Dienstag, 7. November 2017

Warum ich ein bisschen wengier "Tante Erna" sein will

Heute morgen ist mein Mutterherz ein wenig schwer. Samu hatte einen tränenreichen Start in die Schulwoche. Ich habe es schon befürchtet. Immer wieder hat er in den Herbstferien sorgenvoll gefragt: "Mama, wann muss ich wieder in die Schule gehen?" und freudig gestrahlt wenn er erfahren hat, dass  ihn noch ein paar Nächte von diesem  Tag des Schreckens trennen. Nun aber war es soweit: Ferien vorbei, Ranzen packen - es geht in die Schule! Wie ein Mückenschwarm umkreisen viele kleine Ängste und Sorgen die Kinderseele: Was wenn die Lehrerin mit mir schimpft? Wenn ich zu spät komme? Wenn ich weinen muss, weil ich die Hausaufgaben nicht verstehe? Wenn der Relilehrer wieder nicht weiß, dass ich nach der Schule nach Hause darf und mich in den Hort schicken will? (mit Entsetzen hat er neulich in einer Liedzeile vernommen, dass Gott unser Hort ist - das klingt in seinen Ohren wie eine Drohung! ;-)) Um es kurz zu machen: Es war ein tränenreicher Abschied am Schultor. Und wie der kleine Kerl so ganz alleine und leise schluchzend auf die große Schule zugesteuert ist, wäre ich ihm am liebsten nachgerannt mit den Worten: "Ach komm, du darfst wieder mit mir nach Hause gehen. Wir finden eine andere Lösung, wenn dir das hier solche Angst macht."
Ich muss da immer an meine Großtante Erna denken, die nach dem ersten Tag im Kindergarten ihren Sohn gefragt hat ob es ihm denn gefallen hat. Auf seine verneinende Antwort hin meinte sie einfach kurz: "Dann musst du auch nicht mehr hingehen." Damit war die Sache mit dem Kindergarten für ihn gegessen. Das nenne ich mal eine schnelle Problemlösung. Haha. Aber leider funktioniert ja das im Leben meistens nicht so. In unserer wunderbaren und gefallenen Welt beginnen ganz viele Tage mit angstvollen Gedanken und großen und kleinen Schwierigkeiten, an denen kein Weg vorbeigeht. 
Ich gestehe: Ich würde die Sache ganz gerne im Tante-Erna-Style lösen. Zumindest scannt mein Gehirn sofort die Suche nach Problemlösungen ein. Wie könnte ich das Ganze für ihn leichter machen?  Nichts gegen Problemlösungen und erleichternde Maßnahmen (und eine richtige Schulangst ist definitiv ernstzunehmen!) aber ich ahne, dass an erster Stelle jetzt die große Herausforderung steht, das Leben, wie es nunmal ist, zu bejahen. Manchmal gelingt das auf Anhieb, manchmal muss man ein Stück Weg dazu gehen. Und vielleicht braucht der kleine Sohn dieses morgendliche Kämpfe, die Auflehnung, um zu seinem JA zu kommen. Und für diese Wegstrecke braucht er eine Mutter, die ihm diese Kämpfe zutraut und sie mit ihm aushält und die nicht innerlich schon nach Lösungen sucht, wie alles einfacher werden könnte.  
Ach, wie gerne bin ich diejenige die bei Lösungen hilft, die Situationen auflösen, oder zumindest leichter machen kann. Für Freunde und Weggefährten, die durch schwere Zeiten gehen. Für Probleme aller Art: Ich bin für die schnelle Lösung! Ich bete gerne um ein kraftvolles Eingreifen Gottes, das die Schwierigkeiten mal eben so beseitigt.  Und dann denke ich an den Satz von Paul Tornier: 
 Der mühevolle, oft mit Mißerfolgen gepflasterte Weg, wird uns zum Menschen erziehen.
Das ist ein ganz schöner Brocken, den dieser Schweizer Psychotherapeut da zu schlucken gibt. Aber vielleicht steckt hier mehr Wahrheit und Nahrung für unser Leben drin, als in den vielen gutgemeinten Sätzen, die darauf abzielen unser Leben leichter zu machen. Passend dazu höre ich gestern eine Predigt von Johannes Hartl, in der er die Sorgen von manchen  Älteren (und wahrscheinlich vielen Eltern) beschreibt: Ach, wir dürfen unsere jungen Leute doch nicht so überfordern!, und er antwortet darauf: "Wir überfordern sie nicht, wir rufen sie zur Größe!" Wow. Vielleicht geht es tatsächlich darum: Gott ruft uns zur Größe! Er erzieht uns zu Menschen die mitfühlend, mutmachend, ausdauernd hoffnungsvoll, und mit weitem Blick nach vorne durchs Leben gehen. Das wünsche ich mir für Samu. Für mich. Für uns alle. Und da gibt das Leben mit all seinen Herausforderungen manchmal genau die richtigen Zutaten dazu.
Deshalb: auch wenn es mir wirklich, wirklich schwerfällt, ich will mir vornehmen, ein bisschen weniger "Tante Erna" zu sein. Nicht nach schnellen Lösungen und Abkürzungen suchen; keine einfachen Erklärungen und Beschwichtigungen warum der schwierige Weg bestimmt nicht der Weg Gottes ist. Ich will dieses Leben meinem Sohn, und den Freunden die gerade am kämpfen sind, zutrauen. Vielleicht ist dieses Erleben, dass wir schwierige Zeite durchstehen können und mit Gottes Hilfe zu Überwinder werden, so viel wichtiger als ich das ahne. 
Ich will lernen auch auf die Tage anzustoßen, die unter Tränen beginnen. L`chaim! Auf das Leben, das unseres ist. Hier und heute. Darauf, dass Gott mit uns ist, und uns am Ende des Tages zu Überwindern macht.




