Mittwoch, 12. Januar 2022

Mach langsam.

Ein neues Jahr hat begonnen und es klingt ganz beschwingt: 2022! Ich muß zugeben, dass ich mich  nicht ganz so beschwingt fühle. Geht es euch auch so? Der Neustart fällt mir in diesen Tagen so richtig schwer. Nicht nur die ersten Sätze beim Schreiben. Auch das Aufstehen am Morgen nach den Ferien. Oh, wie haben wir an das schöne Ausschlafen und die langsamen Tage gewöhnt! Und nun soll alles schon vorbei sein? Auch mein digitales Fasten geht nun ganz plötzlich zu Ende. Die 4-wöchige Pause hat gut getan. Die Erkenntnis, dass es so gut ohne mich geht. Dass viele Informationen, Kontakte und Gruppenmitgliedschaften nicht nur belebend und gut sind, sondern manches auch zu viel für die Kapazität meiner Seele geworden ist. Jetzt bin ich vorsichtig wieder eingestiegen und es fühlt sich an wie mit dem ganzen Rest meines derzeitigen Lebens: Am liebsten würde ich mich noch eine ganze Weile unbemerkt in die letzte Reihe setzen und langsam zu mir kommen.

Gestern, auf dem Weg zur Post, ist mir eine Freundin begegnet, die gerade ihr Sabbatjahr macht. Wir haben uns kurz unterhalten und ich habe etwas von ihrer frischen Freude eingeatmet, dass noch einige weitere Monaten vor ihr liegen, in denen sie sich ausgiebig Zeit gönnen kann. Auch Heio ist dabei eine längere Sabbatzeit für die zweite Hälfte dieses Jahres zu planen und ich kann spüren, wie ihm das jetzt schon eine leichtere Gangart gibt. Ach, wir brauchen Pausen! Nicht nur die kurzen sondern gerade auch die ausgiebigen Ruhezeiten, die uns nicht nur ein paar Tage Unterbrechung vom Alltag sondern "Rekreation" schenkt - dieses alte Wort für Ruhe. Tomas Sjödin schreibt so gut darüber:

Rekreation bedeutet wörtlich "neu schaffen", "noch einmal schaffen"...und genau wie die Erschaffung der Erde nicht nach einer Woche abgeschlossen war, so müssen auch unser inneres Leben und unsere Gedanken umgestaltet und erneuert werden, immer und immer wieder.  Genau das ist Re-kreation. Wir entscheiden uns für das Nichtstun und lassen das, was dann geschieht, mit uns geschehen. Wir ruhen vom Fortschritt, von allen Verbesserungen und Veränderungen und lasssen alles für eine Weile so wie es ist. Und verrückterweise kann daraus etwas wachsen, ganz  unverkrampft. Wir lassen uns selbst, unsere Wege und Entscheidungen in gewissem Maße neu schaffen.

 (T.Sjödin in: Warum Ruhe unsere Rettung ist) 

Während ich das hier aufschreibe spüre ich diese Sehnsucht in mir nach Rekreation. Nicht nur ein paar Ferientage zu haben, in denen wir mal wieder ein bisschen aufatmen können, um dann genauso weiterzumachen wie vor der Pause, sondern noch ein wenig länger still zu halten, damit etwas in mir umgestaltet werden kann und vielleicht etwas ganz  neues aufwächst.  Nun kann ich natürlich nicht einfach die Ferien für mich und das Kind noch ein paar Wochen verlängern. Leider. Aber ich könnte in einem ruhigen Tempo beginnen und auf meinen Körper hören, der seit einigen Tagen ganz laut "Mach langsam! Bitte!" ruft.  Zu oft in meinem Leben habe ich alles in mir ignoriert und bin losgespurtet, nur um dann hinter der ersten Kurve wieder erschöpft zusammenzubrechen.

Über der Schöpfung liegt in diesen Tagen eine Ruhe, die auch noch einige Wochen anhalten wird. Es ist eine Einladung, an alle Geschöpfe dieser Erde, noch ein bisschen dabei zu sein. Kerzen anzünden. Wintertee trinken. Gedanken aufschreiben. Hinhören. Unserer Sehnsucht nachspüren. Kleine Spaziergänge am Abend machen. Die Stille und das Warten das  noch über der Natur liegt, aufnehmen. Nicht zu früh mit dem Frühjahrsputz starten oder die Dinge schnell aufholen wollen, die liegengeblieben sind.  Vielleicht können wir einfach alles noch für eine Weile so lassen wie es ist. Die Sterne am Fenster und das Laub auf den Blumenbeeten, wo sich unter der Stille schon neues Leben formt. 

Re-kreation.

Ganz still fängt Gott neu mit uns an. 


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