Dienstag, 13. Januar 2015

sinken

Es ist mitten in der Nacht. Ich wache aus einem Alptraum auf und mein Herz rast wie verrückt. 
Ich habe geträumt ich stehe kurz davor einen wichtigen Vortrag zu halten. Leute strömen in den Saal, ich sitze in einem Zimmer hinter der Bühne und suche meine Notizen und kann sie nicht finden. Ein paar Skizzen fallen mir in die Hände, die ich hektisch und verständnislos durchblättere. Um was geht es hier? Was soll ich sagen? Das Telefon läutet. Ich habe keine Zeit ranzugehen, hebe trotzdem ab. "Noch 8 Minuten", sagt eine drohende Stimme. Freunde strecken den Kopf zur Tür herein und fragen mich ob ich noch Karten für sie habe, weil sie keinen Sitzplatz finden. Ich bin total überfordert und wache kurzatmig und mit hektisch, stolperndem Herzen auf. Zum Glück. Ich liege wach, versuche mein Herz zu beruhigen.

Es geht schon seit einigen Nächten so. Und auch tagsüber laufe ich mit klopfendem Herzen durch die Gegend. Und ich weiß nicht wirklich warum.

Heute habe ich ein wenig Zeit für mich alleine und gehe eine Runde spazieren. Es ist mein Lieblingswetter: stürmischer Wind, Wolkenfetzen die am Himmel entlang jagen, klare, kalte Luft. 



Das Herz pocht, aber ich genieße den Wind auf meinem Gesicht und laufe lächelnd um die Ecke. Meine Nachbarn stehen im Garten, ich will sie freundlich grüßen, da sehe ich dass sie sich weinend im Arm halten. 
Es ist die Art von weinen, wenn etwas untröstliches, zutiefst erschütterndes passiert ist. Wenn man etwas - jemand- unwiderbringlich verloren hat. Ich gehe schnell weiter. 
Während sich ein Gebet in mir formt, frage ich mich gleichzeitig: ist es das was mein Herz fürchtet? Etwas was um die nächste Ecke liegt, was mich trifft, auf das ich nicht vorbereitet bin? Zukunftsangst? 
Eigentlich bin ich kein ängstlicher Typ... aber was beunruhigt mein Herz?

Fühle ich mich überfordert, unfähig in Beziehungen, meinen Aufgaben, Freundschaften? Dieses blöde Gefühl das mich manchmal überfällt: egal wie ich mich anstrenge, egal was ich gebe - es wird niemals reichen.  Ist es eine Ahnung, dass ich dieses Jahr etwas geben soll, was ich nicht in mir habe, sondern empfangen muß? Oder ist es der ständig unterbrochene, kurze Nachtschlaf (seit mehr als 3 Jahren), der langsam mein Herz zum stolpern bringt? Ich weiß es nicht.

In der Bibel lese ich, dass Gott meine Seele beruhigen kann - wie eine Mutter ihr Baby.  Was für ein tolles Bild!
Ich denke daran wie Samu als Baby abends voller Unruhe war. Die Windel war gewechselt, Fläschchen getrunken, "Bäuerchen" gemacht - er schrie weiter. Warum? Das hilflose Bündel sah mich verzweifelt an. Ein Blick der sagt: finde raus was mir fehlt, ich weiß es nicht! Ich habe ihn (gefühlt) die halbe Nacht durch die dunkle Wohnung getragen haben bis er endlich, endlich ruhiger wurde und in meinen Armen einschlief. 

Gott die Mutter. Meine Seele das Baby. 

Morgen gehe ich zu meiner Seelsorgerin. Vielleicht finden wir gemeinsam den Grund für das Herzklopfen. Vielleicht sind es auch die Worte von Emily Freeman, die ich hören muss:

"Lass die Hände sinken und gib den zitternden Knien nach.
 Lass  deinen Halt los und öffne die Arme weit.
 Senke den Blick und schließe die Augen.
 Wir schaffen dieses Leben nicht.
 Nicht allein.
 Nicht ohne zuerst zu sinken.
Wir versinken in Gott und schauen zu ihm, aus der Tiefe unserer Unfähigkeit.
Und hier erkennen wir wer er ist.
Und hier verstehen wir, wer wir sind."

Vielleicht geht es genau darum: loszulassen. Zugeben, dass ich das Leben nicht schaffe. Ich habe keine Ahnung was kommt und ich kann mich nicht darauf vorbereiten. Kein Konzept, keine Klarheit, ich muss auf die Bühne des Lebens, mit leeren Händen.
Ich bin nur ein Mensch. Ich habe meine Begrenzungen. Ich fühle mich schwach. Es wird nicht reichen. 
Ich verliere den Boden unter meinen Füßen und sinke. In Gott. In ein Meer voller Liebe.
Ich werde getragen, hin und her, zur Not die ganze Nacht. 
Bis meine Seele sich wieder beruhigt.
Urvertrauen atmet.  

Oder wie es das wunderschöne Lieblingslied meiner Nichte sagt:

"when oceans rise, my soul will rest in your embrace.
for I am yours and you are mine."



3 Kommentare:

  1. Danke für deinen Blog...deine Ehrlichkeit, Verletzbarkeit und deine Bereitschaft, dich hier offen zu zeigen, berühren mich immer wieder. Ich brauche keinen "I`m so happy"-Blog...dein authentischer, unverstellter Blick auf`s Leben, deinen Mut, die Maske abzulegen...DAS brauche ich. Du BIST ein Mensch (nach Gottes Ebenbild), was willst du mehr? Menschsein, mit allem, was dazugehört...das Einfache, das schwer zu machen ist. Heike

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Christina, ich habs hier schon mal irgendwo gesagt und kann es nur wiederholen: dein Blog ist der Einzige, nach dessen Lektüre ich mich immer ein klein wenig besser oder getröstet fühle. Nicht etwa weil ich denke, Gott sei Dank gehts mir nicht so schlecht. Sondern weil deine Art, offen von deinen Kämpfen zu schreiben, mir zeigt: Es gibt ja außer mir doch noch wenigstens eine Person, bei der oft auch nicht alles glatt läuft. Wie wenige Menschen lassen einen hinter die Fassade schauen (erst recht wie wenige Blogger...), und wie oft fühlt man sich allein mit seinen Kämpfen, Sorgen, Unsicherheiten etc.
    Im Gegensatz zu mir bleibst du aber nie bei deinen Problemen stehen, sondern sie scheinen dich immer wieder zu Gott zu führen. Ich hoffe dass ich da noch von dir lernen kann, danke für dein Vorbild und deine Ermutigung und dass du immer wieder auf Jesus hinweist!
    Ich wünsche dir Gottes Segen und Frieden, dass du bald in seinen Armen wieder ruhig wirst und schlafen und was Wunderbares träumen kannst (und dann ausgeruht und gestärkt aufwachst)!
    Liebe Grüße, Angela

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Heike, liebe Angela!
    Vielen Dank für eure Worte!!! Es freut mich so sehr zu hören, dass meine Versuche hier ehrlich aus meinem Leben zu schreiben Euch ermutigen (und nicht runterziehen:-)). Das macht mir Mut. DANKE. Ganz liebe Grüße zu Euch!
    Christina

    AntwortenLöschen