Es war kurz vor Mitternacht. Der Mann war unterwegs und hätte eigentlich schon längst da sein sollen.
Zuerst
machte ich mir keine Sorgen. Ich schaute das Fußballspiel zu Ende, ging
in`s Bad, räumte noch ein wenig die Wohnung auf...aber langsam wuchs
meine innere Unruhe.
Wo bleibt Heio?!? Normalerweise meldet er sich wenn es später wird.
Immer wieder versuchte ich es auf seinem Handy - es klingelte, aber er nahm nicht ab.
In
solchen Situationen ist es nicht gut wenn man eine reiche Phantasie
hat. Vor meinem inneren Auge tauchten die schlimmsten Situationen auf.
Eigentlich neige ich nicht schnell dazu panisch zu sein oder mir
übermässig Sorgen zu machen (das glaube ich zumindest) aber in dieser
Nacht stand ich am Fenster und war fast gelähmt vor Furcht.
Samu drehte sich hinter mir unruhig im Schlaf, weinte und rief nach seinem Papa.
Ich
fing an zu beten. Aber es schien mir als wäre Gott ganz weit weg. Ich
schlug verzweifelt die Bibel, flog mit den Augen über die Seiten und
suchte nach einem Wort da mich tröstet und beruhigt... Ein Satz war mit
Marker unterstrichen: mein Gott ist mir zum Feind geworden (warum habe ich so einen Satz unterstrichen?).
Wieder
ließ ich das Handy klingeln- vergebens. Es läutete nicht mal mehr.
Irgendjemand muss es abgestellt haben. Die Polizei vielleicht, die jetzt
am Unfallort eingetroffen ist? Ich schaute nach Samu, stellte mir vor
wie es wäre wenn ich mich ab jetzt um ihn alleine kümmern müsste, ohne
Heio, und geriet noch mehr in Panik (an alle Alleinerziehenden: IHR SEID
HELDEN!!!). Bei jedem Auto das in unsere Straße bog, schlug mein Herz
schneller. Es könnte Heio sein, es könnte auch die Polizei sein.
Nach
einer, gefühlt, unendlich langen Zeit tauchte unser blauer Dacia auf
und Heio stieg aus dem Wagen. Ich rannte zur Tür und fiel dem erstaunen
Mann weinend um den Hals und schluchzte: "Ich bin so froh dass du
endlich da bist! ich hatte solche Angst!"
Es
war alles in Ordnung. Er wollte nicht anrufen, weil er dachte ich
schlafe schon, hatte sein Handy auf "lautlos" und deshalb nichts von
meinen Anrufen mitbekommen.
Ich
war natürlich sehr erleichtert - und doch : Das hilflose Gefühl, dass
vielleicht etwas schlimmes geschehen wird und ich nichts dagegen tun
kann, das Schweigen Gottes in dieser Nacht...die Furcht ist geblieben-
in einer kleinen Ecke meines Herzens.
Ich habe vor einiger Zeit einem Prediger zugehört der anschaulich seine erste "Wildwasser-Rafting-Fahrt" beschrieben hat.
Er
war mit einer Gruppe von Freunde unterwegs die ebenfalls völlig
unerfahren waren. Zuerst war es ein Spaß, ein wenig schneller durchs
Wasser zu fahren. Sie spritzten sich gegenseitig nass, machten Scherze
und genossen die Fahrt. Aber dann kamen die ersten richtigen
Stromschnellen. Das Wasser schlug über dem Kopf zusammen, das
Schlauchboot war in der Gefahr zu kippen - völlige Panik!!!... bis es
langsam wieder in`s ruhigere Wasser überging.
Jetzt
warf man sich keine scherzhaften Bemerkungen mehr zu. Es war nur noch
nervöse Anspannung weil man ahnte: um die nächste Ecke kommt vielleicht
schon die nächste gefährliche Stelle. Und wieder kam die Stromschnelle,
wieder der Kampf mit dem Wasser...überlebt, Luft holen, Atem ruhig
werden lassen, versuchen Kraft zu schöpfen für das Wildwasser, das im
nächsten Abschnitt kommt. Mit zitternden Knien stiegen sie am Ende aus
dem Boot und schworen sich, nie wieder so eine Fahrt zu unternehmen.
