Seiten

Mittwoch, 15. Mai 2024

12 points for Schalom

Ende letzter Woche habe ich auf meinen Beitrag  "I stand with Israel"(Oktober im vergangenen Jahr)  einen Kommentar bekommen.  Beim Beantworten habe ich gemerkt, dass mich das Thema immer noch so beschäftigt - ganz aktuell durch die unsäglichen Ereignisse um den ESC. Deshalb habe ich mich entschieden aus meiner Antwort einen Blogpost zu machen. Auch wenn ich hier am liebsten ermutigende Beiträge schreibe. Heute ist das mal ein schwerer Brocken. Aber es scheint mir wichtig zu sein. Von daher schonmal: Danke fürs Lesen und für das gemeinsame Ringen in all dem.

Hier der Kommentar:

Als Person mit (weit entfernten) jüdischen Wurzeln bin ich ganz klar gegen Antisemitismus, gegen Hass & Hetze, gegen Terror. Ich bin aber nicht nur gegen... Sondern auch für... Für Frieden, für Versöhnung, für ein Miteinander, für ein Nebeneinander und für noch ganz vieles mehr!
Die Geschichte ist komplex. Auf der anderen Seite gibt es auch fünf jährige Mädchen... verwaist, verletzt, am verhungern, voller Angst, auf der Flucht... Hinter einer bestimmten Volkszugehörigkeit, hinter einem bestimmten Glaube steckt immer eine persönliche Geschichte und ein Gesicht. Wie kann ich bei so viel Tragik (auf beiden Seiten!) Partei ergreiffen? 

 

Liebe Leserin! (oder lieber Leser :-)) 

VIelen Dank für deine Anmerkung. Und noch mehr: Von Herzen DANKE für freundliche Worte! - die sind gerade so selten, wenn man in dieser Sache nicht ganz einer Meinung ist. Ja, die Geschichte ist wirklich komplex, da stimme ich dir aus vollem Herzen zu. Vielleicht ist es das erste Eingeständis was wir machen sollten. Die Anerkennung, dass es schwierig ist und, dass es keine einfachen Lösungen gibt.  Ein bisschen wie bei einem langen Familienstreit, der sich über Generationen zieht, bei dem Außenstehenden vieles einfach nicht verstehen können. Meiner Meinung nach sollten wir diese Demut haben, wenn es um den Nahostkonflikt geht.

Von daher will ich auch nicht wie jemand erscheinen, der den klaren Durchblick hat. Was ich sehe ist dasselbe wie du: Auf beiden Seiten leiden die Menschen!  Da ist das Leid der Angehörigen der ermordeten Frauen, Männern und Kindern des Massakers vom  7.Oktober, das Leid der entführten Geiseln, das Leid der Angehörigen der getöteten jungen israelischen Soldaten. Und da ist das Leid auf der anderen Seite des Grenzzauns: Das schreckliche Leiden der palästinensischen Bevölkerung, von Frauen, Männern und Kindern, die von einem Winkel des Gazastreifens in den anderen flüchten muss  - weil eine Terrororganisation sie als Schutzschilder bei den israelischen Angriffen benutzt, hinter der sie sich in ihren unterirdischen Gängen versteckt. Und jedes getötete Kind, das dabei umkommt und in die Kamera gehalten wird, ist ihr dazu dienlich, um den Judenhass weiter zu schüren (gerade auch bei ihrer eigenen Bevölkerung!) und ihr Ziel zu erreichen: Die Zerschlagung des Staates Israels. (nachzulesen in der Charta der Hamas,auf Wikipedia oder auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung). Ja, hinter allem steckt eine Geschichte. Aber dieser Hass auf ein Volk, der Hamaskämpfer dazu bringt Familien in ihren Betten zu erschießen, Kindern die Köpfe abzuschneiden, junge Menschen wie Tiere über ein Festivalgelände zu jagen und Geiseln zu verschleppen und zu misshandeln (was dann schockierenderweise auf den Straßen in Gaza - und auch bei manchen im unserem Land - gefeiert wird und Süßigkeiten an Kinder verteilt werden!)- alles das kann und will ich mir mit keiner noch so schlimmen persönlichen Geschichte erklären.

Und die traurige Frage ist: wie kann es ein Miteinander geben, solange dieser Hass besteht?

Ich glaube auch, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten vor allem das will, was du geschrieben hast: Frieden. Und ganz bestimmt macht Israel nicht alles richtig!! (so wie auch Deutschland beispielsweise nicht alles richtig macht! Eigentlich logisch, aber bei Israel muss man das immer dazu sagen. Es gibt Dinge, die laufen wirklich nicht gut. Und die meisten Israelis würden das sofort einräumen!). Und ich bete für die Menschen in Gaza ebenso wie ich für die Menschen in Israel bete.  Aber gerade weil ich sehe, wie der Antisemitismus durch diesen Konflikt wieder aufblüht, in der linken Szene und mit wütenden anti-israelischen Demos an Universitäten und mit einem ungezügelten Hass auf einem Songcontest -  gerade weil ich es erlebe, wie viel Hass in diesen Tagen eine Israelflagge auf unseren Straßen in Deutschland auslöst und weil solche Berichte sich gerade immer mehr häufen -   gerade deshalb komme ich für mich zu dem Entschluss,dass es wichtig ist Partei zu ergreifen. So wie das damals auch wichtig war.

Es hat mich so berührt was die 102 Jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beim deutschen Filmpreis sagte:

Als ich vor 14 Jahren hierher zurückgekommen bin, hätte ich es mir nicht  träumen lassen was jetzt in der Öffentlichkeit los ist. So hat es damals auch angefangen. Nie wieder darf so etwas geschehen... In diesem Raum sitzen viele Geschichtenerzähler, ihr habt die Verantwortung die Kraft des Films. Ich bitte euch mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. So etwas darf nie, nie wieder geschehen, ich bitte euch seid Menschen!

