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Montag, 30. März 2015

nicht vergessen

 KLEINE BLOGPAUSE.   TIME TO REST and REFLECT...   

  Im Juli geht es weiter!!!   Back in July!



" I need to learn how to be fine, not being fine."
(ich will lernen, dass es in Ordnung ist nicht in Ordnung zu sein).

Diesen Satz schrieb Chrissy auf ihrem wunderbaren blog und er fühlt sich für mich an, wie eine kühlende, heilende Salbe. 
Gäbe es eine Disziplin in "so tun als wäre alles in Ordnung" würde ich jedesmal mit Abstand die Goldmedallie abstauben. Ich kann völlig fertig sein und nach außen wirke ich so als wäre alles in Ordnung (in dem Moment bin ich sogar selbst davon überzeugt!).
Ich will nicht heucheln, aber es ist so als würde ich mir nur ein paar ehrliche Sätze zugestehen, ein paarmal tief Luft holen um dann wieder in Ordnung zu sein. Aber mein Körper, der alte Verräter, fängt an zu rufen und zu schreien und fordert, dass ich endlich lerne, mich besser um mich zu kümmern. 
Und langsam sehe ich auch schon so fertig aus wie ich bin und mein Umfeld macht sich Sorgen. 

Am Samstag kam eine Freundin vorbei und hat mich mit in´s Kino genommen. Ich gehe total gerne in`s Kino- aber gefühlt war ich zuletzt dort, als es noch Stummfilme mit Charlie Chaplin gab. Die Freundin kennt mich gut und ihr Vorschlag war dann auch, dass wir in einen traurigen Film gehen. Wenn es mir schlecht geht, dann gehe ich ungern in eine Komödie, weil ich fürchte, dass es ein schlechter Film ist und ich es anstrengend finde, etwas lustig zu finden was überhaupt nicht lustig ist. Wisst ihr was ich meine?

Also gingen wir in in Still Alice, einen Film über eine Frau, die einen seltenen Fall von früh einsetzendem Alzheimer bekommt (keine Gefahr, dass ich es lustig finden muß!).  Julianne Moore spielt fantastisch diese Professorin, die anfängt sich selbst zu verlieren, die immer mehr vergisst, und ihr ganzes Umfeld damit erschüttert. 

Ich sitze im Kinosessel und mir laufen die Tränen über`s Gesicht. Ich sehe den Film und parallel dazu fängt an ein anderer Film in mir zu laufen.  Ich sehe wie ich meinem kranken Papa Samuel in die Arme gelegt habe und er hat nur abwesend über seinen Kopf gestreichelt.  Es war einer der wenigen Momente, in denen ich weinend aus seinem Schlafzimmer gehen musste, weil es mich so traurig gemacht hat. Ich habe um das geweint was nicht mehr da war, um das was hätte sein können.... er wäre so ein wunderbarer Opa gewesen.
Aber er hat sich auch immer mehr verloren, vieles vergessen und manchmal hat er auch vergessen wer ich bin. Aber sein geliebtes Clärle (meine Mutter) und Jesus - diese Beiden hatte er so tief im Herz, die hat er bis zum Schluß nicht vergessen. Wenn er unruhig war, dann hat es ihn beruhigt wenn wir gesagt haben "Dein Clärle ist doch da!", oder wir haben mit ihm gebetet oder einen Gesangbuchvers gelesen und er hat jedes Wort mit den Lippen mitgeformt. Die Liebe liegt tiefer als unser Vergessen.
Das zeigt auch dieser Film so gut, über den ich weinen kann, weil der Schmerz auch Teil meiner Geschichte ist.

Das Licht geht an, ich wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht und wir gehen noch zusammen ein Eis essen. Die Freundin kenne ich schon ziemlich lange und ich weiß, dass ihr Leben in den letzten Jahren nicht einfach war. Vieles ist für sie nicht in Ordnung. Wir reden über den Glauben, den wir früher geteilt haben und es kommt mir vor als würden wir zusammen in den Hosentaschen wühlen um noch ein paar Cent zu finden, die der Sache noch Wert geben.
Sie findet nicht viel. Es ist als hätte sie das alles verloren und vergessen, was uns vor Jahren dazu gebracht hat, Jesus nachzufolgen. Ich bin zu müde um theologische Diskussionen zu führen - und es würde sowieso nicht wirklich helfen, das weiß ich.
Aber ich lege meine zwei Münzen auf den Tisch. "Ich weiß nur eins:  Jesus vergisst mich nicht. Er liebt mich. Und ich habe ihn immer noch lieb." Und während ich es sage, bin überrascht, wie tief mich diese Worte berühren. Es ist als wäre ich auf einen Schatz gestoßen, der tiefer liegt als unser Vergessen-können.

