Neben tollen Geschichten, freue ich mich auch sehr an einem Buch übers Schreiben (danke Vroni!): Still writing, von Dani Shapiro. Immer wieder finde ich bei solchen Büchern nicht nur hilfreiche Tipps zum Schreiben, sondern Erkenntnisse übers Leben. Eine davon ist folgende:
Wir können immer wieder neu anfangen.
Wie oft habe ich schon ganz viel Text geschrieben und dann gemerkt: das wird
so nichts. Also alles nochmal löschen (oder durchstreichen)
und es geht von vorne los. Das ist natürlich bisschen frustrierend, aber ganz oft sind diese gelöschten Worte und
Gedanken wie eine Machete mit der ich mich sich ziemlich
orientierungslos durchs Dickicht schlage, bis ich dann endlich eine
Spur finde, der ich folgen will. Und das ist dann auch der
Startpunkt, um mutig neu anzufangen. Dani Shapiro schreibt ihre
ersten Entwürfe gerne in Notizbücher, weil die eingefügten Sätze,
die Pfeile, Sternchen und durchgestrichenen Absätze sie daran
erinnern, dass man die Arbeit jeden Moment verändern kann, dass es
immer auch andere Möglichkeiten und Neuanfänge gibt.
Das
erinnert mich an den vergangenen Muttertag. Eigentlich bin ich kein
Mensch der große Erwartungen an diesem Tag hat. Dachte ich
zumindest. Aber nachdem ich früh aufgestanden war um das Frühstück
zu machen, das Chaos aufzuräumen und noch schnell einen Kuchen zu
backen (während Heio entspannt die Hasen im Garten beobachtete)
überkam mich der ganze Jammer einer nicht gesehenen und nicht
wertgeschätzten Mutter.Ich
habe versucht mich innerlich zu beruhigen, zu beten, ein bisschen in
der Bibel zu lesen, aber der Schmerz wurde noch größer. Weinend saß
ich auf dem Sofa. Irgendwann bemerkte das der kleine Sohn, der bis zu
dem Zeitpunkt zufrieden, in sich versunken, Autostau gespielt hatte.
Besorgt fragte er nach was los ist, und nach meinen unbeholfenen
Erklärungen rief er seinem Papa durchs Fenster zu
(in einer Lautstärke, dass es alle Nachbarn mitbekommen haben):
"Papa, komm schnell. Mama weint, weil sie kein Geschenk
bekommt." Na toll.
Das
war der Tagesanfang und es wurde lange nicht besser. Es fiel mir
schwer Heios Entschuldigung anzunehmen (und gleichzeitig musste ich
an Corrie Ten Boom denken,die einem ihrer KZ- Aufsehern die Hand zur
Vergebung reichen konnte. Und ich kann meinem Mann nicht vergeben,
der mir am Muttertag kein Frühstück ans Bett gebracht hat!) Trübselig
schlich unser Vormittag dahin. Samu passte sich mit kindlicher Flexibilität der Stimmung an. Schluß
mit dem friedlichen Stau. Er jammerte ununterbrochen: "Mir ist
langweilig!!!" Und: "Das ist der allerblödeste Tag in
meinem ganzen Leben!" Worauf ich innerlich mantrahaft das Gebet
von Michels Papa aus Lönneberga wiederholte: Gott, steh mir bei,
dass ich meine Hand nicht an dieses Kind lege!
Gegen
Mittag hatte ich dann genug. Ich rief den Familienclan zusammen. Wahrscheinlich erwarteten sie das nächste
Donnerwetter von der schlechtgelaunten Mutter. Die will aber endlich
die Kurve kriegen. Ich holte tief Luft und halte meine kleine Rede:
„Der Tag war bisher echt blöd." Eifriges Nicken in der
Runde. „Ich bin einfach schlecht gelaunt aufgewacht." Vorsichtige
Zustimmung von Heio, Samu schluchzte mit dem unglaublich großen
Selbstmitleid zu dem ein Sechsjähriger fähig ist. "Ich bin
enttäuscht und finde es blöd, dass ihr mir nichts besonderes zum
Muttertag gemacht habt. Ich vergebe euch. Und entschuldigt bitte
meine schlechte Laune. Und jetzt will ich Jesus bitten, dass er uns
hilft, dass wir den Rest des Tages besser hinbekommen." Unter
großem Einverständnis meiner zwei liebsten Menschen fassten wir uns
an den Händen. Ich sagte Jesus, dass wir dringend seine Hilfe
brauchen; für die zweite Hälfte des Tages. Ein dreistimmiges
"Amen". Und nach dem ganzen Durcheinander von Gefühlen, durch die wir uns
gekämpft haben, war da plötzlich eine Spur. Eine Löschtaste der Gnade. Für uns alle. Und die Möglichkeit neu anzufangen. Eine neue Geschichte, für die zweite Hälfte unseres Tages. Und der wurde dann richtig gut. Ich könnte eine wunderschöne Geschichte darüber erzählen....