Heimatdorf von Tante Erna und von mir





Weitsprungkontest für Überwinder:-)

Hasensprung...

nur Waldmaussprung- aber mit hohen Absätzen!

Lesung mit Hustenanfall -  schön wars bei  euch!!!
auf allen deinen Wegen, geht dein guter Vater mit.

10 Kommentare:

  1. Liebe Christina,

    vielen Dank für Deine tollen Texte - für diesen hier besonders. Es ist echt beeindruckt, mit wieviel Weisheit Du Alltagserlebnisse deuten und einordnen kannst.

    Liebe Grüße,
    Myriam

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    1. Danke, liebe Myriam! Ja, die Weisheit die muß noch ein bisschen mehr im Alltag ankommen, aber ich arbeite dran:-). Segensgrüße zu Dir!!!

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  2. ich bin begeistert! Endlich jemand, der diese Seite von Schwierigkeiten sieht und wahrnimmt! Samuel wird sich an deiner Haltung halten können! Mir tut sie gerade sehr gut! Danke

    was mir noch einfiel: es ist auch eine Chance zu schauen, wie wenig der Befürchtungen von dem kleinen Kerl eingetroffen sind und sich nicht an Sorgen festzuklammern, weil es einmal "schief" ging. ich habe eine SorgenMaus und wir schauen ganz bewusst nach Ängsten du wie es "dann" in echt wurde ...Langes üben...
    Heute macht sie es selbst:)( mit 19 Jahren)

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    1. Steffi, das mit der Sorgenmaus ist spitze!!! Wir machen das seit zwei Abenden (lustigerweise hat mich Samu beim letzten IKEA-Besuch dazu überredet eine kleine Stoffmaus zu kaufen). Er erzählt ihr seine Sorgen die er hatte und die Maus erzählt auch ihre eigenen und dann lachen sie zusammen und sind froh, dass so wenig - bis gar nichts- davon eingetreten ist. DANKE! Es tut so gut wenn wir von eurer Erfahrung profiteren können, ihr Mamas von größeren Kindern! Gnaz liebe Grüße!!!!