Diese Woche beginnt mit viel Leid in unserer Welt. Eine Alpenlandschaft voller Horror, Flüchtlingslager mit unsäglicher Not, Kriege, Menschen die leiden, die ganz und gar nicht in Ordnung sind. Ich bin es auch nicht.

Diese Woche beginnt auch die Passionswoche. 
Wir denken an die Tage im Leben Jesu an denen er ganz und gar nicht in Ordnung war. Er hat gelitten, innerlich gekämpft bis auf`s Blut und dann mutig einem furchtbaren Tod in`s Auge gesehen, weil es der Weg war um uns in unserem Leid zu erlösen. 

Vielleicht kann uns das Leiden Jesu diese Tage trösten, wie nie zuvor. Vielleicht finden wir uns in seiner Geschichte: wir können unseren Schmerz weinen, um alles was wir verloren haben und um alles was hätte sein können. Es ist so viel Platz in seinen Wunden. Es ist so viel Trost bei Jesus. So viel Liebe. So viel Erlösung.

Jesus gibt seinen Jüngern Brot und Wein und er bittet sie: "Tut das, zu meinem Gedächtnis". Für mich klingt es in diesen Tagen wie ein verletzliches "Vergesst mich nicht!" 

Vergesst nicht, dass ich euch niemals vergesse.  Vergesst doch nicht wie geliebt ihr seid.  Vergesst nicht: Ich bin doch da.
Und es ist in Ordnung, wenn ihr euch nicht in Ordnung fühlt. Vertraut mir einfach, dass am Ende meine Geschichte die eure in Ordnung bringen kann.



Und ich merke auch in diesen Tagen: Ich brauche Zeit um nicht in Ordnung sein zu können. Um heil zu werden.  Und weil ich so schlecht Grenzen setzen kann muß ich gerade ein bisschen zu radikaleren Mitteln greifen: Ich werde eine 3- monatige Pause machen mit dem Blog-schreiben.
Es fällt mir schwer.  Aber ich weiß, dass ich lernen muß, Dinge loszulassen. Und mich besser um mich kümmern. Ich werde Anfang Juli wieder hier sein.

Ganz viel Segen zu Euch! Danke, dass ich meine Geschichte hier mit euch teilen darf, danke für jedes Kommentar und jede mail und einfach für euer mitlesen. Dadurch sind wir ein wenig Weggefährten geworden.
Ich hoffe wir sehen uns an der nächsten Kreuzung wieder.

Seid gesegnet und vergesst nicht, dass ihr niemals vergessen werdet!!!! 


P.s.:  Das Abendgebet werde ich weiter als meinen "Grenzstein" behalte.
Für alle die von euch die das auch weitermachen wollen: wir treffen uns um 19h  bei   Jesus...

Donnerstag, 26. März 2015

the audience is listening

Heute ist wieder so ein Tag an dem ich schon so müde aufgewacht bin, dass ich eigentlich gleich wieder in`s Bett gehen könnte.
Vor einiger Zeit habe ich etwas über  "Momente pflücken" geschrieben - carpe momentum. Und an so Tagen wie heute tut es mir gut, wenn ich mich an die kleinen, besonderen Momente erinnere, weil sie mich stärken und mir helfen den (heute wahrscheinlich ziemlich langen) Tag zu überstehen. 

Annie Dillard, die wunderbare Schriftstellerin, schreibt dazu:

Wir sind hier um aufmerksam zu sein, um die kleinen Dinge wahrzunehmen,
damit die Schöpfung nicht vor leerem Haus spielen muß. 

Also will ich immer wieder auf den Stuhl fallen, die Eintrittskarte zerknittert in meiner Hand und dabei sein. Momente pflücken. The audience is listening. 

von Kindern lernen: hinschauen und staunen...



Balkonblumen die den Frost überstanden haben - und so toll riechen!

auf dem Markt

Seifenblasen die im Wind übermütig durch den Garten fliegen

 
das unglaublich gute Essen genießen - dank Mathildas Rezept!
 
Kaffee trinken in der Sonne

Kinderglück

"ich helfe dir!"