VIelleicht können wir uns darauf einigen: Wir wollen Menschen sein. Jeglichem Hass entgegentreten. Und die Geschichten so wahr wie es uns möglich ist erzählen. 

Das hier ist mein Versuch. 

Schalom. 

Christina 



8 Kommentare:

  1. Danke für deinen Weckruf, so wichtig in unserer Zeit als Christen Stellung für Israel einzunehmen. Schalom, möge Gott Israel schützen und dir beim schreiben weiterhin seine Gedanken über sein Volk schenken. Gott wird sein Volk nicht verlassen, das hat er versprochen 🙏🏻

    AntwortenLöschen
  2. Danke!! Eine Hilfe, um selber ins sprechen zu kommen.
    Shalom dir und Israel!

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Christina,
    Dein Blogeintrag ist mir gewidmet- was für eine Ehre, dass du so detailliert auf meinen Kommentar eingehst. Vielen Dank! Es freut mich, dass meine Zeilen zum nachdenken angeregt haben.

    Ich bin nicht total anderer Meinung als du. Finde es sehr treffend verbildlicht von dir: dieser traumatische Konflikt ist wie ein Geschwister-Streit.

    Viele Eltern mit mehreren Kindern wissen wie herausfordernd und oft auch unmöglich die Position als Schiedsrichter ist. Man hat nicht alles mitbekommen, jedes Kind hat seine eigene Wahrnehmung, welche es für richtig hält, jede Parte seine eigene Wahrheit. Ich kann und will nicht Schiedsrichter sein! Ich kann versuchen zu vermitteln, zuzuhören, ausreden lassen, Brücken schlagen um in den Austausch zu kommen.

    Ich kann und will nicht Partei ergreifen - weder für Israel, noch für die Bevölkerung der PalistinenserInnen. Ich ergreife aber Partei für die Würde des Menschen!!! Für Menschlichkeit und bedingungslosem Mitgefühl wie du es im letzten Satz so schön geschrieben hast.

    Wir sind doch alle vom Gleichen erschaffen, sind sein Abbild, er hat liebevoll etwas von sich selbst in uns gelegt… wir sind alle von der gleich wertvollen Essenz! Ich kann mir vorstellen, dass alles viel mehr miteinander verbunden und verwoben ist als wir meinen.

    Wenn Gott der perfekte Vater sein soll, als den er in christlichen Kreisen dargestellt wird, frage ich mich, ob denn ER Partei ergreifen würde für eines seiner Kinder… ich hinterfrage, ob ER wirklich eines dieser Völker bevorzugt und mehr Gunst hat… Und schlagt mir bitte jetzt nicht das alte Testament um die Ohren!

    Ich verbleibe mit folgendem Zitat von Rumi: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“

    Alles Liebe & Gute

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Und schlagt mir bitte jetzt nicht das alte Testament um die Ohren!"
      Vielleicht gibt es Antworten darauf in der Offenbarung? Das wäre zumindest nicht aus dem alten Testament, sondern aus dem neuen Testament.

      Löschen
    2. Hey, wie schön, dass du nochmal vorbeischaust und vielen Dank, dass du dein hier Herz teilst! So wertvoll. Du bringst mich weiter ins Nachdenken. Über die Frage der Erwählung und Parteilichkeit Gottes. Ersteres glaube ich von Herzen, für das Volk Israel. Allerdings gründet sich Gottes Erwählung nicht auf unserer Besonderheit, unsere Unfehlbarkeit oder Größe (und deshalb- wie Paulus darüber argumentiert- können wir uns nichts darauf einbilden!). Er erwählt Israel auch aus dem Grund: "In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf den Erde." Sorry, doch ein bisschen altes Testament, aber nicht zum um die Ohren schlagen! ;-)Dort sehe ich noch eine andere tröstliche Spur: Er offenbart sich Hagar und Ismael in ihrer Not als "Gott, der mich sieht!". Ismael ist nach der islamischen Tradition der Stammvater aller Muslime. So ist auch über den Menschen in Gaza diese liebevolle Zusage: der Gott, der mich sieht. Wie über dem VOlk Israel die Zusage steht, dass Gott treu bleibt, in seiner Liebe. Und wie, durch Jesus, den jüdischen Rabbi, Gottes Gottes Ja über uns allen steht. Zur FRage ob Gott parteiisch ist- da wäre ich ähnlich vorsichtig wie du. Die Geschichte hat gezeigt, dass viel Leid ausgelöst wurde, weil Menschen davon ausgingen, dass Gott sich auf ihrer Seite schlägt(und gegen die anderen). Dass er auf der Seite der Entrechteten zu finden ist und der Nawalnys dieser Welt, das glaube ich aber auch... Es bleibt wohl auch dabei: Wir erkennen nur Stückweise (sind aber so ganz erkannt und geliebt!) Alles Gute zu Dir zurück und der Segen des treuen Gottes Israels und der Vater über uns allen!

      Löschen
    3. Noch ein Gedanke:-): Ich glaube der krasse Antisemitismus, der sich durch die Jahrhunderte zieht, hat auch etwas mit dieser Erwählung Israels zu tun. Sehr hilfreich fand ich zu all dem die Gedanken von Johannes Hartl: https://www.youtube.com/watch?v=u8inKrinhPE&t=389s

      Löschen
  4. Sehr schön geschrieben!
    Und Jesus als der Friedefürst möchte allen Menschen Frieden ins Herz geben. Egal auf welcher Seite sie stehen.

    AntwortenLöschen