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  3. Ganz großes Kino, dieser Beitrag, Christina!! Ich kann total mitfühlen, wie sehr Du Dich über eine schnelle Lösung für Deinen Sohn freuen würdest- ich bin da ganz genauso gestrickt und halte Spannung nicht so gut und gerne aus (am allerwenigsten, wenn es um meine Kinder geht!!!). Aber Du hast so recht und mir dämmert es in letzter Zeit auch immer öfter, dass das Leben nun mal kein Ponyhof ist und auch kein Tante-Erna-Laden (Deine Tante in allen Ehren- ich denke, dass sie bestimmt auch viele tolle Eigenschaften hatte oder hat!). Unsere Kinder immer vor allen Tränen und Schwierigkeiten zu bewahren würde uns Eltern vielleicht ruhiger machen. Aber reife, selbständige Personen könnten sie dann nicht werden. Und möglicherweise würden wir sie dann auch nie da ankommen, wo Gott sie haben möchte. Also ganz viel Zustimmung von meiner Seite- Du hast das wirklich total gut erkannt und formuliert.
    Viele liebe Grüße und viel Segen und Geduld für Dich und Samu- ich wünsche ihm, dass er durchhalten und gute Erfahrungen machen wird!!!
    Barbara

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    1. Danke liebe Barbara für deine Worte! "Das Leben ist kein Ponyhof und kein Tante-Erna-Laden" - wie wahr :-). Ich schick Dir auch liebe Grüße zurück und Segen und Weisheit und Überwinderkraft für euch als Familie!!!

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  4. Liebe Christina, mir wird das Herz ein wenig schwer, wenn ich das lese... Doch ich weiß, das liegt vor allem an meinen eigenen Erfahrungen. Mein viertes Kind habe ich nicht so fröhlich einschulen können, wie ich es gern getan hätte. Die Erfahrungen... Doch nun geht mein Sohn voll Freude jeden Tag dorthin und ich staune. Ich wünsche deinem Sohn sehr, dass er daran wächst. Vielleicht hast du ja Lust, auf meinem Blog die ersten beiden Artikel zum Thema Schule zu lesen. Teil 1 "Die Sache mit der Schule" https://familienlebenmitgott.wordpress.com/2017/09/08/die-sache-mit-der-schule/, Teil 2 "Schule - Pflicht und Wahl" https://familienlebenmitgott.wordpress.com/2017/10/06/schule-pflicht-und-wahl/ Im Dezember folgt der dritte Teil "Wie wir unsere Kinder durch die Schulzeit begleiten können", der mir besonders am Herzen liegt. Ganz liebe Grüße von Martha

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    1. Danke Martha für deine interessanten Gedanken in den Posts (Bin gespannt auf den Artikel im Dezember!). Du has ja schon ganz viel Erfahrungen und Gedanken dazu. Da kann ich einges lernen. TOll, dass du das teilst. (und das mit dem Moms in Prayer find ich auch ne super Idee!!!). ganz liebe Grüße zurück zu Dir!!!

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  5. Oh, ich bin auch eher eine Tante Erna! Hin- und hergerissen bei der ganzen Betreuungs-(oder eben Schul-)sache. Ich nehme das Weinen unseres Sohnes ernst und mir sehr zu Herzen. Wie oft denke ich nach dem Winken darüber nach, ob das jetzt wirklich der richtige Weg für ihn und uns alle ist... deinen Artikel hier werde ich sicher noch häufiger lesen...

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    1. Danke Nadine für deine liebe Rückmeldung! Da werden wir wohl weiter zusammen hin- und hergerissen unseren Kindern nachwinken und uns gegenseitig Mut machen, ihnen das Leben zuzutrauen. Segen und liebste Grüße zu Dir!!!

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