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Mittwoch, 24. Mai 2017

Warum ich dich immer dahin mitschleppe.

"Es ist Zeit," sagt Heio, mit dem Blick zur Uhr."Wir müssen los!"
Oh nein, denke ich, blinzle in die Sonne und kann mich kaum von der Picknickdecke wegbewegen, auf der ich liege. Ich bin noch mitten im Gespräch mit einer Freundin. Und im Kopf hämmert es schon seit dem Aufstehen und eigentlich würde ich gerne für den Rest des Tages nur auf dieser Picknickdecke liegenbleiben. Aber es ist Sonntag. Und Zeit für den Gottesdienst. Also packen wir zusammen, verabschieden uns von den Freunden (die leider nicht mitkommen wollen) und nehmen den kleinen Sohn mit, der auch nicht mitkommen will. Die Aussicht, dass wir heute gemeinsam mit einer kleinen brasilianischen Gemeinde den Gottesdienst feiern, macht es auch nicht besser. Ich fürchte es wird anstrengend, viele neue Leute... kurz überlege ich noch Zuhause zu bleiben. Dann gehe ich doch mit. Schon alleine aus Solidarität mit dem Rest der Familie. 
Und dann sind wir auch schon mittendrin. Weggefährten umarmen. Und Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen habe, die aber auch wegen Jesus hier sind. Dann der Lobpreis: Portugiesisch und deutsch. Kraftvoll und laut. Eine sprudelnde Freude steigt in mir auf. Ich schaue in die bekannten und unbekannten Gesichter und weiß: wir gehören zusammen. Familientreffen. Samu löst sich von meiner Hand und tanzt neben einem kleinen, braslianischen Mädchen mit den schönsten roten Lackschuhen. Wir segnen die Kinder für ihren Gottesdienst. Sie haben sich spontan an den Händen gefasst, was mich irgendwie total berührt.


Und dann erzählt Achim dass seine Abteilung beim Daimler  nach langem hin und her wundersamerweise nun doch nicht wegrationalisiert wird. Gemeinsam jublen wir über einen Gott, der Gebete erhört. Und spätestens nach seiner Predigt bin ich einfach nur dankbar, dass ich nicht auf der Picknickdecke liegengeblieben bin. Das leckere Essen danach und die guten Begegnungen sind dann noch die Zugabe.





Mit vollem Magen und erfüllten Herzen fahren wir mit dem Rad nach Hause. Samuel ist total verschwitzt vom Toben mit den Kindern und zeigt mir stolz was er gebastelt hat. "Hat es dir doch gefallen?", frage ich ihn, beim ins Bett bringen.  Er nickt. "Ja, so mittel!" Mittel ist in Ordnung, finde ich. (das meiste ist bei ihm gerade so mittel :-)) Wir beten zusammen und ich bekomme den schönsten, friedlichen Kinderkuss auf die Wange gedrückt. Einige Zeit höre ich ihn noch vor sich hinsingen: Gott du bist stärker, Gott du bist größer, als alles andere..." Dazu hat er heute getanzt. Lächelnd lasse ich mich aufs Sofa sinken. Und sage: "Danke Gott. Für deine Familie."

Ich weiß nicht an was Samu sich später erinnern wird. Vielleicht an schöne Ausfüge? Urlaub am Meer? Tägliche Fahrradwege an Hühnern und Räuberhöhle vorbei? Eine Mama die oft mit Schmerzen im Bett lag? Bücher lesen und Michel schauen? An die Bibelgeschichten? Gemüse pflanzen mit Papa? Quatsch machen am Frühstückstisch? An seine tollen Erzieherinnen in der Kita? An Gartenparties? Sabbatkerze anzünden? Streitigkeiten (und Spielzeugkoffer die als Konsequenz kurzfristig in den Keller wandern)? An die Freunde aus der Gemeinde? Das Beten abends im Bett? Ans Stau spielen? An die Zuversicht, dass Gott stärker und größer als alles andere ist? Vielleicht von allem ein bisschen. Wir stecken gerade mitten in der Geschichte seiner Kindheit. Und wir fügen täglich neue Kapitel dazu. Zur Zeit stellt er viele Fragen über Gott. Manches kann ich ihm erklären. Einiges verstehe ich selbst nicht. Und manches schreibe ich ihm auf, weil er es vielleicht erst später verstehen wird.  Einen Brief an Samu landete im neuen Buch. Zu seiner Frage, warum wir ihn Sonntags denn immer mit in die Gemeinde schleppen. Einen kleinen Teil davon darf ich hier für euch schon abdrucken. (den Rest gibts dann Mitte August :-)).