Bild von whitewater Rafting Massachusetts |
Und dann verglich er dieses Erlebnis mit unserem Leben.
Am
Anfang denken wir noch: hey, es macht Spaß! Alles gleitet locker dahin,
aber irgendwann treffen uns die ersten Stromschnellen. Krankheit,
Verlust, Verletzungen...es haut uns fast um. Wir versuchen uns zu
erholen und aufzuatmen im ruhigen schönen Fahrwasser, aber in uns bleibt
die Angst weil wir wissen: die nächsten schwierigen Sitautaionen können
schon um die nächste Ecke liegen. Werden wir es da durch schaffen?
Dieses
Beispiel hat sich mir total eingeprägt. Leider habe ich den Rest der
Predigt vergessen (ich hoffe er hat er etwas trostreiches und gutes dazu
gesagt!).
Aber
ist es nicht so? Das Leben ist gefährlich und so vieles liegt außerhalb
unserer Kontrolle. Ich schaue mir abends die Nachrichten an und es
schlägt mir so viel reales Leid entgegen, dass ich es kaum ertragen
kann.
Neulich
war "Welt-Flüchtlingstag" und es wurde gesagt, dass es über 15
Millionen Flüchtlinge auf dieser Welt gibt, die Hälfte davon sind
Kinder! Was für eine Zahl und was für eine Not die dahintersteckt.
Manche - nein sehr viele - Menschen verbringen fast ihr ganzes Leben in
einem reißenden Strom und haben kaum die Zeit dazwischen durchzuatmen.
Mir geht es gut.
Ich habe schon über 40 Jahre hinter mir in denen ich einige
Stromschnellen erlebt habe. Aber die meiste Zeit fahre ich auf ruhigem
Wasser und ich empfinde große Dankbarkeit darüber. Und doch: Angesichts
der Realität des Lebens, kämpfe ich immer wieder mit der Furcht, was
wohl um die nächste Ecke auf mich wartet.
Ich
verabschiede mich von Samu und schaue ihm hinterher, wie er vorsichtig,
an der Hand seines Spielkameraden, die Treppe zum Garten hinuntergeht
(so wie ich es ihm beigebracht habe). Bevor der kleine Kopf um die Ecke
verschwindet, dreht er sich noch einmal um und winkt mir zu. Mir wird es
plötzlich ganz schwer um`s Herz. In mir taucht die Bibelstelle auf in
der Gott sagt: "Kommt wieder, Menschenkinder".
Ich
sehe eine liebenden Vater, der seine Kinder auf die Erde schickt und
ihnen nachwinkt, mit schweren Herzen, weil er um die Stromschnellen des
Lebens weiß.
Er
ist ein guter Vater, der das Beste für uns will (so wie es mein
Mutterherz für Samu will) - und doch: er schickt uns in eine Welt die
voll Schönheit, aber auch voller Leid ist.
Sein Trost den er uns zuflüstert ist:
"Ich bin bei Euch. Ich werde mit euch gehen. Ich verlasse euch keinen Moment. Es liegt kein einziger Tag vor dir, an dem ich nicht da
sein werde. Und- wir werden uns wiedersehen. Der Strom bringt euch wieder zurück zu mir, meine Menschenkinder. Fürchtet euch nicht."
.
Mein "Heute" ist gut. Aufatmen. Dankbar sein. Weggefährtin sein.
Und wenn die Furcht kommt, will ich mich an die Stromschnellen erinnern, die ich hinter mir habe(an ein, zwei Stellen dachte ich schon: das überlebe ich nicht!).
Er war da und hat mir durchgeholfen. Das macht mir Mut.
Und andere Menschen machen mir Mut:
Er war da und hat mir durchgeholfen. Das macht mir Mut.
Und andere Menschen machen mir Mut:
Neulich war ich bei einer Freundin, die heftige Zeiten durchmacht. Sie sagte mir, während einer kurzen Atempause: "Christina, Gott ist gut. Er ist da und bringt mich da durch. Das weiß ich."
Auch wenn ich nicht weiß was um die nächste Ecke auf mich wartet:
ER wird da sein.
Mitten in der Strömung, wird eine Hand nach mir greifen und mich festhalten.
Darauf will ich vertrauen...
bitte Jesus, hilf mir dabei.
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