Lichtreflexe an der Wand neben dem Schreibtisch
ein bisschen Sonnenfinsternis


Dienstag, 24. März 2015

Die Jugend von heute


Wir waren zu Besuch bei meiner Schwester.
Mein kleiner Neffe, den ich erst vor kurzem noch auf dem Sofa durchgekitzelt habe (so kommt es mir zumindest vor!), hatte ein wichtiges Handballspiel und wir wollten ihn anfeuern. Er hat toll gekämpft , trotz seiner Verletzung an der Hand, die noch nicht richig abgeheilt war.  
Am Ende hat seine Mannschaft tatsächlich gewonnen und sie spielen ab jetzt in der württembergischen Liga (hab nicht so wirklich Ahnung was das bedeutet, aber ich glaube es ist eine tolle Sache).  Die Spieler feierten und die Eltern im Publikum strahlten. Und als Tante war ich auch ein bisschen Stolz auf meinen coolen Neffen.

durchsetzten konnte er sich schon immer- hier gegen 4 Abwehrspieler!
Vor dem Spiel waren wir in der Kirche meiner Schwester. 
Am Anfang des Gottesdienstes kamen drei hübsche, junge Mädels nach vorne.
Sie erzählten von einer Reise auf die Philippinen, von den tausenden jungen Mädchen die dort auf der Straßen leben, von Armut und Zwangsprostitution. 
Und sie berichten von der "Beloved-Party" die sie für diese jungen Mädchen organisiert haben - ein Fest an dem sie gefeiert und gesegnet werden, sich stylen können (welches Mädchen macht sich nicht gerne hübsch!), ein Geschenk bekommen und das Bild einer Frau aus Deutschland, die ab jetzt ganz persönlich für sie betet. Sie wollen diesen Mädchen zeigen : ihr seid wertvoll, ihr seid geliebt und wir denken an euch. 

Im Sommer werden sie wieder mit einem kleinen Team dort sein, mit Organisationen vor Ort zusammenarbeiten und "Party machen". Im Moment gestalten sie ihre Homepage, gründen sie einen Verein und sammeln Unterstützer (besonders auch für Gebetspatenschaften mit einem Mädchen vor Ort).

Ich hörte ihnen gebannt zu und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Hier stehen drei Mädels, von denen ich denken würde, dass ihr Hauptinteresse den Models bei Heidi Klum oder irgendwelchen anderen Superstars gilt. Mädchen der "Heads-Down-Generation", mit einem Blick immer auf ihrem Handy-Display, in ihren sozialen Netzwerken.
Und sie erzählen uns aufgeregt und mit zitternden Stimmen von einer ganz besondere Casting-Show, bei dem jedes Mächen eine Krone aufbekommt und von einem soziales Netzwerk, das den Blick in die Welt richtet, hingeht, liebt, betet, nicht vergisst.



Auf ihrem Flyer haben sie den Satz von Ann Voskamp abgedruckt, der das wunderbar ausdrückt, was sie motiviert:

It`s only by amazing grace you were born where you were,
to be amazing grace for someone born somewhere else. 

(frei übersetzt: es ist nur erstaunliche Gnade, dass du an diesem Ort geboren wurdest, um erstaunliche Gnade für jemand zu sein der an einem anderen Ort geboren wurde). 

Nach dem Gottesdienst treffe ich eine Freundin von früher. Ich erfahre, dass eins der Mädchen ihre Tochter ist. Auf meine Begeisterung darüber, was die Mädels machen antwortet sie: "Ja, es ist toll. Aber muß es gerade meine Tochter sein?" Sie lacht dabei, ich spüre die Sorge einer Mutter, aber ich sehe auch, wie stolz sie ist.

Später sind wir bei meiner Schwester und ihrer Familie zum Kaffee trinken. Ein Freund kommt dazu, ein junger Kerl, Anfang 20. Auch er wird im Sommer auf den Philippinen mit dabei sein. 
Wir reden über Handball, über sein Studium, aber vor allem über Jesus. Er strahlt dabei. Hier ist ganz klar seine Leidenschaft. Bevor wir gehen fragt er Heio und mich, ob er noch für uns beten kann. Er spürt, dass wir total müde und abgekämpft sind. Wir nehmen es dankbar an.

"Die Jugend von heute", denke ich auf der Rückfahrt und ich merke, wie stolz ich auf diese jungen Leuten bin. Sie sind sicher nicht perfekt - man kann sich an ihren radikalen Aussagen stören und innerlich denken: "kommt erst mal in unser Alter".
Oder wir können unser Herz öffnen und erleben wie  sie uns Mut machen mir ihrer Leidenschaft, ihrem Kampfgeist und ihrer Hingabe. 

Ich merke wie müde ich in manchem geworden bin. Auf die Philippinen schaffe ich es im Moment ganz sicher nicht. Aber ich kann mich hinter diese jungen Leute stellen und sie unterstützen (z.B. mit einer Herzenspatenschaft).

Ich kann vielleicht ein wenig der Mensch für sie sein, den ich mir in meiner Jugend gewünscht hätte: 

Ich kann am Spielfeldrand stehen (Verbandszeug in der Tasche) und sie anfeuern, mitten in ihren Kämpfen und ihre Siege bejublen - stolz wie eine Mutter.

Ich kann ihren Plänen zuhören, mich mitfreuen an ihrer Begeisterung und an der "erstaunlichen Gnade" Gottes.

