Donnerstag, 4. April 2019

Zu schnell unterwegs

Gestern auf der Autobahn (am Ende meiner kleinen Lesereise): Der Volvofahrer hinter mir hat gedrängelt, geblinkt und Lichthupe gegeben. Manchmal bewirkt das tatsächlich, dass ich demütig zur Seite fahre und den Drängler freundlich vorbeiwinke. Gestern nicht. Ich dachte mir: Was, du denkst du bist schneller als ich? Hah! Das wollen wir doch mal sehen! Und dann habe ich das Gaspedal durchgedrückt; und zufrieden im Rückspiegel beobachtet wie der Volvo geschlagen zurückbleibt. Die Siegerlaune hielt nur kurz - ziemlich genau bis zu dem Moment in dem ein rotes Blitzlicht meine Augen blendete.  Sch...!!! Ich trat auf die Bremse, aber natürlich war es zu spät. Mein schön verdientes Geld verabschiedete sich winkend Richtung Flensburg. So ein Mist! Ich ärgere mich über meine eigene Blödheit (und versuche weiterhin mich nicht zu beschimpfen;-)). Ich bete zerknirscht um ein kleines Wunder: Dass die Geschwindigkeit doch nicht so hoch war wie auf dem Tacho angezeigt, oder dass der Film im Blitzer voll war, oder... oder dass ich aufrecht die Konsequenzen für mein Verhalten tragen kann (etwas was ich gerade ständig vom kleinen Sohn verlange).
Heute morgen parkt das Auto mitgenommen vor der Haustür. Jetzt rasen nur noch die Gedanken in meinem Kopf. So vieles was in der letzten Zeit liegengeblieben ist und was ich nun dringend erledigen will. Und dann zeichnen sich da ein paar spannende Entwicklungen in unserem Leben ab, die ich zu verdauen versuche; das fühlt sich an wie damals, als ich zum ersten - und letzten! - Mal einen riesigen bayrischen Rollbraten gegessen habe; der lag mir tagelang im Magen und ich habe das Gefühl, dass ich ihn bis heute noch nicht  richtig verdaut habe. Mahlzeit nach Bayern!  Alles in allem fällt es mir total schwer zur Ruhe zu kommen. Und doch ist es genau das, was ich brauche. Das spüre ich. Das langsamere Tempo. In Ruhe Dinge verarbeiten und mich nicht von Dränglern in den engen  Gehirnwindungen antreiben lassen um dann am Ende gehetzt eine Vollbremsung einzulegen und mich über den entstandenen Schaden ärgern.
Ich sitze also hier auf meinem Sofa und versuche langsamer zu atmen. Das soll helfen, hat mir mal eine Freundin gesagt. Beim Einatmen: Jesus. Beim Ausatmen: Christus. Fünf Minuten lang. Ach, es ist so schwer die Geschwindigkeit rauszunehmen. Ich lese einen Bibeltext und die Worte rauschen an mir vorbei wie eine Landschaft, die ich nur aus den Augenwinkeln wahrnehme. Seufzend lege ich das beste Buch der Welt wieder neben mich.  Ich starre ein wenig vor mich hin. Versuche nicht auf die Uhr zu schauen. Ich betrachte meine Hände. Die sehen langsam den Händen meiner Mutter immer ähnlicher. Ich drehe die Handflächen nach unten und versuche an all das zu denken, was ich loslassen will. Erinnere mich daran, dass ich so wenig im Leben wirklich halten kann. Dann drehe ich die Handflächen um und halte sie wie eine Schale nach oben. Bei Ann Voskamp habe ich neulich gelesen:  
Eine geöffnete Hand sieht aus, als hätte sie ihre Wurzeln im Himmel. 
Der Gedanke gefällt mir! Und tatsächlich sehen meine Finger wie Wurzeln aus! Dicke, knollige Wurzeln. Die sich nach oben strecken. Und mich an die ewige Welt erinnern. Eine Welt die ich nicht nur aus den Augenwinkeln, als vorbeifliegende Landschaft, wahrnehmen will, sondern in  der ich leben, atmen und mich tief verwurzeln will. Jeden Tag ein bisschen mehr. Jesus. Christus. Diese Geste ist meine ganze Sehnsucht, die ich Gott entgegenhalte.
 
Seit ich diesen Satz gelesen habe halte ich immer mal wieder eine Hände so nach oben. Mitten im Alltag. Fahrtwind um die Ohren. Es ist mein wortloses Gebet (beten kann so einfach sein :-)). Ich schaue auf meine Finger und erinnere mich daran, in welche Richtung ich meine Wurzeln ausschlagen will. 
Und mit nur einer Hand am Steuer fährt man auch gleich ein bisschen entspannter...


Gute Fahrt uns allen!!!

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