Lieber Samu!
Letzten Sonntag hast du dein Missfallen darüber ausgedrückt, dass du mit uns in den Gottesdienst kommen solltest. Genaugenommen hast du es mit aller Deutlichkeit, zu der ein Fünfjähriger fähig ist, gesagt, dass du heute nicht „zu den Sch...Jesusfreaks“ mitwillst. Aus zwei Gründen habe ich dich trotzdem mitgenommen: Erstens bist du noch nicht alt genug, um dich alleine zu Hause lassen zu können, und zweitens weiß ich ziemlich genau, dass es dir, wie jedes Mal, richtig gut gefallen wird. Mir geht es übrigens oft auch so. Wenn Papa nicht immer sagen würde: „Lass uns hingehen!“, würde ich manches Mal auch lieber zu Hause bleiben. Aber wir gehen hin. Jeden Sonntag. Ich hoffe, du siehst daran, dass uns diese Sache mit Jesus und seiner Familie wirklich wichtig ist. Ich hoffe, dass du dich auch noch dann daran erinnerst, wenn du selbst viele andere Dinge findest, die man am Sonntag sonst noch so unternehmen könnte. Vielleicht warst du dann oft genug dabei, um zu spüren, was das Besondere an dieser Familie ist.
Als du erst ein paar Wochen alt warst, haben wir dich im Gottesdienst segnen lassen. Die Leute aus der Gemeinde haben einen großen Kreis um uns gebildet und der eine oder andere hat mit seiner Hand deine kleinen Füße oder deine winzigen Finger umschlossen und dir ein Segenswort zugesprochen. Ich war eine ziemlich müde und immer leicht überforderte Mama in deinen ersten Lebensjahren. Was mir von Anfang an klar war: Alleine würde ich das alles nicht hinbekommen. „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“, sagt man und ich glaube, es braucht eine ganze Gruppe von Menschen, die Jesus lieb haben, dass du ein wenig von dem Reichtum und der Größe Gottes ahnen kannst. 
Ich nehme dich jeden Sonntag mit, weil ich möchte, dass du siehst, wie wir zusammen Jesus anbeten. Ich möchte, dass du erlebst, wie deine Mama ein bisschen gelöster und friedlicher wird, nachdem sie das Abendmahl empfangen hat. Ich möchte, dass du siehst, wie wir Menschen umarmen, die ganz anders sind als wir, und dass du weißt, dass sie auch zu unserer großen Familie gehören. 
Ich will, dass du ganz viele Geschichten über Jesus hörst – nicht nur von mir, sondern auch von wunderbaren Kindermitarbeitern – weil wir ihn so toll finden und ich mir wünsche, dass ihr beide Freunde werdet. Und ich sehe schon, dass das passiert. Wenn irgendjemandem etwas wehtut oder du merkst, dass wir ein Problem haben, dann bist du der Erste, der sagt: „Mama, warum betest du denn nicht?“ Du erinnerst mich daran, warum ich glaube. Du hilfst mir, in meinem Alltag Jesus nicht zu vergessen. Ein bisschen so geht es mir mit der Gemeinde: Sie erinnert mich jeden Sonntag daran, warum ich glaube. Sie hilft mir dabei, Jesus nicht zu vergessen. Sie erinnert mich daran, dass ich Gnade brauche und Vergebung und ich mag es, wenn du uns dabei zuschaust und wie du Teil dieser kleinen, unperfekten Familie bist...
..Ich hoffe, dass du weißt und erlebst, dass ein Platz für dich frei ist an Gottes Tisch. Ein Leben lang. Egal was passiert. Und wenn ich oder dein Papa mal nicht mehr in der Nähe sein sollten, um dir das alles zu sagen, dann hoffe ich einfach, dass du immer eine Familie um dich haben wirst, die dich an all das erinnert... dass sie dir jederzeit die Hände auflegen wird, um dich zu segnen, so wie es schon am Anfang deines Lebens war. Ich glaube, wir brauchen einander, um den Weg mit Jesus bis zum Ende zu gehen. Bis wir uns alle wiedersehen bei ihm. Die ganze große Familie. Das wird ein Fest – und du liebst es doch zu feiern! Wegen all dem schleppe ich dich jeden Sonntag mit. Das ist ein bisschen viel, um dir das alles jetzt zu erklären, ich weiß. Aber ich hoffe, dass du es irgendwann verstehen wirst, und dass du froh darüber sein kannst. Ich liebe dich. Immer. Du bist ein Segen. Und du sollst immer gesegnet sein.
Deine Mama

(© 2017 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn,Christina Schöffler: Kinder, Kinder, in Warum ich da noch hingehe. Die Kirche, Jesus und ich)


13 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben. Als Kind, dass auch immer 'mitgeschleppt' wurde, kann ich sagen- es lohnt sich. Auch heute muss mein Mann mich manchmal hinschleppen (oder umgekehrt), und ich habe feststellen dürfen: an Tagen, an denen ich hingeschleppt werden muss, brauche ich Jesus besonders.
    Danke für deine tollen Worte.