Und ab und zu will ich einfach meinen Kopf senken und mich von ihnen segnen lassen.

Mittwoch, 18. März 2015

Gott am Windeleimer




Er ist weg. Heio hat den kleinen Sohn in`s Auto gepackt und ist für zwei ganze Tage zu seiner Mutter gefahren. Zwei Tage in denen ich mal in Ruhe  ausruhen, aufräumen (nur ein kleines bisschen Heio, versprochen!),schreiben, mich mit Freunden treffen und - hoffentlich - SCHLAFEN kann. Eben alles das,  was ich den letzten 4 Jahre viel zu kurz kommt. Ich habe mich darauf gefreut und der Gedanke an diese zwei Tage war in den letzten zwei (sehr kurzen) Nächten mein Rettungsanker. 

Aber kaum sind die Beiden aus dem Haus, dann vermisse ich sie schon. Eigentlich habe ich Samu gestern abend schon vermisst- obwohl er noch nebenan in seinem Bett lag. Schon komisch: da sehne ich mich ständig nach ein wenig Zeit für mich alleine und kaum ist der Sohn aus dem Haus würde ich ihm am liebsten hinterher rennen und ihn wieder zurückholen.
Er raubt mir seit fast 4 Jahren meinen Schlaf, er richtet täglich Chaos in meinem Leben an, ich koche, putze, beschäftige ihn, ertrage seine Trotzanfälle, räume hinter ihm her, mache Puzzle (ich HASSE PUZZLE!) ,lese zum 1000. Mal das "Zug-Buch" vor, stolpere ständig über die Autos, die er in der ganzen Wohnung verteilt... und ich könnte weinen vor Glück, dass ich ihn habe.
Wie oft flüstere ich ihm zu: "Weißt du eigentlich, dass du das größte Geschenk für mich bist?" und ich drücke in so fest an mich, bis er lachend "aufhören, Mama!" schreit.
Und wenn ich mit Freunden zusammen bin, dann muß ich mich total zusammenreißen um nicht von dem kleinen Sohn zu schwärmen oder seine neusten Bilder rumzuzeigen.

Dieses Bild hat er am Sonntag bei den "Kinderfreaks" gemalt - David mit der Harfe (interessante Farbauswahl, oder?).


 Die Harfe hat er nicht wirklich als solche erkannt. "Das ist ein Kartoffelschneider", erklärt er mir. 
zum Vergleich: unser Kartoffelschneider
Sieht tatsächlich ein bisschen so aus. Und die Vorstellung, dass David hier Kartoffelsalat für seine Brüder macht, umgeben von lila Schafen, ist doch auch toll, oder? :-).
Ach, ich liebe meinen Sohn, Und jedes Mal wenn jemand etwas nettes über ihn sagt, könnte ich ausflippen vor Freude.

Und ich frage mich ob es Gott wohl genauso mit uns, seinen Kindern, geht? 

Er räumt unseren Dreck weg, wir rauben ihm den Schlaf, er erträgt unsere Launen, er muß uns zum 1000. Mal etwas erklären und jeden Abend räumt er unser Chaos auf - und dann flüstert er uns zu: "weißt du eigentlich, dass du das größte Geschenk für mich bist?"
Und wenn wir mal nicht in seiner Nähe bin, dann fängt er schon am Abend vorher an uns zu vermissen. Und immer wenn jemand was nettes über uns sagt, dann freut er sich total und vielleicht muß er sich richtig zusammenreißen um nicht ständig Bilder von uns rumzuzeigen.

ist das nicht ein tolles Bild? :-)

Gestern las ich in unserer Jesus-Freaks Zeitschrift der "kranke Bote"  einen herrlichen Artikel von Andi, einem Papa mit drei kleinen Kindern. Er beschreibt das tägliche Chaos und wie er abends völlig fertig die Windeltüten  rausbringt:

Ich stehe neben der Mülltonne, möchte schlafen und bin glücklich. Kinder sind...Arbeit. Selbst an den normalsten Tagen regiert das Chaos. ..In den Momenten wird mir bewusst, was für einen harten Job Gott mit seinen Kindern hat. Wir trotzen, wir schreien,wir verweigern, wir ändern minütlich unsere Meinung und Gott steht abends mit unserer Scheiße am Mülleimer und weint, weil er uns so lieb hat. Dann landen die Windeln in der Tonne und ER und ich freuen uns auf den nächsten Tag.“

Vielleicht hört sich das alles ein bissche übertrieben an. Ich glaube wir haben keine Ahnung, wie geliebt wir sind!!!

Und jetzt werde ich versuche die nächsten zwei Tage zu genießen. Und ich werde SCHLAFEN, bis die Polizei kommt. JAAAAA....

