Mittwoch, 1. Juni 2016

Erste Hilfe: Beten.



Am Wochenende im Schwarzwald: Samus Gesicht ist tränenüberströmt. Beim Waldspaziergang hat er in die Brennesseln gegriffen. Heio, der Naturdoktor, sucht hektisch nach Spitzwegerich  - soll angeblich den Schmerz lindern? -  ich puste, singe und versuche ihn mit Schokolade abzulenken. Nichts klappt. Er schluchzt weiter und dann bricht es aus ihm raus: "Warum betet denn niemand?" Ich muß fast lachen und gleichzeitig fühle ich mich ertappt und denke wieso ich nicht selbst drauf gekommen bin. 
Eine Freundin hat mir neulich eine ähnlich Geschichte von ihrem kleinen Sohn erzählt: Sie waren bei Mc Donalds (wo wir ja niemals hingehen würden, haha) und dem Jungen blieb eine Pommes im Hals stecken. Panik. Rücken klopfen. Kind schütten. Nichts hilft. Da streckt der Kleine verzweifelt seine Arme aus und sein Ruf hallt durch das gesamte Schnellrestaurant: "BETET!!!" Auch hier: ich musste erstmal lachen als ich die Geschichte gehört habe.(und Gott sei Dank ging auch alles gut aus!) Aber vielleicht brauchen wir die Erinnerung unserer Kinder was  zu einer wirklich guten ersten Hilfe gehört: Beten. 

Wie schnell bin ich dabei loszurennen und alles Mögliche zu veranstalten anstatt das Nächstliegende zu tun: einfach mal kurz Jesus um Hilfe bitten. 
Wie oft höre ich den Klagen und der Not von jemand zu und komme überhaupt nicht drauf jetzt einfach zu beten.  
Aber ab und zu geht es  mir dann so als würde mich innerlich jemand wachrütteln und rufen: BETE! Und inzwischen bin ich lange genug mit Jesus unterwegs dass ich weiß: das ist kein netter Vorschlag das Thema heute in mein Abendgebet mit einzubeziehen oder meinem Gegenüber einen netten, unkonkreten Hinweis zu geben wie etwa: Ich denk an dich! Nein. Es ist die Aufforderung, meinen Mut zusammenzukratzen und zu fragen: Darf ich für dich beten. Für den Kollegen mit Liebeskummer. Für den Bekannten der gerade seinen Job verloren hat. Für den Mann der in der Reihe hinter mir sitzt und atmet, als würde er gleich ersticken. Für die Erzieherin mit ihren Rückenschmerzen. Und jedes Mal konnte ich dann erstaunt feststellen: die meisten Leute finden das gar nicht blöd - selbst wenn sie ansonsten mit Jesus nicht viel am Hut haben. Vielleicht liegt es daran, dass sie ähnlich verzweifelt sind wie unsere Kinder und deshalb schütteln,  pusten und sogar beten in Kauf nehmen. Und nach einem kurzen Gebet und einem zitternden Amen meinerseits ist da dieser kleine verblüffte Moment - als hätte Jesus seine Arme um uns gelegt und wir merken: Er ist da. 
Auch wenn der Schmerz vielleicht noch da ist, die Situation noch nicht gelöst ist - die Sache liegt jetzt in den Händen des besten, liebevollsten Arztes der Welt.



Als Krankenschwester fürchte ich mich ja immer ein bisschen davor in eine Erste-Hilfe-Situation zu kommen, wenn gefragt wird: ist hier ein Arzt oder eine Krankenschwester? Jedes Mal würde ich am liebsten sitzen bleiben und ich hoffe inständig, dass ein Arzt da ist (für mich, aber vor allem für den Patienten!). 
 In einem ICE hat es lange gedauert bis sich ein Arzt zu mir und der Frau mit Herzinfarktsymptomen durchgekämpft hat. Und auf einer Fähre von Irland nach Schottland war nur ein Medizinstudent im ersten Semster da. Und ich. Und ein Haufen betrunkener Fußballfans. Und ein kleiner Junge mit gebrochenem Schlüsselbein. 
Ehrlich gesagt konnte ich in beiden Fällen nicht viel tun. Vor allem ging es darum da zu sein. Ein bisschen kompetent zu wirken und zu beruhigen. (auch wenn ich innnerlich ganz aufgelöst war) Hände halten. Dem ankommenden Notarzt kurz berichten und ihm die Situation übergeben. Klingt doch sehr nach etwas was ein Beter tut, oder? Da sein. Kompetent wirken, haha. Beruhigen. Den besten Arzt der Welt ansprechen und die Situation ihm übergeben. 
 