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    1. "An Tagen, an denen ich hingeschleppt werden muss, brauche ich Jesus besonders." - was für ein wertvoller Gedanke!!! Danke, liebe Lisa! Herzlichste Grüße zu dir und dass wir immer mal wieder den "Segen des mitgeschleppt-werdens" erleben :-)

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  2. So ein schoener Brief! Nach den letzten Saetzen kamen mir die Traenen - und das im Buero (immerhin Kirchengemeinde, geht also!) in meiner kleinen Mittagspause!
    Es ist toll, in den Weiten des Internets solche Blogs zu finden, mit solch wunder-vollen Worten.
    Du bist ein Segen, und auch Du sollst gesegnet sein, immerdar!

    Liebe Gruesse in meine Heimat,
    Kathrin aus London

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    1. Liebe Kathrin! Vielen Dank für diese wunderschöne Rückmeldung. (und das Buero einer Kirchengemeinde ist genau der richtige Ort um darüber zu lesen - und ein bisschen zu weinen...)Liebste Grüße zurück nach London! Danke für deine Segensworte!!!

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  3. schön- ich werde es meinen jungen Mummy ausdrucken wenn ich darf. ich habe das genauso empfunden und gefühlt und lasse gerade das erste Kind los zum Erwachsen sein. Alle Kinder " Mussten" mit- weil es ihnen so viel gegeben hat so eine bunte und starke Familie zu erleben!

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    1. "Eine bunte und starke Familie!" - wie schön!
      Und das Loslassen zum Erwachsenwerden ist sicher nochmal eine ganz andere Nummer... wenn wir nicht mehr "mitschleppen" können, sondern nur noch mit offenen Händen lieben. Da werde ich dann von Müttern wie dir lernen. (und denke mal das mit dem ausdrucken ist völlig ok, mit Hinweis auf das Copyright, Grüße an die Mammies! :-))

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    1. :-) ...und wie gut, dass ihr auch meistens da seid!!! Da fällt das "Mitschleppen" leichter! Für uns alle.

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  5. Du schreibst wunderbar und die Vorfreude auf Dein neues Buch wächst! Ich bin dankbar, dass unsere Kinder zumindest bis zu ihren Jugendjahren auch vom Gemeindeleben und der Gemeinschaft mit der "erweiterten Familie" geprägt wurden. So dürfen wir auch jetzt, im Loslassen (sie sind inzwischen 15,19 und 21) darauf vertrauen und teilweise bereits sehen, dass die Saat der ersten Jahre nicht umsonst war. Freiheit ist für uns zu einem hohen Wert geworden, der beinhaltet, dass sie keine Schuldgefühle entwickeln brauchen, wenn sie (zunächst) andere Wege wählen oder andere Proritäten setzen, als wie es uns vielleicht erhoffen, doch bedingunglose Liebe schafft einen fruchtbaren Boden, in dem auch so manche von mir geschriebene Worte wie Saatkörner zur rechten Zeit keimen können. Möge Dein Brief so ein wertvoller Same sein!

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    1. Danke liebe Vera, für diese weisen Worte! Ja, bei Jesus ist so viel Freiheit!... dass wir kommen und gehen können und immer wieder eine offene Tür finden - egal wie lange wir weg waren. Dass unsere Kinder das erleben, das hoffe und bete ich. Wie gut, dass Mütter wie du uns da vorangehen! Segen für dich und deine Familie und - wie du es geschrieben hast: mögen unsere Saaatkörner zur rechten Zeit aufgehen.

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  6. So berührend dieser Brief! Danke dass du deine Gedanken mit uns teilst!

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    1. Danke für diese ermutigende Rückmeldung!!! Liebste Grüße und Segen zu Dir zurück!

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  7. Liebe Christina,auch unsere Kleinen schleppen wir noch in den .Gottesdienst.Natürlich ist es nicht gerade m odern in unserer freien,aufgeklärten Zeit.Aber es ist unser Gott und Vater,der uns hält und trägt und uns seine Kinder nennt
    Eine umserer Töchter ging mal im Schlafanzug in den Gottesdienst...Außer uns hats niemand gemerkt.Das Leben ist bunt und natürlich lacht und die Welt aus,aber Gott lacht uns an.Er freut sich,wenn wir kommen.
    Danke für Deinen Blog Maria

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