Montag, 16. März 2015

was ich einmal werden möchte


Meistens nervt mich Werbung total. Besonders die riesige Leinwand von dem Fitnesscenter, an dem ich jeden Tag vorbeifahre. Immer bekomme ich ein schlechtes Gewissen und denke: Ja, ja, ich weiß, Sport würde mir gut tun - aber mich auf diesen Foltergeräten in einem Studio zu quälen - das ist einfach nicht mein Ding (und was "mein Ding" ist wenn es um Sport geht, habe ich noch nicht so wirklich herausgefunden:-)). 
Seit kurzem hängt aber ein neues Plakat dort und der Text ging mir plötzlich in`s Herz:


TOMORROW STARTS TODAY. Wie wahr.

Klar, wenn ich morgen eine Traumfigur möchte, muss ich mich heute zum Fitness quälen. 
Die Frage ist wahrscheinlich: Ist mir die Sache so wichtig, dass es mir die Mühe heute Wert ist? (ein klares NEIN von mir, was das Fitnessstudio angeht!).

Heio hat einen Zettel über seine Schreibtisch hängen, der es noch ein weniger härter sagt:
"was ich heute will, dem opfern was ich letztlich will."

Ich muß an Samu denken. Seit einigen Tagen liefere ich ihn wieder weinend in der Kita ab (ER weint - ich schaffe es ohne Tränen). Er klammert sich an mich, bettelt darum, dass ich ihn wieder mitnehme. Die Tränen kullern und mir bricht es fast das Herz. Die Erzieherin versichert mir aber, dass er sich in kürzester Zeit beruhigt und dann die Zeit mit seinen Spielkameraden total genießt.
Mein Onkel hat mir mal erzählt, dass ihn seine Mutter, meine Tante Erna, nach dem 1. Tag im Kindergarten gefragt hat: "Und? Hat es dir gefallen?" Und nachdem er traurig den Kopf geschüttelt hat, meinte sie: "Dann musst du auch nicht mehr hingehen." Das war`s dann mit der staatlichen Früherziehung. Die guten alten Zeiten:-).
Ich verstehe Tante Erna. HEUTE würde ich gerne dem kleinen Sohn den Schmerz und die Tränen sehr gerne ersparen. Aber WAS WILL ICH LETZTLICH? Ich will, dass er es lernt, in einer Welt die wunderbar und kaputt ist,  durch schwierige Stuationen durchzugehen, dass er den Widrigkeiten im Leben mutig begegnen kann und die Erfahrung macht, dass Dinge manchmal schwer sind, aber dann oft auch richtig gut werden können.

TOMORROW STARTS TODAY.

Wie sieht es bei mir aus? Ich frage mich: was will ich letztlich werden und sein? Und was nehme ich dafür heute in Kauf?

Ich möchte jemand werden der im Frieden mit sich selbst lebt, mit dem wie Gott ihn geschaffen hat und der seine Beziehungen gelassen und mit der tiefen Zuversicht lebt, dass er geliebt ist (auch mit allem Mangel).

Deshalb gehe ich heute in Seelsorge. Ich lerne mühsam mein Maß zu finden, versöhnlich mit meinen Schwächen umgehen und ungesunde Beziehungen mutig anzuschauen. Ich will mich heute von meinem "Ideal-Ich" verabschieden und dabei auch in Kauf nehmen, dass ich Menschen enttäusche.  Ich will heute lernen mich nicht ständig zu überfordern, meine Grenzen ernstnehmen, in Respekt vor dem wie Gott meine Persönlichkeit und meinen Körper geschaffen hat. Auch wenn ich manches gerne anders hätte: Ich will lernen dafür DANKE zu sagen ...not perfect, but beautiful.
Ganz schön viel für heute und manches fühlt sich wie sterben an. Aber wenn ich an das denke, was ich morgen sein will, dann weiß ich: es ist die Mühe Wert.

zwei tolle Bücher die ich gerade lese und mir auch dabei helfen

Ich möchte eine gute Ehe führen und dass dass wir ein Zuhause aufbauen in dem man spüren kann, dass es heile Orte in der Welt gibt, an denen man geliebt ist, so wie man ist.

Deshalb will ich heute Heio meine Wertschätzung zeigen - z.B.  mit eine kleinen Zettel am Spiegel , so wie er es neulich bei mir gemacht hat:
wenn ich morgens frustriert in den Spiegel schaue, muss ich lächeln.
Wenn wir streiten und ich ungerecht bin, will ich mich entschuldigen. Ich will mir heute Zeit nehmen, dass wir miteinander reden können, schönes genießen, einander in die Augen schauen um zu spüren, ob wir noch zusammen unterwegs sind. Und ich will mich mit ihm freuen über das was ihm heute gut tut und ihn unterstützen, in den Dingen die ihm schwerfallen. Oft scheitere ich dabei. Aber das ist die Richtung in die ich gehen will. Und ich weiß, jeder kleine Schritt ist es Wert.

