück Zuhause für mich. Besonders seit dem Tod meiner Mutter. Und sie war ein Mensch des Friedens. Samuel würde hinzufügen, dass ich das Wichtigste vergessen habe: Sie hatte einen Minigolfplatz! Und immer wenn wir bisher in meinem Heimatdorf waren, führte unser erster Weg dorthin. Mit hoffendem Herz, dass Tante Inge  in dem kleinen Holzhäuschen hinter der Kasse sitzen und uns mit ihrem warmen Lächeln begrüßen würde. Die Runde Golf ging dann ebenso auf ihre Kosten wie das Eis im Anschluß. Ich liebe diesen Minigolfplatz! Hier habe ich sogar die Chance gegen Heio zu gewinnen. Nicht nur weil ich die Bahnen von klein auf kenne  sondern weil der Ball fast von alleine in die Löcher rollt, wenn man ihn einfach in ihre ungefähre Richtung spielt (was Heio, den Golfprofi, jedes Mal zur Verzweiflung bringt). Hier wird einem das Siegen leicht gemacht. Natürlich hat sich Tante Inge immer erkundigt wer gewonnen hat und sich dann von Herzen mit dem Sieger gefreut. Auf Nachfrage hat sie uns auch erzählt wie es ihr geht, welche Gegenden der Krebs nun weiter befallen hat und wie sie die Schmerzen aushalten kann. Dabei wich das Strahlen nicht aus ihren Augen. Sie konnte uns die schlimmsten Nachrichten mit großer Dankbarkeit übermitteln : "Und stellt euch vor: da war doch tatsächlich dieser gute Arzt der mich wieder versorgt hat - hat Gott das nicht wunderbar geführt?!" Und nun hat Gott sie nach Hause geführt. Sie war mir ein Vorbild. Und ein Stück Heimat, das ich - neben ihren treuen Gebeten für uns - nun schmerzlich vermissen werde. 

Und wie schlage ich nun den Bogen zurück zur anstehenden Entscheidung im Weißen Haus? Was hat der Schalom Gottes und das Leben meiner Tante Inge mit dem scheinbar mächtigsten Amt dieser Welt zu tun?  Ich glaube folgendes: Unsere Welt braucht dringend Menschen des Friedens! Menschen die versöhnend leben. Die anderen ein Stück Heimat auf dieser Welt bieten. Die ihnen das Siegen leicht machen und ihre Erfolge mitfeiern. DIe großzügig sind, mit dem was ihnen gegeben wurde. Und die einen dankbaren Blick behalten, mitten im Leid und Schmerz den wir auf dieser Welt erleben. Ich würde Amerika wünschen so einen Menschen im weißen Haus zu haben. Aber falls es nicht so sein sollte: Ich glaube an die stille und beständige Kraft der Menschen des Friedens, an den kleinen Plätzen dieser Welt. Durch sie wächst Gottes Reich. Und ich bete, im dankbarem Gedenken an meine Tante Inge, dass ich so ein Mensch werden kann: Versöhnend. Anderen ihre Siege gönnend. Großzügig. Dankbar, auch in Widrigkeiten. Und anderen (oder in diesem Monat ganz konkret: Einem zweiten Haushalt, mit dem ich mich treffen darf!) ein Stück Heimat gebend.  

Unsere Welt braucht Hoffnung! 

Zünden wir alle Lichter an die wir haben! 

Verkünden wir mit unserem ganzen Leben die Botschaft der Heilung und Befreiung und der größten Liebe dieser Welt! 

Und machen wir unsere Herzen jeden Tag aufs Neue weit, dass der König des Friedens bei uns einziehen kann.

Schalom. 

Schalom Amerika. 

Schalom Wien, Frankreich, Syrien und Jerusalem. 

Schalom uns allen








10 Kommentare:

  1. Shalom! Vielen Dank für diesen wohltuenden und hoffnungsvollen Text.

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  2. Ich wünsche dir viel Kraft und gute Momente zum Trauern, liebe Christina. Es tut mir leid, dass du so einen besonderen Menschen verloren hast.
    Danke für deine Worte zu Amerika. Danke dass du meine bis eben nüchterne und leere Seele gefüttert hast und mein verbissenes Mitzittern etwas aufgeweicht hast.

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    1. Danke, liebe Daniela, für deine guten Wünsche. (und das Mitzittern hat ja nun ein Ende gefunden :-)).Du bereicherst mit deinen guten Worten - ob in der Zeitschrift oder im Internet. Danke. Schick dir herzlichste Grüße zurück!

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  3. In einer Zeit, in der man von allen Seiten von oft erschütterten Nachrichten überflutet wird, ist es wichtiger dennje darauf zu achten, wovon man sich nährt um in diesem inneren Frieden bleiben und ihn weitergeben zu können. Mich hat auch gleich dieser geniale Gedanke angesprungen, nichts auf "nüchterne Seele"zu verfolgen. Wünsche Dir von Herzen, dass die gute Saat Deiner "Tante" in Dir und Deiner Familie weiterlebt:)

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    1. Vielen Dank liebe Vera für deine Worte. Ja, das ist wirklich ein wunderbarer GEdanke von Lissy, an den ich immer wieder denken muß...
      Liebste Grüße zu Dir!

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  4. Meine Tante Inge war Tante Lilli, die jüngste Schwester meiner Omma.
    Haargenau so: "Dabei wich das Strahlen nicht aus ihren Augen."
    Was für ein Schatz, so ein Vorbild gehabt zu haben.
    Herzlich, Vorgärtnerin

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    1. Ach wie schön! Jeder sollte eine "Tante Inge" haben. Ja, was für ein Schatz. Herzliche Grüße zu Dir zurück!!!

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  5. Versöhnend leben, das nehme ich heute mit. Ich merke immer wieder im Alltag wie schwer das manchmal ist aber auch wie wichtig! Danke für die Ermutigung! Deine Gedanken sind so kostbar.

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    1. Danke für deine kostbare Worte! Segensgrüße zu Dir zurück.

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