Manchmal stecken wir lange in der "ersten Hälfte des Tages." Manchmal fängt die zweite Hälfte erst am Abend an wenn ich neben Heio im Bett liege und wir gemeinsam beten und den Ärger beiseite legen. Und dann gibt es Beziehungen bei denen wir jahrelang im Dickicht von verwirrenden Gefühlen, Verletzungen, Missverständnissen und wenig gelungenen Texten feststecken können; und leider gibt es da oft keine Abkürzungen.
Bei mir und meiner Schwester war das so. Wir haben uns total lieb aber da waren familiäre Geschichten die schon vor unseren eigenen angefangen haben und egal wie sehr wir es auch versucht haben: immer wieder waren da diese verwirrenden Gefühle. Und beim Versuch da durchzukommen, haben wir uns oft genug verletzt. Aber wir haben uns weiter durchs Dickicht geschlagen, jeder für sich.(und immer wieder mit toller Hilfe- danke Marianne!!!) Und dann, fast unbemerkt, hat vor einem Jahr unsere "zweite Tageshälfte" begonnen. Plötzlich stand alles auf Neuanfang. Eine neue Möglichkeit uns zu begegnen. Eine gemeinsame Spur. Wir legen die Macheten beiseite und fallen uns mit ungläubigem Staunen und verschwitzem Gesicht in die Arme. Das Dickicht liegt hinter uns. Es ist für mich immer noch total unfassbar und ein großes Wunder. Gott hat unserer Geschichte eine völlig neue Wendung gegeben.
meine tolle Schwester! (dank dir, dass ich darüber erzählen darf! Gruß nach USA!) |
Ich schreibe darüber weil unsere Geschichte vielleicht Mut macht: Egal wie der erste Teil unseres Tages ist, egal wie verletzt wir sind, wie verwirrend unsere bisherigen Wege waren und wie wenig Ahnung wir haben wie das alles gut werden soll - es gibt immer die Hoffung auf eine entscheidende Wendung der Geschichte. (und manchmal dauert es ein halbes Leben) Manchmal beginnt sie ganz einfach damit, dass wir Gott sagen: Die erste Tageshälfte war nicht sonderlich gut. Wir brauchen dringend deine Hilfe. Eine Löschtaste der Gnade. Eine Möglichkeit neu abzubiegen. Und dann kommt der Autor unseres Lebens und plötzlich fließt eine wunderbare Geschichte aus seiner Feder. In der zweiten Tageshälfte.
Always,
we begin again.
As we begin again, so does God.
Tanya Marlow
Genau! Das ist so gut, manchmal verstrickt man sich und kommt aus seinen eigenen Gefühlen nicht raus...wir hatten am Samstag so einen Tag und da begann die 2. Tageshälfte auch erst um 18 Uhr abends. Aber wenn man es schafft sich zu entscheiden zu Jesus zu gehen, dann dreht er alles um und macht doch wieder alles wunderschön! Ich glaube du bist eine wunderbare Mama und kann verstehen, dass Du traurig warst, dass die zwei es vergessen haben. Vielleicht oder hoffentlich sind sie jetzt auch sensibilisierter...Jeder lernt ja an solchen Konflikten!
AntwortenLöschenAch wie schön, liebe Yvonne, dass du jetzt ab und zu in meinem Kommentarfeld auftauchst!!! Und wie gut, dass ihr auch noch am Abend die Kurve bekommen habt- mit der HIlfe von Jesus :-).
LöschenIch schick dir liebste Grüße nach Berlin, du tolle Frau!
Vielleicht kriegst du ja am sog. Vatertag dann Frühstück ans Bett gebracht?
AntwortenLöschenHe, Heio, liest du hier mit?
:D
Glaub Heio liest nicht die Kommentare aber er hat schon was angedeutet, dass er da nachholen will :-)...leider kommt er bei der Geschichte bisschen schlecht weg, ehrlicherweise muss ich sagen, dass er meistens bei uns das Früstück richtet (bzw. schonmal den kaffee kocht) weil er Frühaufsteher ist. LG zurück zu dir!!!
LöschenVielen Dank für dieses Zeilen! Ich lese sehr gerne deine Beiträge und wurde schon oft ermutigt, getröstet, gesegnet, herausgefordert.
AntwortenLöschenLG Sarah
Das freut mich so sehr. Danke für deine Rückmeldung Sarah! Segen und Grüße zurück!!!
Löschen