Und ich möchte gerne einer von den Menschen werden, die vertraut sind mit Jesus. Es gibt Menschen, die müssen nicht viel sagen und predigen, in ihrer Nähe spüre ich etwas davon wie Jesus ist. Ich sehe es an ihrem Blick und an dem, wie sie leben. Wenn man ihnen begegnet, will man auch ganz nah bei Jesus sein, weil man plötzlich weiß: es gibt ja nichts besseres auf der Welt. So will ich werden.

Deshalb setzte ich mich heute jeden Morgen in unseren Schaukelstuhl und versuche hinzuhören, was Jesus wichtig ist und wie er über mich denkt. Es ist kein Zwangs-Ding, ich denke nicht, dass Gott sauer ist wenn ich es nicht tue - auch wenn es manchmal schwerfällt und ich nicht viel dabei spüre oder höre - ich tue es um mich daran zu erinnern, wem ich heute nachfolgen will und um Jesus zu sagen, dass er mir das Wichtigste im Leben ist. Und wenn er mir etwas sagt was ich für ihn tun kann, dann will ich es tun. Auch wenn es heute manchmal schwerfällt. Ich will eine gute Freundin von Jesus werden. 

Und ich möchte ein dankbarer Mensch werden.
Deshalb will ich heute das Gute sehen lernen. Dankbarkeit ist manchmal ein Gefühl, das mich heute einfach überrollt, aber viel öfters ist es eine Entscheidung. Ein Freund hat dazu mal ein gutes Besipiel erzählt: Es ist wie Sushi-Essen gehen. Die Teller fahren auf dem Laufband vorbei und ich entscheide welchen ich mir nehme. Die Bibel sagt wir sollen über das Gute "nachsinnen". Von allen Gedanken und Dingen die täglich da sein, sollen wir das Gute nehmen und uns davon ernähren. Das will ich heute lernen, damit ich morgen ein Mensch bin, der vollgestopf ist mit Dankbarkeit und Güte.


freue mich seit Tagen an diesem Rosenzweig aus dem Garten..

...und daran dass die Wäsche wieder draußen trocknet

...und wir die Sonne geniessen können

...und wir heute ein Resteessen von der Kta haben
Tomorrow starts today. 

Ganz schön vieles, was ich heute beginnen will - mit Gottes Hilfe - und was ich morgen gerne sein will. Ich weiß. Und am Ende ist es Gnade, wenn ich wirklich in diese Richtung wachsen kann....
Vielleicht lässt es sich am Besten mit dem Dialog zusammenfassen, den Calvin Miller in dem wunderbaren Buch „der Sänger“ schreibt:
 
Was möchtest du gerne sein, wenn du größer wirst, kleines Mädchen?“
Lebendig.“

Montag, 9. März 2015

Heimatklang

"Mir fällt die Decke auf den Kopf" sagte ich zu Samu, was ihn dazu veranlasst hat, besorgt zur Zimmerdecke zu schauen. 
"Fällt gleich der Kristian auf uns drauf?" Kristian wohnt im 1. Stock und er ist ein toller Mitbewohner - aber die Vorstellung dass er durch unsere Decke durchbricht versetzt dem kleinen Sohn eine (verständlichen) Schreck. Ich versuche ihm zu erklären, was ich damit meine und wir sind uns schnell einige: wir wollen die Oma im Schwarzwald besuchen.

Also brausen wir kurze Zeit später über die Autobahn und der kleine Autoexperte auf dem Rücksitz ruft fröhlich: "Mercedes, ein Hoppel (=Opel), Mazda...". Es ist mir unerklärlich, wie er jede Automarke schon von weitem erkennt (an den Genen liegt es ganz sicher nicht!). 
Mit jedem Kilometer über die vertrauten Straßen wird mein Kopf etwas freier und ich genieße die schöne Natur. Zur Zeit gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf, so viele Stimmen die an mir zerren und Gehör finden wollen - ich sehne mich nach Frieden. Nach Zuhause. Mein Heimatort taucht vor uns auf und Samu jauchzt vor Freude: "Wir sind da, wir sind da!!!" Die Oma steht schon an der Tür und er rennt ihr entgegen.

Und wir verbringen einen wunderschönen Tag zusammen. 

zwei, die sich lieben
mit Oma zusammen kochen

spazieren laufen

vorbei an einem Häuschen in dem ich mir immer vorstelle, wie schön es wäre hier zu wohnen

Pause

ich liebe den Schwarzwald

für die einen nur dunkle Holzstämme, für die anderen Heimat

Samu entdeckt wie weich das Moos ist...

