Seiten

Montag, 7. März 2016

Landebahn

Seit einigen Wochen ziehe ich - für meine Verhältnissen unglaublich konsequent - jeden Abend eine klare Grenze und lasse den Fernseher aus (außer am Sonntagabend - ok, doch nicht so konsequent ;-)). Die Flimmerkiste hatte sich in meinem Leben mal wieder viel zu breit gemacht und ich spürte, dass es mir nicht gut tut. Dass ich damit die Tagesschau verpasse und die Nachrichten nur am Radio höre ist ein ungeplanter, postiver Nebeneffekt. Jetzt erst merke ich wie sehr mich die Bilder aufgewühlt und mit einem Ohnmachtsgefühl und diffuser Angst durch die Nächte begleitet haben. Ganz langsam lerne ich wieder vertrauensvoller für unsere Welt zu beten.
 
Allerdings geht es mit der freigewordenen Zeit wie mit jeder Fläche die ich in unserer kleinen Wohnung freiräume: Heio kommt mit einem Stapel Bücher, Samu bringt Autos und alles was ihm sonst gerade gefällt und ruckzuck ist die leere Fläche ist wieder voll. DAS MACHT MICH WAHNSINNIG! Ich räume alles wieder zur Seite und schimpfe dabei böse vor mich hin: " In dieser Wohnung hat man einfach keinen Platz zum Atmen!"  

ich erspare euch den Blick in Regale und Schubladen!
Und genauso geht es mir am Abend. Ruckzuck wird  die freie Fläche wieder ein Tummelplatz für anderen Dingen. Das weltweite Netz versucht mich zu einzufangen. Ich klicke mich hungrig von paar Blogs über die Seitenaufrufen auf meinem eigenen Blog, schaue kurz nach ob bei Amazon meine Bücher verkauft werden und lande dann noch bei  einen Artikel zu einem Thema das mich eigentlich nicht wirklich interessiert. Oder ich entdecke in der Bücherei eine Trilogie meine liebste finnischen Krimiautorin. Oder mir fällt ein dass ich ganz DRINGEND und GENAU HEUTE ABEND jemand anrufen sollte bei dem ich mich seit Monaten nicht gemeldet habe. Oder ich könnte wenigstens noch den Boden wischen (dann habe ich das morgen früh schon mal weg!) oder die Wäsche zusammenlegen. Ach, alles Dinge die ja gar nicht mal schlecht sind. Schlecht ist es nur wenn es in meinem Leben keine Freiräume gibt. Leere Flächen. Dann geht es mir wie in einer überfüllten Wohnung: Ich fühle mich kurz vor dem ersticken.  

Also versuche ich wieder Grenzen zu ziehen. Internet nur morgens. Abends nicht mehr putzen und Kontakte pflegen, wenn ich eh schon total übermüdet bin. Krimis erst vor dem Einschlafen lesen. Gute Sachen in der richtigen Reihenfolge versäumen (Tomas Sjödin) und die freigewordene Fläche am Abend ab und zu tatsächlich richig FREI zu lassen. Manchmal um dann mit Heio eine Runde zu spielen oder in Ruhe über ein Thema reden was wir sonst nur in der Alltaghektik oder im Streit streifen. Oder einfach nichts tun. Still werden. Vor Gott SEIN.


Ich glaube wir brauchen das. So wie wir freie Atemwege brauchen. Momente zum Durchatmen. Nicht jede Lücke im Terminkalende füllen. Jeden Raum in unserem Leben ausnutzen. Uns erinnern, wie Greg Boyd es so gut ausdrückt: we are human BEINGS, not human doings. 

Vor Jahren hatte ich einen total eindrücklichen Traum:
Ich stehe irgendwo in einem Dschungelgebiet. Neben mir ein Dorf in dem hektisch Menschen hin und her rennen. Offensichtlich wird Hilfe gebraucht. Es gibt viel zu tun. Menschen in Not. Und was tue ich? Ich drehe dem Dorf den Rücken zu und räume ein bisschen Holz zur Seite. Fege über den Boden. Haue ein paar tiefhängende Äste von Baumstämmen. Und, mitten im Traum, wundere ich mich über mich selbst. WAS UM ALLES IN DER WELT TUE ICH? Warum helfe ich nicht in dem  Dorf mit? Und dann zoomt das Bild nach außen. Und plötzlich erkenne ich, dass ich dabei bin einen Platz für eine Landebahn freizuräumen. Am Horzont taucht ein Hubschrauber auf und ich bin mir plötzlich sicher: Da ist genau die Hilfe unterwegs die hier gebraucht wird. 

Immer wieder kommt mir dieses Bild. Wenn ich denke: Mensch Christina, um dich ist so viel Not.  Du wirst gebraucht! Und du redest vom still werden und nichts tun Und ich will mein müdes Herz antreiben wieder mehr zu leisten und die freigewordene Lücken zügig zu füllen. Und dann erinnert mich Gott wieder an die Landebahn. Und er ruft mich damit an meinen Platz. 

Ich glaube wir haben ganz verschiedene Berufungen (oder es sind die Lebensphasen die uns an verschiedene Orte rufen?)  Keine ist heiliger oder schlechter. Die Welt braucht Menschen die so richtig zupacken können. Sie erinnern mich immer wieder daran meinen Teil, und sei er noch so klein, beizusteuern. Aber die Welt braucht auch die Menschen die sich dazu rufen lassen Platz zu schaffen. Die sich immer wieder ganz bewusst aus dem Tumult ausklinken. Und wir können andere damit erinnern, dass wir so viel mehr sind als das was wir tun oder leisten. Dass wir Atempausen und Freiräume brauchen. Vielleicht klappt kein ganzer Abend. Aber ein paar Minuten am Morgen. Eine kleine Mittagspause zur richtigen Zeit (BEVOR wir erschöpft zusammenbrechen). EIne kleine leere Fläche am Tag. EIne Pause von allem Dringendem. Von allem guten was getan werden kann und muß. Von Posts und Promis und likes. Sich selbst und die Welt aus dem Fokus nehmen. Und hinhören. Nichts weiter tun als nur Mensch SEIN. Vor Gott SEIN. Und damit eine Landebahn schaffen. Damit der Retter kommen kann. Zu mir. Zu einer Welt die ihn so dringend braucht. 


3 Kommentare:

  1. Hast du das Buch von Tomas Sjödin schon gelesen? Hab einen Vorabdruck gelesen und war davon extremst begeistert.
    Seit ich weniger im Internet bin, ist es in mir viel ruhiger geworden. Manchmal erschrecke ich fast, wie gechillt ich bin....Heute: Eine Stunde genüsslicher Mittagsschlaf. Die Folge? Geduld, Ruhe, Liebe. Mal sehen, wie lange es anhält, haha!!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Whow- eine Stunde Mittagsschlaf! Das klingt wunderbar:-). Das Buch hab ich nicht gelesen, klingt aber wirklich gut. Vielleicht kauf ich mir`s als Urlaubslektüre. Grüße zu Euch!!!

      Löschen
  2. Dieser Post hätte nicht besser terminiert werden können! Bin gespannt wie ich die kommenden Tage / Wochen bestehe! ;)
    Versuche deine Gedanken mitzunehmen..!
    Liebe Grüße und Umarmung!

    AntwortenLöschen