Ende letzter Woche habe ich auf meinen Beitrag "I stand with Israel"(Oktober im vergangenen Jahr) einen Kommentar bekommen. Beim Beantworten habe ich gemerkt, dass mich das Thema immer noch so beschäftigt - ganz aktuell durch die unsäglichen Ereignisse um den ESC. Deshalb habe ich mich entschieden aus meiner Antwort einen Blogpost zu machen. Auch wenn ich hier am liebsten ermutigende Beiträge schreibe. Heute ist das mal ein schwerer Brocken. Aber es scheint mir wichtig zu sein. Von daher schonmal: Danke fürs Lesen und für das gemeinsame Ringen in all dem.
Hier der Kommentar:
Als Person mit (weit entfernten) jüdischen Wurzeln bin ich ganz klar
gegen Antisemitismus, gegen Hass & Hetze, gegen Terror. Ich bin aber
nicht nur gegen... Sondern auch für... Für Frieden, für Versöhnung, für
ein Miteinander, für ein Nebeneinander und für noch ganz vieles mehr!
Die
Geschichte ist komplex. Auf der anderen Seite gibt es auch fünf jährige
Mädchen... verwaist, verletzt, am verhungern, voller Angst, auf der
Flucht... Hinter einer bestimmten Volkszugehörigkeit, hinter einem
bestimmten Glaube steckt immer eine persönliche Geschichte und ein
Gesicht. Wie kann ich bei so viel Tragik (auf beiden Seiten!) Partei
ergreiffen?
Liebe Leserin! (oder lieber Leser :-))
VIelen Dank für deine Anmerkung. Und noch mehr: Von Herzen DANKE für freundliche Worte! - die sind gerade so selten, wenn man in dieser Sache nicht ganz einer Meinung ist. Ja, die Geschichte ist wirklich komplex, da stimme ich dir aus vollem Herzen zu. Vielleicht ist es das erste Eingeständis was wir machen sollten. Die Anerkennung, dass es schwierig ist und, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Ein bisschen wie bei einem langen Familienstreit, der sich über Generationen zieht, bei dem Außenstehenden vieles einfach nicht verstehen können. Meiner Meinung nach sollten wir diese Demut haben, wenn es um den Nahostkonflikt geht.
Von daher will ich auch nicht wie jemand erscheinen, der den klaren Durchblick hat. Was ich sehe ist dasselbe wie du: Auf beiden Seiten leiden die Menschen! Da ist das Leid der Angehörigen der ermordeten Frauen, Männern und Kindern des Massakers vom 7.Oktober, das Leid der entführten Geiseln, das Leid der Angehörigen der getöteten jungen israelischen Soldaten. Und da ist das Leid auf der anderen Seite des Grenzzauns: Das schreckliche Leiden der palästinensischen Bevölkerung, von Frauen, Männern und Kindern, die von einem Winkel des Gazastreifens in den anderen flüchten muss - weil eine Terrororganisation sie als Schutzschilder bei den israelischen Angriffen benutzt, hinter der sie sich in ihren unterirdischen Gängen versteckt. Und jedes getötete Kind, das dabei umkommt und in die Kamera gehalten wird, ist ihr dazu dienlich, um den Judenhass weiter zu schüren (gerade auch bei ihrer eigenen Bevölkerung!) und ihr Ziel zu erreichen: Die Zerschlagung des Staates Israels. (nachzulesen in der Charta der Hamas,auf Wikipedia oder auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung). Ja, hinter allem steckt eine Geschichte. Aber dieser Hass auf ein Volk, der Hamaskämpfer dazu bringt Familien in ihren Betten zu erschießen, Kindern die Köpfe abzuschneiden, junge Menschen wie Tiere über ein Festivalgelände zu jagen und Geiseln zu verschleppen und zu misshandeln (was dann schockierenderweise auf den Straßen in Gaza - und auch bei manchen im unserem Land - gefeiert wird und Süßigkeiten an Kinder verteilt werden!)- alles das kann und will ich mir mit keiner noch so schlimmen persönlichen Geschichte erklären.
Und die traurige Frage ist: wie kann es ein Miteinander geben, solange dieser Hass besteht?
Ich glaube auch, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten vor allem das will, was du geschrieben hast: Frieden. Und ganz bestimmt macht Israel nicht alles richtig!! (so wie auch Deutschland beispielsweise nicht alles richtig macht! Eigentlich logisch, aber bei Israel muss man das immer dazu sagen. Es gibt Dinge, die laufen wirklich nicht gut. Und die meisten Israelis würden das sofort einräumen!). Und ich bete für die Menschen in Gaza ebenso wie ich für die Menschen in Israel bete. Aber gerade weil ich sehe, wie der Antisemitismus durch diesen Konflikt wieder aufblüht, in der linken Szene und mit wütenden anti-israelischen Demos an Universitäten und mit einem ungezügelten Hass auf einem Songcontest - gerade weil ich es erlebe, wie viel Hass in diesen Tagen eine Israelflagge auf unseren Straßen in Deutschland auslöst und weil solche Berichte sich gerade immer mehr häufen - gerade deshalb komme ich für mich zu dem Entschluss,dass es wichtig ist Partei zu ergreifen. So wie das damals auch wichtig war.
Es hat mich so berührt was die 102 Jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beim deutschen Filmpreis sagte:
Als ich vor 14 Jahren hierher zurückgekommen bin, hätte ich es mir nicht träumen lassen was jetzt in der Öffentlichkeit los ist. So hat es damals auch angefangen. Nie wieder darf so etwas geschehen... In diesem Raum sitzen viele Geschichtenerzähler, ihr habt die Verantwortung die Kraft des Films. Ich bitte euch mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. So etwas darf nie, nie wieder geschehen, ich bitte euch seid Menschen!
VIelleicht können wir uns darauf einigen: Wir wollen Menschen sein. Jeglichem Hass entgegentreten. Und die Geschichten so wahr wie es uns möglich ist erzählen.
Das hier ist mein Versuch.
Schalom.
Christina