...und wie hoch die Schwarzwaldmädels fliegen können

Ich bin jedes Mal so dankbar, wenn wir Zeit mit meiner Mutter verbringen können. Immer wenn ich sie sehe fällt mir auf, dass sie wieder ein wenig dünner und ein wenig schwächer geworden ist.
Außerdem lässt ihr Gehör nach. Leider benutzt sie ihr Hörgerät aber kaum weil es sie stört und sie findet sowieso, dass sie gut hört - wir reden alle nur  viel zu leise:-).

Seit kurzem hört sie aber noch etwas anderes, etwas was wir alle nicht hören. Sie erwähnte es neulich bei einem Telefonat: "Abends höre ich manchmal wunderschöne Musik." Meistens ist es ihr Lieblingslied: Schönster Herr Jesus. 
Sie erzählt, dass sie es ganz klar hört, Vers für Vers, ein wunderbarer Chor...und sie setzt sich auf`s Sofa und faltet ihre Hände und singt leise mit. 
Zuerst war ich besorgt, hab nachgefragt ob sie noch andere Stimmen hört, ob sie weiß was für ein Tag ist.. ihr wisst schon. Aber sie schien ganz klar zu sein. Nein, sonst war alles wie immer, nur diese wunderbare Musik ist plötzlich da, an manchen Abenden.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt habe erzähle ich das Ganze Heio und wir sind plötzlich ganz bewegt und fragen uns ob meine Mutter etwas wahrnimmt von der unsichtbaren Welt, der sie immer näher kommt.
Vielleicht wird am Ende des Lebens die Trennwand etwas durchlässiger, dass man den Heimatklang schon hören kann. Vielleicht wird meine Mutter langsam taub für diese Welt, aber sie wird hörend für eine kommende Welt. 
Ich hoffe so sehr, dass wir meine Mutter noch eine ganze Weile hier bei uns haben. So sehr.  Aber ich sehe auch, wie ihre Sehnsucht nach dem Himmel zunimmt. 
Und so lehrt mich meine gute Mutter, die so viel erlebt hat und mir so vieles beigebracht hat, nun noch etwas darüber, wozu ein Leben reifen kann, das sich Jesus anvertraut hat: Die Stimmen der Welt werden leiser, dimmen aus, wie Geräusche die bald nicht mehr so wichtig sind, und der Klang aus unserer ewigen Heimat fängt an unser Herz zu erfüllen.

Wir kommen nach dem Tagesausflug wieder im lauten Leben an. Vieles dringt wieder auf mich ein. Ein Gewirr von Stimmen kämpft wieder um meine Aufmerksamkeit, fordern beachtet zu werden, versuchen mich zu drängen und mir zu sagen wie wichtig sie sind... 
Aber ich höre auch diese leise, freundliche Stimme, die eine Realität mitbringt, aus einer bleibenden, zukünftigen Welt. Wenn ich auf sie höre, dann tritt vieles plötzlich in den Hintergrund. Ich sehe plötzlich ein wenig klarer was wichtig ist und was ich loslassen kann. 

Ich liebe diese Welt, die Schönheit der Schöpfung die uns umgibt, so viel Gutes...
Aber manchmal schwingt in der Stimme von Jesus der Klang meiner Heimat und dann sehe ich es vor mir, wie es sein wird wenn wir dort ankommen, wenn Jesus an der Tür steht um uns in die Arme zu schließen, wenn alles gut wird, alles heil wird... und mein Herz füllt sich mit unbändiger Vorfreude. 

Mittwoch, 4. März 2015

look for the helpers!


Der kleine Sohn ist krank. Und ich habe Migräne. Die Tage bestehen aus
Schmerzmittel einwerfen, Wadenwickel anbringen, vorlesen, spielen (ich kann es nicht glauben, dass er auch mit 40° Fieber noch Auto spielen will!), malen, essen, schlafen und sehnsüchtig aus dem Fenster starren. 




Ich wünschte ich könnte schreiben, dass ich das ganz gelassen und demütig so annehme, meine Pläne beiseite schiebe und es als wunderbare Gelegenheit sehe mich nicht zu wichtig zu nehmen und mich ganz auf die Zeit mit meinem Sohn konzentriere, denn - wie oft höre ich diesen Satz: "diese Zeit geht so schnell vorbei, genieße sie, es ist die Beste deines Lebens." 
Und das mag ja tatsächlich stimmen, aber wenn ich gerade vor Müdigkeit und Schmerzen am liebsten in die Tischkante beissen würde, fällt es mir schwer die beste Zeit des Lebens zu genießen.

Ich versuche dankbar zu sein. DOCH WIRKLICH!!! 