Ein kleiner Satz:

"Darf ich beten?" 

Und damit übergeben wir an Jesus. 

Und dann lassen wir uns zusammen umarmen.

Der Tröster ist immer in Rufbereitschaft.

Im lauten Ruf durch`s Restaurant: "BETET!", in Samuels verzweifeltet Frage: "Warum betet denn niemand", höre ich etwas von Gottes sehnsüchtigem Herz.  Warum wir nicht öfters zu ihm rennen. Mitten im Gespräch. Warum ich erstmal tolle Tipps und Ablenkungsversuche vorziehe bevor ich ihn dazuhole.  Warum ich mir den Kopf darüber zerbrechen was passiert wenn nichts passiert und ich mich frage ob das jetzt nicht total peinlich ist hier zu beten (auf so eine Frage gibt es ja nur eine angemessene Antwort: Scheiß drauf!).  
Warum tue ich nicht einfach das was eine gute Krankenschwester tun würde: Arme um den anderen legen, Vitalzeichen aufnehmen und dann den Arzt rufen. Der Rest ist dann seine Sache.

Und wer weiß: vielleicht spricht sich das Ganze dann ein bisschen rum und bald wird nicht nur nach einer Krankenschwester oder einem Arzt gefragt wenn Erste Hilfe nötig ist. Vielleicht heisst es dann über Lautsprecher: "Sind irgendwelche Beter hier?" Und dann springe ich auf. Versprochen :-).
 


6 Kommentare:

  1. Man weiß echt nicht ob man lachen oder weinen soll. "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder"...
    Das Gleiche wie dein Sohn hab ich auch schon zu meinem Mann gesagt als es mir gesundheitlich mal ganz schlecht ging. Er war ziemlich hilflos, und ich wollte einfach nur dass er betet, weil ich es selbst in dem Moment nicht konnte.
    Den letzten Absatz finde ich ganz toll - was für ein Gedanke! Das möchte ich mal erleben.
    Liebe Grüße und wieder mal danke dass du hier so gute Andachten schreibst ;-)
    Angela
    PS: Ich hoffe ich kann zu deiner Lesung nächste Woche in Esslingen kommen. Willst du nicht mal hier dafür werben? Hab den Termin nur durch Zufall hier im Menü gefunden. Schade für alle, die gern kommen würden und es nur nicht wissen!

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    1. Danke Angela- immer schön von dir zu hören! Und schön wenn wir uns am freitag sehen!!! :-) GlG! Christina

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  2. das hat mich sehr berührt....
    Danke!
    LG Ursula

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  3. Danke! Und ja, lasst uns beten! Bis Sonntag, oder bereits morgen!? Ich glaub ich muss nochmal mit Heio telefonieren...!

    Grüsse!

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  4. So süß von deinem Sohn, Christina! :)
    Mein Bruder musste diese Woche wegen einer OP ins KH und als mein Sohn diese Nachricht in der Eisdiele mitbekam, betete er direkt für seinen Onkel. Die Kellnerin kam gerade mit dem Eisbecher und ich saß schon etwas nervös auf dem Stuhl, während er in aller Ruhe betete ;)
    Ich freue mich so sehr, dass wir als Mütter so viel von unseren Kids lernen können!

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    1. Ach, wie toll von deinem SOhn! :-). Hoffe dein Bruder hat die OP gut überstanden...Liebste grüße zu Euch!

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