Vor einigen Tagen sah ich einen Bericht im Fernsehen über Flüchtlinge im Nordirak. Es war erschütternd. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es dort einer Mutter mit krankem Kind ergeht, ohne Medikamente, ohne Zuhause, ohne Perspektive auf eine Zukunft. Die traurigen Kinderaugen verfolgen mich. Zwei Teenager (deren gesamte Familie vor ihren Augen vom IS erschossen wurde) wollten über ihre Flucht berichten, aber sie konnten nicht reden. Tränen liefen über ihr Gesicht bevor sie sich stumm abwandten. Tief traumatisierte Jugendliche.
Viele meiner Freunde sagen, dass sie so etwas nicht anschauen können. Eigentlich kann ich es auch nicht. Aber was sollen wir tun? Wegschauen?

"Look for the helpers!", sagt Fred Rogers. 

Seine Mutter brachte ihm bei, als er noch ein kleiner Junge war: "Wo immer du Elend siehst, such nach den Helfern!" und es wurde sein Trost, in dem Elend der Welt, dass es tatsächlich immer noch viele Helfer gibt, Menschen die mitten in das Dunkel hineingehen und die Notleidenden umarmen.
Ich suche die Helfer - und finde sie. Ein Konvoi kam in das Flüchtlingslager mit warmen Klamotten aus Norddeutschland. Eine Frau verteilte unter Tränen Pakete für die Kinder. Ein irakischer Pastor kam mit seinem Team und versprach wiederzukommen, mit Benzin und Lebensmitteln. 
Es gibt sie tatsächlich, mitten in der Not - die Helfer.

Und was tue ich? Ich wäre so gerne auch ein Helfer, aber die Kraft reicht nicht weit.
Ich habe nur EIN Kind zu versorgen, muss gerade nicht arbeiten gehen, bin nicht alleinerziehend, lebe in keinem Kriegsgebiet, habe Schmerzmedikamente (alles Dinge für die ich sehr dankbar bin) - und ich fühle ich mich seit Tagen wie ein Dampftopf der kurz davor ist zu explodieren. Heio und ich streiten uns und ich sage Dinge, die ich NIEMALS zu ihm sagen wollte, weil sie so unfair und hässlich sind. Heute mittag habe ich voller Wut meine Hausschuhe in die Ecke geschleudert und bin an die frische Luft gerannt, bevor schlimmeres passiert ist. Ich versuche mich zu beruhigen, weiß nicht woher die ganze Wut kommt.  "Wut entsteht da, wo Schmerz in uns ist", sagte gestern eine Freundin und wahrscheinlich stimmt es. Ich leide, an der Welt, an unseren Schmerzen und vor allem an mir selbst. 

"Look for the helpers!"- mitten in der Not und den Kämpfen, sind sie da. Auch bei mir.
Mein wunderbarer Mann (der gerade viel von mir ertragen muss!), Freunde, meine Schwägerin die uns immer wieder entlastet, meine Seelsorgerin, unsere Mütter die für uns beten (Müttergebete sind niemals, nie, zu unterschätzen!!!) und mein Freund Jesus, der in mein Dunkel geht, mitten in die Wut und den Selbshass. Und dann stellt er eine Kerze auf und strahlt mich an. Mein Helfer. 


Und langsam wird der Druck abgelassen, wie an so einem altmodischen Sikomatik ( den wir von meiner Schwiegermutter bekommen haben - und ich keine Ahnung habe wie er funktioniert) und dann kann ich plötzlich nicht mehr so richtig sauer auf mich sein. Ich lasse mich umarmen und hoffe einfach, dass irgendwann die Kraft wieder reicht damit ich für ein paar mehr Menschen auf unserer wunderbaren, kaputten Welt ein Helfer sein kann. 

Es gibt eine Zeit um zu Helfen und es gibt eine Zeit um sich helfen zu lassen.

Manchmal müssen Helfer lernen, sich selbst helfen lassen. Manchmal braucht es zuerst den Weg in unser eigenes Dunkel, bevor wir uns dem Schmerz der Welt zuwenden. Und die Fähigkeit sich lieben zu lassen scheint eine wichtige Vorrausetzung zu sein um wirklich lieben zu können (und wahrscheinlich werden wir immer "verwundete Helfer" bleiben).
Alles das will und muß ich lernen.

Auch wenn ich heute so gerne mehr wäre - ich will meine Grenzen akzeptieren und mich einfach um zwei Menschen kümmern: um den kleinen Sohn und um mich. Und - auch wenn ich es nicht gerne zugebe: ich schaffe es nicht allein. Ich bin dankbar für meine Helfer.

"Die Schönheit unserer Menschlichkeit ist, dass wir wunderbare Dinge schaffen können aber auch, dass wir erkennen: wir brauchen Hilfe."
Jean Vanier

mein Lieblingshelfer im Asylantenheim. Wie gut, dass es diese Menschen gibt!